Für die künstlerische Gestaltung ist die Verwendung diverser Strukturen von grundlegender Bedeutung. Struktur erlaubt Künstler*innen, ihre Werke in sich zu gliedern und verschiedene Bereiche zu differenzieren. Hierbei kann mit geometrischen, vom Objekt vorgegebenen oder während des Prozesses entstehenden Oberflächengestaltungen gearbeitet werden. Aufgrund ihres Facettenreichtums sind Strukturen vielseitig einsetzbar: Sie charakterisieren die Form oder einzelne Kompartimente eines größeren Ganzen. Gleichmäßige Schraffuren erzeugen Ruhe, Stabilität und Klarheit, dagegen vermitteln eher ungestüme und miteinander kontrastierende Elemente den Eindruck von Dynamik und Lebendigkeit. Feinere Binnengliederungen können flächenfüllend als Musterung dienen.
Leonie Sina Stark
Redaktion: Petra Wilhelmy
In Jo Enzweilers Holzschnitt aus der 1964 herausgebrachten Mappe sammlung grafischer und fotografischer blätter ist Struktur das explizite Bildthema. Die mit einem Teppichmesser in den Druckstock eingearbeiteten Schnitte ergeben ein Druckbild aus sich kreuzenden horizontalen und vertikalen Linien, die in freier Regelmäßigkeit das Zentrum des quer gelagerten schwarzen Rechtecks strukturieren. Es entsteht der Eindruck eines textilen Webstückes mit ausgefransten Rändern.
Vera Molnár zeigt mit ihrem Digitaldruck aus der sechsteiligen Reihe Hommage à Naum Gabo eine Variante sich in unterschiedlicher Dichte überlagernder, gekurvter Vertikalstreifen aus schwarzen seriell angeordneten Rechtecken. Die Formverläufe entwickelt sie jeweils aus den Algorithmen eigener Programmierungen. Trotz der geometrischen Bestandteile wirkt das Werk bewegt, geradezu tanzend. Die schwingenden Rhythmen der Bildstruktur verströmen eine Lebendigkeit, die auch die Werke des Bildhauers Naum Gabo auszeichnet.
Das plastische Objekt der Bildhauerin Eva Niestrath zeigt eine serielle Anordnung von zwanzig in einem Objektrahmen dicht gedrängten Papierquadern im Format handelsüblicher Zigarettenschachteln. Die gesamte Oberfläche des Papiers ist mit einer Nadel derart perforiert, dass sie mit kleinen Löchern und Rissen übersät erscheint. So bringt die grobe Bearbeitung des empfindlichen Materials filigrane Strukturen hervor, die dessen Verletzbarkeit sowie die Zartheit der Hohlkörper vor Augen führen.
Die Collage von Erich Kraemer besteht aus linear gefalteten und in Form eines großen Ovals aufgeklebten Papierstücken, die einer Wellpappe ähneln, den Bildgrund jedoch nicht flächendeckend füllen. Die Binnenstruktur der kantig gepressten Papiere variiert zwischen horizontaler und vertikaler Ausrichtung. Dabei brechen bemalte Lücken das reliefhafte Regelmaß immer wieder auf. Darüber hinaus verleihen ein changierendes Kolorit und der Wechsel der Maltechniken der geometrischen Form ein lebendiges Erscheinungsbild. Skripturale Zeichen ergänzen die Strukturen um eine zusätzliche Bedeutungsebene.
Der Fokus von Leonardo Mossos Kunst liegt auf dem Strukturieren von Räumen durch äußere Eingriffe und deren Ablichtung. Die kleinformatige Fotografie Alvar Aalto zeigt eine seiner Konstruktionen aus Stäben und ist dem finnischen Architekten Alvar Alto gewidmet, in dessen Büro Mosso mehrere Jahre mitarbeitete. Die geometrische Anordnung des linear strukturierten Objektes verdichtet sich optisch durch die aus der fotografischen Perspektive resultierenden Verkürzung. Der Künstler spielt mit der Struktur des Konstruierten, den leeren Zwischenräumen und Überschneidungen. So kommt es, dass das im Foto diagonal angeordnete, aus regelmäßigen, in sich ruhenden Quadraten bestehende Gefüge eine durchaus dynamische Wirkung entfaltet.
Will Fabers Gouache zeigt ein vertikal ausgerichtetes Rechteck, das wie von einer inneren Kraft getrieben seitlich aufbricht. Dunkle, frei gezogene Linien gliedern das zentral platzierte Motiv in geometrische Formen. Es entsteht ein Bild, wie man es von bleiverglasten Kirchenfenstern kennt. Das Spiel der verschiedenen Binnenfarben hebt sich vom grautonigen Hintergrund ab. Anders als in der Glasmalerei, die mit ihrer Transparenz das Materielle aufzulösend scheint, verleiht die aufgeraute Oberflächenstruktur Fabers lichthaften Farbfeldern eine haptische Qualität. Dabei verunklärt der in vorderster Ebene mittig schwebende weiße Wirbel die strenge, geometrische Struktur.
Die Tuschezeichnung des Malers und Grafikers August Clüsserath zeigt eine Anordnung freier Pinselstriche aus schwarzer Tusche auf weißem Papier. Was zunächst wie willkürlich aufs Blatt gesetzt erscheinen mag, entpuppt sich bei eingehender Betrachtung als bewusst inszeniertes Spiel aus variierender Breite, Intensität und Platzierung der Linien. Aus den naturhaft anmutenden, jedoch abstrakten und sehr lebendigen Strukturen entsteht eine innerbildliche Bewegung, die typisch ist für Clüsseraths Arbeiten nach seinem 1957 erfolgten Beitritt zur "neuen gruppe saar".
Die Schwarzweißfotografie Fichten Monika von Bochs zeigt einen Ausschnitt der Stämme von vier dicht nebeneinander angeordneten Fichten. Die Fotografin nutzt die natürliche Wuchsrichtung der Bäume als Vertikalgliederung ihres Bildes. Die Helligkeitskontraste und unterschiedlichen Musterungen der Baumrinde dynamisieren den gesamten Bildraum. Da weder Äste noch Nadeln das Motiv näher charakterisieren, interpretiert die Fotografie die mit der Kamera festgehaltenen Strukturen als vom Naturvorbild emanzipiertes Formspiel.
Das aus verchromtem Edelstahlblech gefertigte Objekt des Bildhauers Horst Linn zeigt ein von einer querrechteckigen, flachen Ausgangsform ausgehendes, regelmäßig gefaltetes Relief im Hochformat. Die in leichter Diagonale verlaufenden Vertikalstege lassen den Eindruck entstehen, als besäße das Werk die Form eines Parallelogramms. Auf der glänzenden Oberfläche reflektiert der Einfall des Lichts und erhält durch die Zick-Zack-Struktur und die sich darauf spiegelnden Bewegungen des betrachtenden Gegenübers eine Dynamik, die auch Trompe-l’œuil-Effekte einschließt.
In dem Siebdruck Ullrich Kerkers hebt sich die Form eines Fisches von einem leeren, weißen Untergrund ab. Für die Binnenstrukturierung verwendet Kerker die unregelmäßigen, wilden Fasern einer Pressspanplatte und arbeitet mit ihren bereits vorhandenen Mustern und Auslassungen. Das Finden von bekannten Strukturen wie Schuppen oder Gräten überlässt er den Betrachter*innen. Bis auf eine kleine, das Auge andeutende Leerform bleibt der Fischkörper ohne weitere Detailangaben. Die Strukturen wirken nahezu gefangen und beengt in der Form, als wollten sie im nächsten Moment dynamisch geladen ausdringen und sich entfalten.
Privatpersonen | Schüler*innen, Studierende | Praxen, Kanzleien, gewerbliche Einrichtungen und Firmen | |
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je Kunstwerk | 50 € | 30 € | 80 € |
Für alle Entleiher gilt: