Als Filiale der Pfarrei Niederkirchen wird Leitersweiler 1538 mit der Einführung der Reformation in Niederkirchen evangelisch und hat eindeutig die längste evangelische Tradition in der evangelischen Kirchengemeinde St. Wendel. Seit 1717 besitzt Leitersweiler eine eigene Kirche. Die 1850-51 durch den heutigen Bau, einen einfachen rechteckigen, flachgedeckten Saalbau ersetzt wurde. Die Kirchweihe erfolgte am 25. Juni 1851 und wurde 150 Jahre später, 2001, mit einem großen Fest erneut gefeiert. Seit dem 14. November 1839 gehört Leitersweiler zur neugegründeten evangelischen Kirchengemeinde St. Wendel.
Inwieweit der kleine klassizistische Saalbau mit geradem, fensterlosen Chorabschluss, den ehemals vier Fensterachsen, einem Krüppelwalmdach und Eckpilastern (Wandpfeiler im Mauerverbund) aus Sandstein Bezug nimmt auf die Vorgängerkirche, kann nicht festgestellt werden. Erst 1911 wurde der schlanke Glockenturm an der Südwestecke der ehemaligen Eingangsfassade angebaut, der mit seiner Bruchstein-Eckquaderung an seiner Südwestecke auf die Pilaster am Kirchenbau reagiert. Schmale Schlitzfenster in den unteren Geschossen, die dem inneren Treppenaufgang folgen, je zwei Zeigerblätter an Südwest- und Nordostecke und rundbogige Schallöffnungen sowie ein Zwillingsfenster im Westen gliedern den mit Satteldach bedeckten Turm.
In den 1950er und 1960er Jahren wurden durch den Saarbrücker Architekten Prof. Rudolf Krüger Renovierungs- und Umbauarbeiten durchgeführt. 1950 ersetzte Rudolf Krüger die westlichen Rundbogenfenster durch jeweils ein Okulifenster und ein zweiteiliges Rechteckfenster darunter an der Südseite sowie einen neuen überdachten Eingang an der Nordseite. Das ursprüngliche Westportal war durch den angefügten Turm in Bedrängnis geraten. Hier wurde später eine kleine Sakristei angebaut.
Die „klassizistische Note“ (Martin Klewitz) der Leitersweiler Kirche, die geographisch und stilistisch zur Gruppe der Kirchen von Werschweiler, St. Wendel und Hoof gehört, lässt sich am Außenbau einerseits noch erkennen an den Sandsteingewänden der Rundbogenfenster mit ihren profilierten Bögen, den Pilastern und abgetreppten Kämpfern (Widerlager des Bogens) und andererseits an der Eckquaderung. Sie setzt sich aus drei übereinandergestellten Pilastern zusammen, die jeweils auf der Höhe der Fenstersolbänke und der Kämpferzone kleine Kämpferzacken aufweisen. Man könnte sich hier wie in St. Wendel durchlaufende Gesimse vorstellen. Martin Klewitz, damaliger saarländischer Landeskonservator schrieb seinerzeit: „Es ist ein später Klassizismus, biedermeierlich bescheiden, aber doch liebenswert und architektonisch schön.“
In den 1960er Jahren erfolgte eine umfangreiche Neugestaltung des Innenraumes, die ihm das heutige Aussehen verlieh. Eine alte Abbildung des Chorraumes lässt noch die ursprüngliche Wandbemalung, eine Gliederung in rechteckige Bahnen sowie die typisch evangelische Anordnung von über mehrere Stufen erhöhtem Kanzelaltar in der Mitte der Chorwand, erkennen. Eine Art hölzerne Chorschranke, welche die Kanzeltreppe verbirgt, und ein Kanonenofen rechts sind auf der Abbildung noch zu sehen. Von 1964 existieren Zeichnungen von Rudolf Krüger, die das heutige Aussehen des Chorraums wiedergeben: Ein erhöhter Raumteil mit Altartisch in der Mitte, rechts eine in die Nähe der Gemeinde gerückte Kanzel (oder Lesepult) und links oben an der Stirnwand die stählerne Dornenkrone im Strahlenkranz, ein Motiv Krügers, das er auch in seinem evangelischen Gemeindezentren Wellesweiler (1956) und der Evangelischen Johanneskirche in Idar-Oberstein (1961) verwendet. Für die zwei Meter große Dornenkrone existiert eine auf den 10. August 1964 datierte Rechnung der Kunst- und Bauschlosserei-Eisenkonstruktion Karl Jung aus Saarbrücken, in der ausdrücklich auf die Urheberschaft des Architekten hingewiesen wird.
Im Anschluss an die Umgestaltung des Innenraums wurden 1965/66 die noch verbliebenen sechs Rundbogenfenster künstlerisch neu gestaltet. Der saarländische Glas- und Wandmaler Ferdinand Selgrad, ein Schüler Boris Kleints und Absolvent der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk Saarbrücken, fertigte die Entwürfe für die abstrakten Bleiglasfenster, die von der Trierer Glaswerkstatt Binsfeld ausgeführt wurden. Unterschiedlich starke Bleiruten bündeln jeweils in der senkrechten Mitte der Fenster Säulen aus unterschiedlichen, großen gerundeten bunten Glasscheiben inmitten von weißen, undurchsichtigen Scheibenformen. Der Künstler hat eindeutig unterschieden zwischen den Farbtönen an Süd- und Nordseite und bringt auf diese Weise christliche Symbolik in sein Werk. In den in Rottönen erstrahlenden Südfenstern lassen sich die Flammen des Pfingstfestes und in den blautönigen Nordfenstern das Wasser der Taufe wiedererkennen.
Für Prof. Rudolf Krüger war zeitlebens der Kirchenbau „die schönste aller Aufgaben“ (Krüger, 2013, Anlage 1, Blatt 4), ihm war auch wichtig, dass Fenster und Prinzipalstücke wie Altar und Kanzel, die „ersten“ und „vornehmsten“ Einrichtungsteile für die liturgische Nutzung, die den Kirchenräumen die besondere Prägung geben, von namhaften Künstlern gestaltet wurden. Diese Künstler verstehen es letztendlich auch, ihren Werken die innere Kraft zu verleihen um „das Raumgefühl zu steigern und dem Raum Würde zu geben“ wie es der Trierer Baurat Heinrich Otto Vogel, ein Zeitgenosse Rudolf Krügers, formuliert und wie es Ferdinand Selgrad mit seinen Bleiglasfenstern und Rudolf Krüger mit seiner Dornenkrone im Strahlenglanz demonstrierten.
Aus beiden unterschiedlichen Bildwerken lassen sich christliche Erfahrungsformen herauslesen. Die gegenständliche stählerne Dornenkrone im Strahlenkranz anstelle eines Kreuzes im Chorraum erscheint ungewöhnlich, doch gehört sie zum Repertoire Rudolf Krügers. Sie symbolisiert Christi Tod am Karfreitag eingebunden in seine Auferstehung an Ostern, die zentralen Glaubensinhalte der Christen.
Die Orgel auf der Empore im Westen wurde 1980/81 vom Orgelbauer Gustav Cartellieri unter Verwendung von Teilen einer alten Stumm-Orgel neugebaut.
Mit der Entwidmung der evangelischen Kirche in Hofeld, im Mai 2019, wurden deren Prinzipalien, die von der Künstlerin Elfi Pazen gefertigten Kreuz und Ambo, nach Leitersweiler überführt. Ambo und Teppich aus Hofeld tragen nun zu einem neuen Gesamteindruck in der Leitersweiler Kirche bei, das Kreuz hängt im Gemeindehaus.
Margarete Wagner-Grill
Literatur: Institut für aktuelle Kunst im Saarland an der Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarlouis
Evangelische Kirchengemeinde St. Wendel (Hg.): Gemeindeführer 3. Aufl. 2009, S. 16 (Gottesdienststätten Kirche Leitersweiler)
Martin Klewitz: Der evangelische Kirchenbau zwischen 1800 und 1945. In: Die evangelische Kirche an der Saar gestern und heute. Saarbrücken 1975, S. 247-260 (Hg. Von den Kirchenkreisen Ottweiler, Saarbrücken und Völklingen der Evangelischen Kirche im Rheinland)
Till Krüger: Architekt Rudolf Krüger 1898-1980. Gesammelt und redigiert von Till Krüger. Reinbek September 2013. 3 Bände: Textband, S. 15, 16, 25-27, Bildband 1 und Bildband 2 (Idar-Oberstein, Johanneskirche; Wellesweiler, Gemeindezentrum)
Martina Malburg: Der Architekt Rudolf Krüger. Studien zu Leben und Werk. (VdH Wissenschaftliche Reihe. Hg. Von Bert Kallenbach). Düsseldorf 1995, S. 135, 136 (Tabellen: Kirchen und kirchliche Einrichtungen)
Kristine Marschall: Sakralbauwerke des Klassizismus und des Historismus im Saarland. Saarbrücken 2002. S. 274 (= Veröffentlichung des Instituts für Landeskunde im Saarland. Hg. Von W. Haubrichs, H.-W. Herrmann, H. Quasten. Bd. 40)
Ferdinand Selgrad. Zwischen Figuration und Abstraktion. Glas und Leinwand. Ausst.-Katalog Städtische Galerie Neunkirchen 14. Nov. 2013 – 5. Jan. 2014, S. 19, 33
Heinrich Otto Vogel: Evangelischer Kirchenbau heute. In: Die evangelische Kirche an der Saar gestern und heute. Saarbrücken 1975, S. 352-357
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