Max Mertz gehörte schon zu Anfang der 1950er Jahre zu den Künstlern, die durch formale Innovationen Aufsehen erregten. Er war stets ein Gegner von Bequemlichkeiten, die aus dem Mitschwimmen im Strom der Konventionen resultieren konnten. Unermüdlich experimentierte er mit unterschiedlichen Techniken und ständig wechselnden Malmethoden. Mitte der 1950er Jahre begann er damit, sich in seinen Werken auf die Oberfläche zu konzentrieren. Es entstanden sog. Materialbilder (z. B. "Cool Jazz", 1954 und "Pointillistisch", 1955), mit denen er prompt hitzige Diskussionen entfachte, oft voller Missverständnisse und Fehlinterpretationen.
Plastisches Arbeiten und Malen war für Max Mertz keine Spontaneität, keine Sache von Emotion, sondern eine geistige Aufgabe, bei der es um ein Durchdenken von Bildideen, Formen und Farben geht. Selbstsicher beschäftigte er sich mit der Abstraktion von Gegenständen und ließ eigenwillig hinter Formfiguren und Farben Gegenständliches durchschimmern. Mit Themenkomplexen, seriellen Kompositionen und Formproblemen setzte er sich während seiner ganzen Schaffenszeit auseinander.
Die Wahl der Technik, des Materials und der Bildfiguren erfolgte in der Regel nach dem künstlerischen Ziel, das Max Mertz erreichen wollte.
Es lassen sich innerhalb des Oeuvres insgesamt vier Phasen eingrenzen:
1. Der Frühstil, die Phase der kubistischen Zergliederung und Verzahnung, die als Umbruch im Werk die experimentelle Phase der fünfziger Jahre einläutet. Farbe und lineare Formbegrenzungen greifen ineinander über und bilden spannungsvolle Zonen mit teilweise kristallinen Formationen. Diesen reich facettierten Formen entspricht eine differenzierte Farbigkeit. Farbige Flächen und kubische Formen, die sich überschneiden, überlagern und verzahnen, erzielen im Bild eine dynamische Rhythmik. Die Farbe hat sich von dem Auftrag, Natur und Architektur wiederzugeben, gelöst.
2. Die experimentelle Phase der fünfziger Jahre mit den Materialbildern, bei denen der Versuch, Gegenstände, Material und Oberflächenbeschaffenheit in das Werk einzubeziehen, im Mittelpunkt steht. Die Materialbilder sollten dabei nicht erklären, warum und wie etwas zu verstehen ist, sondern sollten das, was ist, selber sichtbar machen, indem sie das Material zum Bild machen. Diese Materialbilder sprechen in ihrem materialbedingten Kompositionsverfahren den Tastsinn an und durchbrechen mit ihren reliefartigen Strukturen die Zweidimensionalität. Licht und Schatten beleben die Flächen. Die entscheidenden Kriterien dessen, was die Materialbilder ausmacht, sind der Verzicht auf den Gegenstand – von einigen Ausnahmen abgesehen – und die Verwendung grundsätzlich jedes Materials, bzw. der Grundsatz, unter allen Materialien frei die Wahl zu treffen. Das bedeutete für Max Mertz jedoch nicht eine Absage an die Malerei, denn die Malerei wird hierbei ergänzt bzw. nahezu verdrängt durch eine Materialcollage. Max Mertz lässt hier neben Farbe gegen Farbe, Linie gegen Linie, Form gegen Form auch noch Material gegen Material zum Ausdruck kommen. Diese Arbeiten waren und wirkten damals als etwas absolut Neues.
Überhaupt waren die Jahre bis etwa 1960, dem Zeitpunkt der ersten Einzelausstellung, eine Zeit des Experimentierens, vor allem im Bereich des farbigen Ausdrucks (z. B. die Arbeiten auf Seide). Es entstanden überaus reizvolle "Spielereien", aus denen sich mitunter ostasiatisch anmutende Figurationen ergaben. Die verschiedenen formalen Ausbildungen resultieren aus den unterschiedlichen Relationen von Grund und Farbauftrag. So zufällig angelegt die Farblinien auch scheinen, strukturieren sie doch die räumlichen Verhältnisse innerhalb des Bildes und legen Punkte fest, in denen sich Linien von andersfarbigen Lineaturen absetzen.
3. Die progressive Phase der sechziger Jahre, die zwei verschiedene Aspekte beinhaltet, nämlich einerseits die starkfarbigen Bilder mit gegeneinander gesetzten Farben und andererseits die auf Sackleinwand entstandenen Kohlezeichnungen mit überwiegend architektonischen Formen. Es sind dies Formen und Farben, die der Komposition Festigkeit verleihen, bzw. einen Zustand zwischen Statik und Dynamik wiedergeben. Vor hellem Grund bilden dunkle Striche segmentartige, winklige Figurationen, gepaart mit ungeordneten Linienverläufen. Im Zusammenhang mit der hellen Leinwand ergibt sich eine Bewegung zwischen Flächigkeit und Tiefe. Der Künstler betont in diesen Arbeiten das Konstruktive, das Architektonische, was sich auch in den Bildtiteln niederschlägt.
In diese Phase gehört auch eine Anzahl von "Bildfigur"-Kompositionen, die Max Mertz bewusst paraphrasierte und variierte und so die Variationsbreite der Darstellungsmöglichkeiten zeigte. Er setzte sie z. B. in zahlreichen Aquarellen, Ölbildern und vor allem in kolorierten Siebdrucken um. So beschäftigte er sich 1966 auf zwanzig Blättern mit den "Variationen über ein Thema", das er sich selbst gestellt hat, und das, von einem plastisch verstandenen Modell ohne Änderung der Größenverhältnisse ausgehend, unter Verwendung von Farbstützen und Negativformen bis zu einer sich auflösenden, zerfallenden Ordnung der Elemente, nacheinander versetzt wird. Plastisch gesehene Konstruktiv-Elemente drängen als Ergebnis der Auseinandersetzung von Figur und Bildgrund, von Form und Farbe in sein Werk.
Für Max Mertz waren auch seine plastischen Arbeiten stets ein Raumerlebnis. Er sah nicht nur gestaltete Volumina, die einem Raum Charakter leihen konnten, sondern er bezog auch Raum in seine Plastik ein. In all diesen Werken setzte sich der Künstler sowohl mit Problemen des Raumes, der Raumgestaltung, Raumtiefe und Raumillusion als auch mit der Flächenhaftigkeit, der Zweidimensionalität auseinander. In seinen wohlbedachten Kompositionen, in seinen Formvarianten und vor allem in der Abstufung der Farben setzt sich seine Eigenständigkeit eindringlich und eindrucksvoll durch.
4. Der Spätstil, die siebziger Jahre mit farbenfrohen, leuchtenden und kontrastreichen Aquarellen, Filzstiftzeichnungen, Holzreliefs usw., die letzte Phase des Schaffens, in der keinerlei Nachlassen der gestalterischen Kräfte erkennbar wurde. Das gestalterische Element der Linie wird hier von Max Mertz in seiner Vielseitigkeit erprobt. Vor allem bei den farbigen Holzreliefs mit ihren geraden und gewundenen geometrischen Formen ist es das Licht, das wirkliche Schatten wirft und die Komplexität der Bildoberfläche vermehrt, die ihrerseits, trotz der tatsächlichen Zugehörigkeit zur Plastik, ein bildähnliches Aussehen behält. Max Mertz verwandte mehrere Schichten und eine Vielzahl von Formen zu einer additiven Gestaltung. Auch die parallel entstandenen farbigen Holzplastiken bestehen aus verschiedenen Teilen von elementarer Form, die, aneinandergefügt, eine dreidimensionale Ganzheit bilden, die durch die farbige Bemalung noch gesteigert wird. Farbe und Raum sollen hier zusammenwirken. Der Abstand zwischen den Formelementen ist weder zu groß noch zu klein, so dass der Betrachter die Beziehungen zwischen Form, Farbe und Raum erkennen kann.
Alle diese Arbeiten spiegeln in ihren unterschiedlichsten Techniken den Stand der stilistischen Entwicklung. Bemerkenswert ist innerhalb der künstlerischen Entwicklung von Max Mertz, dass er an einmal gefundenen stilistischen Grundkonzeptionen über Jahre hinweg festhielt. Aus diesem Grund scheint eine strenge Einordnung in Abschnitte nicht immer gerechtfertigt, da ja Formmotive, die Max Mertz interessierten, häufig wieder aufgenommen wurden. Hierin zeigt sich, dass Max Mertz, obwohl er die Errungenschaften der Kunst seiner Zeit nicht ignorierte, nichts von Modeerscheinungen und Trends hielt, sondern dass er in der Durcharbeitung formaler Probleme sein Ziel sah.
In der Rückschau des Lebenswerkes zeichnen sich trotz allem Schaffensabschnitte und Perioden mit bevorzugten Themen und Motiven und auch mit jeweils speziellen Maltechniken ab. Sie sind nicht durch radikale Brüche charakterisiert, sondern werden durch eine übergreifende Kontinuität zusammengehalten.
Wie Max Mertz sich zu Beginn der fünfziger Jahre einen selbständigen Weg zur Ungegenständlichkeit erarbeitete und wie er schon damals im Abstrahieren von Gegenständen, quasi als Akt der Befreiung, sein wichtigstes Ausdrucksmittel fand, wirkt heute noch bemerkenswert. Der Satz "Man muss die Dinge ablehnen können, um frei zu sein" (Költzsch, 1985, S. 5) charakterisiert die Eigenart der Abstraktion im Werk von Max Mertz und umschreibt seine Position, das heißt man müsse sich zunächst vom Gegenständlichen freimachen, um die künstlerischen Mittel im elementarsten Sinne kennenzulernen. Diese Haltung des Künstlers beweist, dass für ihn die Malerei nicht unbedingt des Gegenständlichen bedarf. Max Mertz war nicht einseitig festgelegt, denn er experimentierte unablässig mit den Mitteln, um neue formale und farbige Kombinationen zu erproben. Da die Farbe keine gegenstandsbestimmende Funktion mehr hat, ist dem Künstler ein freier Umgang mit ihr und den Formen möglich geworden.
So bedeutsam die Stationen Berlin, Dresden und Paris für Max Mertz und seinen künstlerischen Weg auch waren, so hat er doch im wesentlichen aus eigenem Antrieb in dieser vorliegenden Kontinuität sein umfangreiches Oeuvre geschaffen. Der künstlerische Werdegang von Max Mertz ist von erstaunlicher Konsequenz geprägt und sein Werk von einer bruchlosen, wenn auch nicht zwingenden Entwicklung bestimmt.
Eike Oertel-Mascioni
Redaktion: Doris Kiefer
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