Jo Enzweiler, "Zehn Bilder für Florenz", 1979
eine Reihe von 10 Kartoncollagen
"la tecnica usata per lo strappo, si modulava un paesaggio montano sullo sfondo di un orizzonte agitato oppure di un paesaggio collinoso dai morbidi profili somiglianti a formazioni nuovolose." (Fath 1979, o. P.)
Jo Enzweiler schafft 1979 die Reihe "Zehn Bilder für Florenz", eine Hommage an die toskanische Hauptstadt, die er dort in einer mit seinem Bruder François Enzweiler realisierten Ausstellung in der "Stamperia Il Bisonte" ausstellt. Der konkret arbeitende Künstler Jo Enzweiler widmet diese programmatische Reihe von zehn Kartoncollagen der mittelalterlichen Stadt am Arno. Der Kunsthistoriker Lorenz Dittmann nennt Jo Enzweiler einen konkreten Künstler und Enzweiler selbst bezeichnet sein Schaffen als konkrete Kunst, dennoch drängt sich den Betrachter der Werkreihe eine Assoziation des Landschaftlichen auf, wie es Manfred Fath im vorausgehenden Zitat formuliert, welches dem Ausstellungskatalog der "Stamperia Il Bisonte" entnommen ist. (Fath 1979, o. P.) Die Titelgebung, der inhaltliche und räumliche Bezug der Kartoncollagen auf die Stadt Florenz, bestärkt den Betrachter zusätzlich, der Versuchung nachzugeben, aufgrund des konkreten Bildinhaltes eine intuitive, auf Assoziationen beruhende bildliche Auflösung zu suchen. So erleichtert Jo Enzweiler dem Betrachter den visuellen Zugang zu seinen Werken, indem er die Interpretation einer assoziativen Bedeutungsebene nicht völlig negiert im Sinne der von Theo van Doesburg vertretenen Position der konkreten Kunst, die eine strikte Begrenzung der bildnerischen Mittel auf die Farbe und die Fläche bedeutet.
Jo Enzweilers Werke sprechen durch die konkreten Bildinhalte assoziative Sinnebenen an und animieren den Rezipienten zu einer mehrschichtigen gedanklichen Auseinandersetzung. So zeugen "Zehn Bilder für Florenz" von einer tiefen gedanklichen Auseinandersetzung des Künstlers mit diesem Ort. Der Betrachter, der den gerissenen Kanten des Kartons folgt, scheint seinen Blick über sanfte toskanische Hügellandschaften schweifen zu lassen oder, insbesondere bei den sechzehnteiligen Collagen, auf die Dächerlandschaft einer mittelalterlich gewachsenen Stadt zu blicken.
"Das Bild ist Landschaft." (Enzweiler 1982, o. P.) So formuliert Enzweiler für sich selbst den in der Literatur häufig erwähnten Aspekt des Landschaftlichen in seinen Kartoncollagen und bezieht sich dabei auf destruktive und konstruktive Prozesse der Bildgestaltung, die er in einen gedanklichen Zusammenhang bringt mit Prozessen, die bei der Bildung von Landschaften wirken. "Ein direkter Landschaftsbezug wird aber zu Gunsten eines auf die gestalterischen Prozesse bezogenen Sinnzusammenhangs negiert." (Kraemer 2005, S. 13) Entgegen der Interpretation landschaftlicher Aspekte, die beispielsweise auch der Kunsthistoriker Michael Jähne thematisiert, (Jähne 2001, S. 24) verweisen Maly Gerhardus und Dietfried Gerhardus (Experten auf dem Gebiet der Semiotik), welche der Reihe "Zehn Bilder für Florenz" eine kunsthistorische Studie gewidmet haben, darauf, dass der Ursprung landschaftlicher Assoziationen auf der Deutung einer Horizontlinie beruht und so von der Eigenwahrnehmung des Betrachters bestimmt ist (Gerhardus 1982, o. P.). Zur Erläuterung führen die Autoren aus, dass die Vorstellung der Horizontlinie erlischt, sobald der Betrachter das Werk um 90 ° dreht und somit der konkrete Bildinhalt, einer nun vertikal verlaufenden Risskante in den Vordergrund tritt. Durch die Ausblendung der assoziativen Sinnebene führen Maly Gerhardus und Dietfried Gerhardus die Betrachtung auf die reinen bildnerischen Mittel zurück.
Die bildimmanenten Gestaltungsmittel der zehn Arbeiten folgen dem Prinzip der Reihung und zudem sind die Einzelwerke selbst Teile der zehnteiligen Reihe, die im Gesamtzusammenhang zu sehen sind und innerhalb derer sie sich dem Betrachter erschließen. Im aktuellen Zustand nach eingehender Restaurierung hat Jo Enzweiler 2007 die ursprüngliche Abfolge der "Zehn Bilder für Florenz", wie sie in den Katalogen zu den Ausstellungen in Salzgitter, 1979, und Pforzheim, 1982, dokumentiert ist, verändert. Die ersten vier Collagen der Reihe folgen einem Raster bestehend aus jeweils vier quadratisch angeordneten Elementen, die die grundlegenden Bildprinzipien der gesamten Bildfolge definieren. Bei den sechs folgenden Arbeiten vervielfacht Enzweiler das Raster auf jeweils vier mal vier Elemente, die die zuvor festgelegten Prinzipien vertiefen und weiter ausführen.
Die Arbeiten sind jeweils von einem schmalen Rahmen aus Karton umgeben; innerhalb dieses Rahmens ordnet der Künstler die einzelnen quadratischen Elemente an: Bei den Bildern eins bis vier jeweils zwei mal zwei, bei den Bildern fünf bis zehn, je vier mal vier Elemente. Die Collagen fertigt Enzweiler, indem er beschichteten Karton, dessen glatte Oberfläche weiß ist und dessen raue Innenseite ein warmes Grau aufweist, mit der Hand reißt. Die gerissenen Elemente ordnet der Künstler innerhalb des Rahmens, welcher die Bildbegrenzung vorgibt, im Raster an und klebt sie auf.
Bild eins zeigt vier Elemente, deren Risskanten einer horizontalen Richtung folgen, die das quadratische Element jeweils in der oberen Hälfte strukturieren. An den Risskanten führt Enzweiler die Mehrschichtigkeit des Kartons vor Augen, dessen Materialität durch das Reißen in farbigen Nuancen zwischen rauer Dichte und feiner Transparenz verläuft und so etwas Malerisches aufweist. Die Richtung in der das Material des Kartons gearbeitet ist, ist für die Reißrichtung von besonderer Bedeutung, wodurch sich die Differenzierung der Risskanten ergibt. In Bild eins ergibt sich so eine visuell entlang der Risskanten nachvollziehbare Leserichtung innerhalb der einzelnen Bildelemente von links nach rechts. In Bild zwei fügt Jo Enzweiler dem beschriebenen Gestaltungsprinzip einen weiteren Aspekt hinzu, indem er innerhalb der vier Bildelemente jeweils zwei gegenläufige Reißbewegungen vollzieht. Durch die gegenläufig von links und rechts geführten Risskanten evoziert Enzweiler Bildinhalte, die sich wie Berggipfel im Zentrum der Komposition auftürmen. Bei den Bildern drei und vier führt der Künstler beim Reißen des Kartons die Bewegung entlang einer Geraden, wodurch er präzise definierte Risskanten erzielt. So reduziert der Künstler bei Bild drei die Risskanten zu feinen Linien, die jeweils auf der Horizontalen verlaufen und lediglich minimal nach oben hin auslaufen. Bei Bild vier setzt Enzweiler diese Technik analog zu Bild zwei um, indem er auch hier zwei gegenläufige Reißbewegungen oberhalb einer Geraden durch den Karton führt. Die folgenden sechs Arbeiten differenzieren die beschriebenen Prinzipien. Durch die Vervierfachung der Bildelement bei den Bildern fünf bis zehn erzielt Jo Enzweiler eine Intensivierung bzw. Konzentration der Gestaltungsprinzipien: So greift z. B Bild fünf die horizontalen Risskanten aus Bild drei wieder auf, um die Gesamtkomposition mit dem Faktor vier zu multiplizieren und Bild 10 potenziert die Bildaussage von Bild zwei durch die Vervielfältigung der Gestaltungsmittel. Dabei ist die bewusste Entscheidung Enzweilers für ein Raster von mindestens vier Elementen, welches mit vier multipliziert ein sechzehnteiliges Bildraster ergibt, programmatisch für die mehrteiligen Kompositionen des Künstlers (Enzweiler 1980, 65). Jo Enzweiler schenkt dem Rezipienten so eine Vielzahl von Bildelementen, die visuell zu erfahren, zu lesen sind. Der Betrachter, dessen Blick entlang der Risskanten geführt wird, erfasst die Komposition als Ganzes, ist aber dennoch angehalten, den durch das Raster vorgegebenen Linien zu folgen und die Collagen Element für Element zu lesen.
Bibliografie
Sandra Kraemer
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je Kunstwerk | 50 € | 30 € | 80 € |
Für alle Entleiher gilt: