60 Jahre Kunst im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt Saarbrücken von Paul Schneider 1952 bis 2012
"Geh doch mal da rein und erkundige Dich, ob es vielleicht einen Auftrag für Dich gibt!" Mit diesem Anstoß der jungen Ehefrau an den angehenden Bildenden Künstler begann an einem Tag im Jahre 1952 das Wirken des Bildhauers Paul Schneider im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt Saarbrücken. Der Vorschlag von Li Schneider, die ihren Mann vom Hauptbahnhof Saarbrücken abgeholt hatte, bezog sich auf den Rohbau der Oberpostdirektion in der Klausenerstraße, an dem die beiden auf dem Nachhauseweg vorbeikamen. Zu diesem Zeitpunkt pendelte Paul Schneider noch zwischen der Saar und dem Main hin und her, um sein 1948 in Kassel begonnenes Kunststudium an der Frankfurter Kunsthochschule Staedel bei dem Bildhauer Hans Mettel fortzusetzen. Tatsächlich bekam er den Auftrag für eine Fußbodengestaltung im Entree des Postverwaltungsgebäudes. Das farbige Mosaik mit dem Titel "Posthörner", gleichsam ein für die Besucher ausgebreiteter Teppich, mag heute motivisch antiquiert erscheinen. Doch hat die künstlerische Qualität von Schneiders frühem Entwurf, der das stilisiert wiedergegebene, traditionelle Posthorn in Ausrichtung und Farbe variiert und einem Raster aus 15 rechteckigen Feldern einschreibt, nichts von seiner Frische und Kraft eingebüßt. Im Jahre 2012, zwei Generationen später, wird das Gebäude von dem Konzern "Deutsche Telekom AG" genutzt und ist für Außenstehende nur nach vorheriger Anmeldung zugänglich.
Ein eingeschränkter oder gar versperrter Zutritt gilt inzwischen für viele Verwaltungsgebäude oder Schulhäuser, in deren anfangs zumindest halböffentlichen Räumen Schneider Kunst im Innenbau geschaffen hat: in Foyers, Gängen und Pausenhallen. Daher werden im Folgenden Kunstwerke, die im Außenraum und zumeist ohne Beschränkung zu sehen sind, ausführlicher beschrieben.
Zusammenarbeit mit Stadtbaudirektor Peter Paul Seeberger
Das vollendete Fußbodenbild "Posthörner", das Paul Schneider nach seinem vom Bauherrn akzeptierten Entwurf auch selbst bei der Firma "Villeroy & Boch" in Mettlach aus Kleinmosaik zusammengesetzt hatte (die auf Netz geklebten Steinchen waren anschließend von einem professionellen Fliesenleger mit Beton an der vorgesehenen Stelle in den Boden verlegt worden), machte den Leiter des Städtischen Hochbauamtes und späteren Stadtbaudirektor Peter Paul Seeberger auf den jungen Künstler aufmerksam. Seeberger erkannte Schneiders künstlerisches Talent und handwerkliches Geschick und schätzte bald auch seine Zuverlässigkeit bei der Ausführung der Aufträge. Die Zusammenarbeit zwischen Seeberger als Architekt und Schneider als Künstler sollte bis in die Mitte der 1960er Jahre dauern.
In diesen Jahren des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Seeberger zu jenen Architekten und Stadtplanern, die "das moderne Saarbrücken mitgeprägt und städtebaulich Akzente gesetzt" haben, wie es Oberbürgermeister Fritz Schuster 1971 bei der Verabschiedung seines Stadtbaudirektors formulierte (Dillinger 2007, S. 7). Neben den Neubauten von Schulen und der Neugestaltung des Rathauses St. Johann, auf die weiter unten näher eingegangen wird, sind aus der Zusammenarbeit von Seeberger und Schneider vor allem das Deutschmühlenbad und das städtische Waisenhaus zu erwähnen. Für den Neubau des Bades fertigte Schneider ein großes Sgraffito an, Neptun und Meerjungfrauen thematisierend. Bei dem Neubau des Waisenhauses war er neben der Fassadengestaltung auch in umfangreichem Maße an der Gestaltung der Innenräume (Fenster, Türen) beteiligt. Beide Bauwerke sind mittlerweile abgerissen.
Zu dem Komplex des Waisenhauses, das die Stadt 1897 auf das von ihr angekaufte Gelände des Deutschherren-Ritterordens verlegte, gehört auch das historische Gebäude des Deutschherrenhauses (die Niederlassung war 1227 gegründet worden). Hier bekam Schneider bei den Umbaumaßnahmen der Nachkriegszeit verschiedene Aufträge: Die steinerne Fassung eines Brunnens, der bei den Bauarbeiten auf dem Hof zwischen Deutschherrenkapelle und Deutschherrenhaus entdeckt worden war; eine Steintafel, die in einen spätgotischen Türrahmen eingelassen ist und mit ihrer eingemeißelten Inschrift Auskunft gibt über die Geschichte der Ordenskomturei und des städtischen Waisenhauses, und einen Wandbrunnen, der in eine Türnische mit Renaissance-Rahmen eingepasst ist. Als Wasserspeier modellierte Schneider einen aus einer quadratischen Bronzeplatte herausschwimmenden Fisch.
Zu Schneiders plastischen, in Bronze gegossenen Arbeiten gehört auch der Schlangenkopf am Friedhofsbrunnen in St. Arnual, ebenfalls eine Zusammenarbeit zwischen dem Stadtbaudirektor und dem Bildhauer. Schneider lieferte mehrfach Modelle für Bronzegüsse, darunter auch die Modelle zu den "Bekrönungen" zweier Denkmäler, die im Zweiten Weltkrieg oder unmittelbar danach abgenommen worden waren und als verloren gelten müssen: das Bildnismedaillon der Königin Luise im Luisenbrunnen von 1912 und der Adler auf einem Kriegerdenkmal aus dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 im Ehrental. Vergleicht man Schneiders Neuschöpfungen mit den auf Fotos überlieferten Urstücken wird deutlich, wie weit seine unprätentiösen Interpretationen von den majestätischen Originalen der Kaiserzeit entfernt sind.
Kunst am Bau für Volksschulhäuser
Von den städtischen Neubauten jener Zeit sind speziell die Schulgebäude für die damaligen Volksschulen hervorzuheben, die als großzügige, gut ausgestattete und lichtdurchflutete Baukomplexe eine Gegenwelt zu den Trümmerlandschaften im Saarbrücken der Nachkriegsjahre bildeten. Für Seeberger war es nur folgerichtig, Handwerk und Kunsthandwerk "in die Formen der architektonischen Gestaltung" miteinzubeziehen, lag ihm doch "sehr viel daran, durch die lebendige Handwerksform und das Zusammenwirken edler Materialien im Kinde die Freude an schöpferischer Gestaltung bewusst zu machen und zu pflegen." (Seeberger 1955, S. 10). Zu den beauftragten Künstlern gehörten neben Paul Schneider auch Helmut Collman, Wolfram Huschens, Mia Münster, Dorothea Zech und Fritz Zolnhofer. Mehrere der Schulgebäude wurden inzwischen als denkmalwert erkannt und in die Denkmalliste des Saarlandes aufgenommen.
Für eine Giebelwand der Rodenhofschule fertigte Paul Schneider das ursprünglich rot-tonige Sgraffito "Hahn mit Hennen". In den Pausenhallen der Ostschule führte er großflächige, dabei leicht wirkende Wandgestaltungen aus, indem er sich einer heute kaum mehr angewendeten Technik aus gebogenem Stahl mit Kleinmosaik bediente: Im ersten Obergeschoss formte er einen stilisierten Rinderkopf, in dessen Auge ein Mosaik mit der Darstellung eines Schäfers mit Lamm eingelassen ist, und im zweiten Obergeschoss eine Gruppe von Kranichen.
Eine Gestaltung aus hell und dunkel gefasstem Beton belebt eine Wand im Außenbereich der Rastpfuhlschule: In einer eingetieften Form sind als Hochrelief ruhende Kühe aufgebracht. Erst das genaue Studium von Rindern auf der Weide ermöglichte es Paul Schneider, die stark abstrahierte Formgebung sowie die Anordnung dunkler und heller Stellen, die auf den Körpern das Gerüst der Tiere markieren, als künstlerische Lösung zu finden.
Tierbilder wählten Seeberger und Schneider auch für die Hohe-Wacht-Schule. Schneider modellierte 15 Keramik-Reliefs mit der Darstellung verschiedener einheimischer und exotischer Tiere, die bei starker Stilisierung doch das jeweils Charakteristische der Tierart wiedergeben. Die keramischen Platten haben an den Seiten rechteckige Aussparungen, damit sie in den Verbund der Klinker eingepasst werden konnten, mit denen die Flure in den Klassenzimmertrakten verkleidet sind.
Kunst am Bau für die Berufsschule am Mügelsberg
Ein großes Relief an der fast fensterlosen, auf die Schumannstraße gerichteten Fassade des Gebäudes Försterstraße 47 bezieht sich auf die Funktion, die das 1957-60 errichtete Bauwerk innehatte: Meisterschule der Technisch-Gewerblichen Berufsschule am Mügelsberg. "Meister ist, wer etwas ersann, Geselle ist, wer etwas kann, und Lehrling, das ist Jedermann", so der Titel des Reliefs, das in die Rasterung aus Quadraten und schmalen, liegenden Rechtecken eingepasst werden musste, von welcher die monochrome Außenwandverkleidung bestimmt wird. Drei versetzt übereinander angeordnete Figuren verdeutlichen die aufsteigenden Stufen Lehrling – Geselle – Meister. Die Gestalten sind stark abstrahiert dargestellt. Anhand der Stellungen und Haltungen der Figuren, unter Zuhilfenahme der dargestellten Instrumente und nicht zuletzt durch die Abstufung, in der die Gestalten als Negativform in den Untergrund eingeschnitten sind oder ihn als Positivform überwinden, lässt sich das Bild lesen: Wie ein Embryo in der Hülle, noch ohne Werkzeug aber doch schon mit aktiv ausgestrecktem Arm, sitzt der Lehrling auf der untersten Stufe. Auf der mittleren Stufe hat sich der Geselle bereits aufgerichtet und deutlich aus der Schale gelöst. Ihm sind Instrumente wie Winkel, Senklot und Zirkel zugeordnet. Der Geselle weist nach oben zur Figur des Meisters, die als erhabene Form hervortritt. Der Meister gibt das Maß vor und weist den Weg.
In einem Innenhof des aus verschiedenen Bauwerken bestehenden Schulkomplexes, seinerzeit wohl der größte des Saarlandes, zeugt ein weiterer Brunnen von der engen Zusammenarbeit zwischen Seeberger und Schneider. Eine typische "Seeberger-Wand" aus unregelmäßigen Natursteinen bildet den Hintergrund eines Wandbrunnens, für den Schneider 1960 den Quellstein schuf. In eine Sandsteinplatte schnitt der Bildhauer die stilisierte Figur eines Wassermanns ein, der den Wasserstrahl in das gemauerte Bodenbecken speit.
Während einer späteren Ausbauphase der Mügelsbergschule entstand 1973-74 im Verbindungstrakt IC-IIB eine große Betonglaswand aus weitgehend nicht farbigem Dickglas. Die Licht einfangende Wand ist in 18 Quadrate bzw. Rechtecke eingeteilt, denen wiederum jeweils Quadrate eingeschrieben sind, die ihrerseits in Rechtecke und Quadrate unterteilt sind. Ihren Reiz gewinnt die Arbeit zum einen aus der systematischen Anordnung verdichtet und gelichtet angeordneter Quadrate und Rechtecke und zum anderen aus dem Gegensatz zwischen den regelmäßig gerasterten, dunklen Betonstegen und den regellos schimmernden, hellen Dallglasstücken. Diese Wandgestaltung gehört indessen bereits in die Zeit, in der Paul Schneider sich von dem Figürlichen abgewandt hat.
Kunst am Bau für das Rathaus St. Johann
Das gemeinsame Arbeiten am Rathaus St. Johann - der Umbau des Ratskellers (1961-63) und die Gestaltung des Giebels über der Arkade an der Betzenstraße (1963-65) - erscheint im Rückblick als Höhepunkt und zugleich Ausklang der Zusammenarbeit zwischen Peter Paul Seeberger und Paul Schneider. Als Folge der Kriegsschäden und des Hochwassers von 1947 befand sich der Ratskeller, ein Restaurant, das im Untergeschoss des 1897-1900 von Georg Hauberrisser erbauten Rathauses St. Johann 1909 eröffnet worden war, in einem Zustand, der eine umfassende Sanierung erforderte und es ermöglichte, den Ratskeller nach Seebergers Ideen umzugestalten. Es entstanden insgesamt fünf neue Gasträume, die dem Saarland und den angrenzenden Regionen gewidmet waren, sowie die Ratsstube und die Hauberrisser Stube. Seeberger knüpfte an die alte Tradition an, das Rathaus als herausragenden Ort eines Gemeinwesens auch gestalterisch auszuzeichnen und zog renommierte saarländische Künstler wie Helmut Collman, Hans Dahlem, György Lehoczky, Max Mertz, Theo Siegle und Paul Schneider hinzu. Stadtbaumeister und Künstler arbeiteten Hand in Hand und entwickelten sukzessive für jeden Raum eine thematisch passende Gestaltung. Durch spätere Umbauten hat sich davon jedoch nur wenig erhalten.
Paul Schneider schuf für das Entree ein Sgraffito "Bacchus und Pan", für die Ratsstube einen Wandbrunnen und für die Moselstube fünf Kupfertreibarbeiten als Wandbilder sowie die originell gearbeitete Eingangstür: eine Weinbergschnecke kroch dergestalt über das Türblatt, dass ihr durchsichtiges Gehäuse einen Blick in das Lokal gestattete, während eines ihrer Hörner als Türgriff diente. Über dem Eingang zum Restaurant "Saar" grüßte den Gast ein Ziergitter mit programmatischem Inhalt: "Lukullus".
Wegen der Verbreiterung der Betzenstraße musste in dem angrenzenden Rathausflügel eine Passage für Fußgänger geschaffen werden. Seeberger baute einen Arkadengang ein und erneuerte die darüberliegende Giebelwand. Aus Sandsteinbossen, die in dem "Seeberger-Giebel" vermauert wurden, meißelte Paul Schneider vor Ort ein Fassadenrelief. Es nimmt Bezug auf die im Jahre 1909 vollzogene Vereinigung der drei Städte Alt-Saarbrücken, St.Johann und Malstatt-Burbach, denen seither das Rathaus St. Johann als gemeinsamer Verwaltungssitz dient. Drei Wurzeln treiben aus dem Schlussstein der Arkade aus und entfalten sich auf dem darüber aufgehenden Mauerwerk zu einem einzigen kraftvollen "Lebensbaum", Symbol für das zur Großstadt zusammengewachsene Saarbrücken. Wahrscheinlich ist dieses Wandrelief vielen Einwohnern Saarbrückens ein Begriff, aber wie viele bringen diese Arbeit mit Paul Schneider in Verbindung?
Der kleine, 1964 in dem Arkadengang entstandene Wandbrunnen ist der letzte der Seeberger-Schneider-Brunnen. Auch in diesem Fall hat der Bildhauer den Wasserspeier entworfen. Eine aus der Wandnische schräg nach unten gerichtete Metallarbeit in Form eines Fisches entlässt den Wasserstrahl in den Brunnentrog aus Basaltlava. Bei der Wiedergabe des Fisches hat sich der Künstler auf die geometrisch vereinfachte Kontur und das schematisierte innere Gerüst des Tieres beschränkt, wobei er die quasi freigelegten Gräten als Hauptelement der Gestaltung einsetzt. In der Anordnung des Fisches, der sich gleichsam in der Schwebe zwischen Vertikale und Horizontale befindet, und in der Offenlegung der Struktur des Stützwerkes kündigt sich die nächste Stufe der künstlerischen Entwicklung von Paul Schneider an: die intensive Beschäftigung mit der offenen Konstruktion von Stahlplastiken, in denen seriell eingesetzte vertikale und horizontale Elemente miteinander verbunden und in ein Gleichgewicht gebracht werden – die sogenannten "Verthoris".
Zu einer Zeit, als es kaum Stipendien und Förderpreise für junge Künstler gab, waren es vor allem die von Peter Paul Seeberger erteilten öffentlichen Aufträge für Kunst am Bau, die es Paul Schneider in den ersten Jahren seiner Laufbahn ermöglichten, seine wachsende Familie zu unterhalten, sich künstlerisch weiterzuentwickeln, zu entfalten und, wie er es in der Rückschau formulierte, "frei" zu werden.
Stahl-Kunst am Bürgerhaus Rockershausen
Schneiders künstlerische Fortentwicklung bedeutete auch die Abkehr vom Figürlichen, die Erkundung und den Einsatz neuer Materialien und damit einhergehend die Erweiterung seines technischen Instrumentariums. 1967 absolvierte er einen Schweißerlehrgang, um den Umgang mit Stahl zu erlernen.
Im Innenhof der Kinderklinik auf dem Winterberg zeugt eine Arbeit von der Auseinandersetzung mit dem Material Stahl und der Beschäftigung mit der beweglichen Skulptur. Aus horizontal und vertikal verschweißten Blechen hat Schneider eine "Plastik mit drei beweglichen Objekten" zusammengesetzt. Drei geometrische Körper sind drehbar in ein Gerüst eingespannt, die gesamte Plastik ist farbig gefasst.
Als der Gemeinderat Altenkessel im Ortsteil Rockershausen 1968-69 ein Bürgerhaus nach den Plänen des Architekten Harald Steinmeyer (Altenkessel) erbauen ließ, bekam Paul Schneider den Auftrag zur künstlerischen Gestaltung der Hauptfassade. Das kubische Gebäude, das unter anderem zur Ausrichtung von Konzerten ausgelegt ist, beherbergt in dem vorspringenden, den Baukörper beherrschenden Hauptgeschoss einen großen Saal. Die Lage unmittelbar an der stark befahrenen Provinzialstraße (B 51) gegenüber der Einmündung der Alleestraße, die von Norden kommend direkt auf die Hauptfassade zuführt, dürften den Architekten dazu veranlasst haben, diese Front des Hauptgeschosses fensterlos zu planen. Schneider hatte also eine weite, städtebaulich exponierte Wandfläche zu bewältigen, die an den Ecken von dem Faltdach hochgezogen wird und analog zu den teilverglasten Seitenfassaden mit einem dominierenden grauen Fliesenspiegel versehen ist. Die Lösung, die der Künstler fand und der er den Titel "Klangkörper" gab, interpretiert den Kubus mit dem darin liegenden Saal als Resonanzkörper eines Streich- oder Zupfinstruments, dessen Saiten sich über den Fliesenspiegel der Hauptfassade spannen. Senkrecht montierte, gefaltete Aluminiumbleche, die bei Dunkelheit indirekt beleuchtet sind, heben sich hell von dem dunklen Grund des Wandspiegels ab und dienen rot gefassten Stahlseilen, den "Saiten" des "Instruments", als "Halter", "Stege" oder "Bundstäbe". Die Führung der Stahlseile orientiert sich an dem klaren geometrischen Verlauf der Kanten von Dach, Wand und Fliesenspiegel, folgt dabei aber einem eigenen, teils gegenläufigen Rhythmus. So legt sich eine zweite Ebene aus zarten roten Linien über die beherrschende graue Fläche, kontrastiert taktvoll zurückhaltend die Vorgaben der Architektur und bringt die Fassade gleichsam zum Schwingen und Klingen. Inzwischen wurde das Bürgerhaus Rockershausen in die Denkmalliste des Saarlandes aufgenommen. Im Jahr 2008 wurde die Fassadengestaltung von Paul Schneider, 40 Jahre nach ihrem Entstehen, durch die Landeshauptstadt Saarbrücken in Zusammenarbeit mit dem Künstler renoviert.
Eine ähnliche Arbeit entwickelte Paul Schneider 1978 für die Saarberg AG (heute RAG Deutsche Steinkohle). In diesem Fall ging es darum, eine fast 20 Meter breite Wand im Foyer des neuen Verwaltungsgebäudes in der Hafenstraße zu gestalten. Die Wand ist mit reflektierenden Edelstahlplatten verkleidet, davor sind rote Stahlseile dergestalt gespannt, dass sich abstrakte Formen ergeben, die an Räder, Röhren, Käfige und Körbe erinnern und auf den Untertage-Bergbau verweisen.
Von der "Kunst am Bau" zur "Kunst im öffentlichen Raum"
1969 nahm Paul Schneider zum ersten Mal an einem Bildhauer-Symposion teil, dem Stahlsymposion in Košice (Ost-Slowakei). Die Idee des Bildhauer-Symposions, des gemeinschaftlichen Arbeitens und Hinausgehens in den Freiraum, stammt von dem österreichischen Künstler Karl Prantl, der 1959 erstmals Kollegen aus verschiedenen Ländern zum Arbeiten nach St. Margarethen (Burgenland) in einen seit der Römerzeit genutzten Steinbruch eingeladen hatte. Von dort wurde die Idee in die Welt getragen. Auch Paul Schneider schloss sich dieser Bewegung an und nimmt seither an Steinbildhauer-Symposien im In- und Ausland teil. Als Steinbildhauer war er erstmals 1971 in St. Wendel bei der "Straße der Skulpturen" von Leo Kornbrust beteiligt, zuletzt 2011 beim Bildhauer-Symposion im Steinbruch Schweinstal (Pfalz). Er selbst lädt seit 1986 Bildhauerkollegen aus aller Welt zu dem von ihm begründeten Symposion "Steine an der Grenze" bei Merzig ein. 2002/03 schlossen sich "Steine an der Grenze" und "Straße der Skulpturen" zusammen und bilden nunmehr eine Teilstrecke innerhalb der Otto Freundlich gewidmeten "Straße des Friedens", einem Skulpturenweg durch Europa. Seit 1971 setzt sich Paul Schneider intensiv mit dem Naturstein auseinander. Er entdeckte "die 'Haut' des Steines sowie die Möglichkeit, darunter Kostbares freizulegen, den Kosmos im Innern des Steines zu erkunden. Das Geheimnis des Steines, das in seinem Innern wie ein Diamant verborgen ist, soll durch behutsame Bearbeitung freigelegt werden." (Werkverzeichnis 1, S. 104) Im selben Jahr übernahm der Bildhauer mit der begehbaren Wasserskulptur auf dem Schulgelände des Johanneums in Homburg/Saar auch erstmals die Aufgabe, einen Platz zu gestalten. Von entscheidender Bedeutung für Paul Schneiders Arbeiten in der Landeshauptstadt Saarbrücken, für den Schritt von "Kunst am Bau" zur "Kunst im öffentlichen Raum", wurde vor allem seine Teilnahme an den Symposien 1972, 1973 und 1974 der St. Margarethener Steinbildhauer, die den Grundgedanken verfolgten, sich auch an Aufgaben der Stadterneuerung zu beteiligen. Das erste Projekt dieser Art, d.h. mit einem Bildhauer-Symposion in einen Stadtraum hineinzugehen und unwirtlich gewordene Orte den Menschen "zurückzugeben", war die Erneuerung des durch den Bau der U-Bahn bedrängten Stephansplatzes in Wien. Es sollte der Boden um den mittelalterlichen Dom künstlerisch gepflastert werden, ein begehbares Mosaik entstehen. Das Vorhaben wurde von den zuständigen Wiener Behörden nicht unterstützt und scheiterte. Ein ähnliches Projekt in Bad Kreuznach fand nur verhaltenen Beistand.
Pflasterung und Bildhauer-Symposion für den St. Johanner Markt
In Saarbrücken jedoch konnten bei der Sanierung des historischen Ortskerns von St. Johann und seiner Umgestaltung in die Fußgängerzone St. Johanner Markt vieles von dem, was für den Wiener Domplatz erdacht worden war, realisiert oder weiterentwickelt werden. Schneider engagierte sich in der 1974 gegründeten "Arbeitsgemeinschaft bildender Künstler e.V. zur Erhaltung und Weiterentwicklung und Humanisierung der Altstadt St. Johann". Künstler und Architekten schlossen sich als "Arbeitsgemeinschaft Fußgängerbereich Saarbrücken" zusammen und gemeinsam mit der Stadt gelang es, den Markt mit den angrenzenden Straßen und Gassen vom rollenden Verkehr und dominierenden Rotlichtmilieu zu befreien. Der heruntergekommene Stadtraum wurde als Fußgängerzone St. Johanner Markt unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes neu gestaltet und konnte als der zentrale öffentliche Platz des geselligen Lebens der Landeshauptstadt zurückgewonnen werden. Bürgersteige wurden eingeebnet, Bordsteinkanten entfernt, die Bodenflächen so modelliert, dass die Ableitung des Wassers gesichert ist. Für die gewünschte sensible Pflasterung der großen Flächen des Platzes und seiner Zuwege entwarf Paul Schneider eine Gestaltung aus hochwertigen Natursteinen. Ausgangspunkt der Komposition ist der Marktbrunnen von 1759. Er wurde an seinen ursprünglichen, von Barockbaumeister Friedrich Joachim Stengel (1694-1787) bestimmten Ort an der Einmündung der Saarstraße zurückversetzt, wodurch eine alte Blickbeziehung zwischen den Stadtteilen Alt-Saarbrücken und St.Johann wiederhergestellt werden konnte. Das Kleinpflaster, das für den gesamten Bereich der Fußgängerzone gewählt wurde, besteht aus drei verschiedenen Steinsorten: grauem Granit, grünem Melaphyr und rotem Diorit. Es schmiegt sich dem plastisch geformten Bodenrelief des Architekten Lutz Rieger an, entwickelt aus den leichten Bewegungen des Untergrundes organische Formen und gliedert die großen Flächen in kleinere, zurückhaltend ornamentierte Teilbereiche. Einige Stellen sind besonders akzentuiert, so beispielsweise die Mündungen der Kaltenbachstraße und der Kappenstraße oder die Plätze vor der Stadtgalerie und der katholischen Kirche St. Johann. – Im Jahre 2010, nach über 30 Jahren intensivster Nutzung, wurde in einem ersten Teilabschnitt mit der Renovierung des Pflasters begonnen. Die behutsame Sanierung der gesamten Pflasterung, die in ihrer Struktur erhalten bleiben soll, wird nur in Teilabschnitten durchführbar sein und sich daher über die nächsten Jahre erstrecken.
Da auch eine Fußgängerzone nicht ohne Absperrungen auskommt, schlug Paul Schneider 1977 als Alternative zu den von der Stadt gewollten Beton-Pollern künstlerisch bearbeitete Natursteine vor und fertigte aus Granit einen Probestein, der auch als Sitzgelegenheit dienen kan. Die leicht gewölbt gearbeitete Oberfläche des Granit-Pollers ist durch tiefe Kerben in neun Quadrate geteilt. Es entsteht der Eindruck, als ob das dichte Gestein im Begriffe sei, sich aufbrechend zu entfalten. Der Poller aus Naturstein überzeugte, und dank Sponsoren kamen die Mittel für ein von Paul Schneider organisiertes Internationales Bildhauer-Symposion zusammen. Im Herbst 1978 trafen sich auf dem St. Johanner Markt insgesamt elf Steinbildhauer, um zwei Monate lang gemeinschaftlich Steine so unter der Aufgabenstellung zu bearbeiten, "dass sie sich dem hier vorherrschenden Barockstil einordneten, Stadtfunktionen erfüllten, keine Behinderung beim Markt- und Notverkehr darstellten und dem optischen und haptischen Erleben der Menschen ein Angebot sein sollten." (Paul Schneider, in: Enzweiler {Hg.} 1997, S. 83) Neben Paul Schneider und dem Spiritus Rector der Symposionsbewegung, Karl Prantl aus Österreich, nahmen teil: Milena Lah und Janes Lenassi aus Jugoslawien, Hiroshi Mikami aus Japan und Jean Marie Mauclet aus Frankreich. Aus Deutschland kamen Annemarie und Wolfgang Kubach-Wilmsen, Dieter Lothschütz, Heinz Oliberius, und Thomas Wojciechowicz. Als Ergebnis blieben jene Steine, die in ihrer Mehrzahl noch heute in der Fußgängerzone St. Johanner Markt als Solitäre oder Gruppen zu sehen sind - jedoch nicht in jedem Fall am originalen Standort.
Paul Schneider wählte als Stelle für seine Arbeit mit Bedacht den Kreuzungsbereich Markt/Fassstraße und widmete seine Steingruppe dem fürstlichen Baumeister Friedrich Joachim Stengel, der im 18. Jahrhundert das Erscheinungsbild der Schwesterstädte (Alt-)Saarbrücken und St. Johann durch hochwertige Architektur und städtebauliche Kunstgriffe maßgeblich geprägt hat. An dem gewählten Ort stand das Haus Fassstraße Nr. 2, mit dem Stengel den erweiterten Markt nach Osten hin optisch begrenzt hatte. Schneider entwarf eine Gruppe aus sieben Granitquadern unterschiedlicher Höhe. Ein achter Stein, dem eine regelmäßige Fugung eingraviert ist, überragt mit einer Höhe von 2,65 m deutlich die übrigen. Er markiert die ehemalige Eckkante des abgerissenen Hauses Fassstraße Nr. 2. Die Fugung greift ein Gestaltungsmerkmal auf, das für viele Stengel-Bauten charakteristisch ist und mehrfach an Häusern des St. Johanner Marktes vorkommt. Der hohe, genutete Eckkantenstein steht im Mittelpunkt eines gepflasterten Kreises. Zugleich bildet er den Angelpunkt für eine geordnete Aufstellung der übrigen sieben Steine, die ihrerseits in städtebaulich relevante Richtungen zeigen, so zum ehemaligen Obertor oder zur katholischen Kirche St. Johann, einem Stengel-Bau. Die sieben Steine, die auch als Sitzgelegenheiten dienen, sind auf der Oberfläche individuell bearbeitet. Auf einem der Kuben erinnert die tropfenförmige Steinintarsie "Träne einer Hure" an die damals jüngst vergangene Geschichte des St. Johanner Marktes als Zentrum der Prostitution.
In den folgenden Jahren ergab sich für Paul Schneider noch zwei Mal die Möglichkeit, in der Landeshauptstadt Saarbrücken Plätze durch Steine zu gestalten.
1984-87 entstand vor dem steilen Treppenaufgang zum Gebäude der Oberpostdirektion, jenem Bau, in dem 1952 Schneiders Wirken in Saarbrücken begann, ein kleiner Platz, der in die damals verkehrsberuhigte Klausenerstraße überging. Mit Kleinpflaster ist die Fläche in quadratische Felder unterteilt, deren größtem ein Kreis eingeschrieben ist. Darin ruht als Herzstück der Anlage der aus einem einzigen großen Granitquader herausgearbeitete Brunnenstein. Das Wasser entrinnt einer Stufenpyramide und nimmt seinen Weg über gestuft und gewendelt angeordnete, rechteckige flache Becken hinunter in das tiefe Auffangbecken. Die Platzsituation wurde inzwischen durch den Bau der Saarbahn verändert.
Stufen ist auch das Thema einer kaum auffallenden Gestaltung vor dem Eingang zum Bürgerhaus am Burbacher Markt. In Zusammenarbeit mit dem Architekten Lutz Rieger entwarf Paul Schneider eine niedrige, breite Treppenanlage, in die insgesamt sechs bearbeitete Granitkuben integriert sind, zugleich Begrenzungen und Sitzplätze. Die Kuben wurden im rechten Winkel zu den Treppenstufen gesetzt und sind - von der Seite gesehen - ebenfalls getreppt angeordnet.
Skulpturen schaffen Raum
Der Neubau des Wirtschaftswissenschaftlichen Gymnasiums und des Saarland-Kollegs in der Rheinstraße wurde dank einer Zusammenarbeit zwischen dem Architekten Bernhard Focht, Friedrich Lutz, Staatliches Hochbauamt, und zweier Künstler zu einer Symbiose von Architektur und Kunst. Ein Ideenwettbewerb sollte zur künstlerischen Ergänzung des Schulhauses führen, das durch eine sichtbare Konstruktion aus Stahlbetonpfeilern, Stahlgerüsten, kleinteilig gegliederten großen Glasflächen und unverputzten Wänden aus grauen Betonsteinen gekennzeichnet ist. Mit ihrem gemeinsam erdachten Konzept einer "Quadratspirale", die aus der Erde kommend den quadratischen Teil des Bauwerkes, in dem auch die Räume für die musischen Fächer untergebracht sind, umkreist, konnten der Lichtkünstler Werner Bauer und der Bildhauer Paul Schneider die Jury überzeugen (1984, Ausführung 1987). Während Bauer die im Gebäude befindlichen Abschnitte der quadratischen Spirale als Bodenplastik aus rotem Acrylglas, Raumplastik aus roter Leuchtstoffröhre und Wandgestaltungen aus farbigen gemalten Streifen entwarf, schuf Schneider ihre im Außenbereich liegenden Teilstrecken und Eckpunkte als Bodenpflasterungen und Steinskulpturen. Die schräggestellte Quadratwendel beginnt in der Eingangshalle mit einer Bodenplastik von Werner Bauer, setzt sich im Außenbereich als Pflasterung fort und führt vom ersten Eckpunkt, dem Nordpunkt, als teils gepflasterte, teils gedachte Linie zum Ostpunkt, einem flachen, quadratischen Granit, der die Linie nach Süden umlenkt. Den Südpunkt markiert eine Granitstele, in der sich die Linie als eingelassenes, rotes Granitstück manifestiert. Der Westpunkt schließlich liegt in einer gepflasterten Windrose, aus der sich die Himmelsrichtungen des Schulhauses ablesen lassen. Von hier führt die Quadratspirale ins Schulhaus zurück, wo sie wieder von den Raumgestaltungen Werner Bauers aufgegriffen wird. Im Außenbereich weist die Nord-Süd-Linie der Windrose auf den großen Sonnenstein, der etwas abgerückt vom Schulhaus aufragt. Er bildet den Höhepunkt der halbkreisförmigen, zwischen den beiden Ebenen des Schulhofes vermittelnden Treppe. Bernhard Focht, Werner Bauer und Paul Schneider erhielten für ihre gemeinsame Arbeit den Sparda-Bank-Preis 2000/01 für besondere Leistungen der Kunst im öffentlichen Raum, vergeben von der Sparda-Bank Südwest eG in Zusammenarbeit mit dem Institut für aktuelle Kunst im Saarland.
Für die dem Wirtschaftswissenschaftlichen Gymnasium benachbarte Gesamtschule Rastbachtal - die Schulgelände gehen grenzenlos ineinander über - schuf Paul Schneider 1989 eine begehbare Raumskulptur aus 47 Basaltstelen. Die kreisförmig angeordneten dunklen Steine werden von den auf die Sporthalle zuführenden Wegen in drei Segmente geteilt. Durch das kontinuierliche Aufsteigen der Steine zu einem gedachten Mittelpunkt hin entsteht der Eindruck einer Halbkugelfläche, die sich aus den geschliffenen Köpfen der Basalt-Stelen zusammenfügt. Beim Durchschreiten des Stelenfeldes soll man sich - so die Absicht des Künstlers - als Teil der Skulptur empfinden.
Die dritte Schule, für die Paul Schneider eine Raumskulptur aus Steinen arbeitete, ist das Deutsch-Französische Gymnasium in der Halbergstraße. Der 1949 für das Collège Maréchal Ney nach einem Entwurf des französischen Architekten Pierre Lefèvre fertig gestellte Gebäudekomplex war der erste Schulneubau des Saarlandes nach dem Zweiten Weltkrieg und einer der ersten Stahlbetonbauten in der Region. Als 1988/89 der gesamte, unter Denkmalschutz stehende Komplex renoviert wurde, erhielt Paul Schneider den Auftrag, den spitz zulaufenden Vorplatz zwischen Straße und Schulhaus neu zu fassen. Eine Reihe von 15 großen Basaltstelen scheidet den um drei flache Stufen tiefer gelegten Schulhof von der Straße. Auf Empfehlung des damaligen Landeskonservators Johann Peter Lüth richtete Schneider den Abstand zwischen den Stelen nach dem Rhythmus der leicht aus der Fassade vortretenden Vertikalstützen aus. Ein großer, nur behutsam bildhauerisch bearbeiteter "Erlebnisstein" bildet das Zentrum des neu entstandenen, gepflasterten Schulhofes. Mit Stelen und Stufen variiert Schneider auch bei dieser Arbeit das Thema Horizontale - Vertikale - Raum.
Skulpturen im Raum
Zu den bislang letzten Arbeiten Paul Schneiders im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt Saarbrücken gehören drei einzelne Stein-Skulpturen für unterschiedliche Auftraggeber.
Die katholische Kirchengemeinde St. Thomas Morus auf dem Homburg gab 1995 einen Brunnen aus Naturstein in Auftrag. Paul Schneider wählte als Brunnenstein einen breiten, hoch aufragenden Monolithen, der an seiner schmalen Stirnseite einen Überhang ausbildet. Für das Auffangbecken fiel seine Wahl auf einen kleineren Steinbrocken in Form eines liegenden Quaders. Beide Steine stammen aus dem Granitsteinbruch Flossenbürg in der Oberpfalz und weisen auf einer Seite eine rötliche Naturkruste auf, die durch den Einfluss eines Eisenminerals entstanden ist. Wie bei einem Wasserfall fällt das Brunnenwasser von der überhängenden Oberkante des Brunnensteins in die Mulde des Auffangbeckens. Auch aus der Tiefe des Steines quillt Wasser hervor, fließt durch ein kleine, einseitig zum Licht geöffnete Höhlung und fällt durch einen schmalen Ausguss auf den Muldenstein. Während er weite Teile des rauen Brunnensteines unbearbeitet ließ, hat Paul Schneider die nach Osten gerichtete Seite zu einer durch sanfte Erhebungen rhythmisch bewegten, glatten Oberfläche gearbeitet, die durch die Morgensonne belebt wird. Der Brunnen ist auf die am Ende der Semperstraße in der Ferne sichtbare Doppelturmfassade der katholischen Kirche St. Michael ausgerichtet.
Im Haushaltsjahr 2009 erhöhte die Stadt Saarbrücken die Mittel für die Kunst im öffentlichen Raum. Ein Teilbetrag davon wurde zum Ankauf der Skulptur "Mittagsstein - teilt den Tag in eine Morgen- und Abendhälfte", einem Spätwerk von Paul Schneider, verwendet. Auch dieser Monolith wurde im Steinbruch von Flossenbürg gebrochen. Auf der Wiese zwischen Saar und Staatstheater platziert, ragt er von weitem betrachtet wie ein steinzeitlicher Menhir phallisch in die Höhe. Die natürliche Kruste des Steines hat der Bildhauer weitflächig stehen gelassen und mit einem kleinmaschigen Netz aus eingravierten Rauten überzogen. Im oberen Teil des aufragenden Steines hat Schneider zwei nach innen gewölbte sphärische Zweiecke herausgearbeitet, geglättet und poliert. Die Kugelzweiecke sind durch einen als scharfen Grat in Erscheinung tretenden Meridian voneinander getrennt, der genau nach Süden, nach Mittag, ausgerichtet ist. So weist denn das eine Hohlkugelsegment nach Osten, das andere nach Westen, fängt das eine das Licht der Morgensonne, das andere das Licht der Abendsonne ein. Und so erklärt sich auch der Titel des Steines, der am Mittag den Tag in eine Morgen- und in eine Abendhälfte teilt.
Von dem Landtagspräsidenten des Saarlandes erhielt Paul Schneider im Jahre 2009 den Auftrag, einen Gedenkstein zu schaffen, der an den parlamentarischen Widerstand gegen die Nationalsozialistische Diktatur erinnern soll. Der ausgeführte "Stein zur Mahnung und zum Gedenken" wurde 2010 im Garten des Landtages enthüllt. Die Oberflächen des würfelförmigen Granits sind behutsam geglättet und scheinen wie eine Haut über dem Körper des Gesteins zu liegen. Auge und Hand erkennen und erspüren beim Darübergleiten leichte Unregelmäßigkeiten, die sich in sanften Erhebungen und Mulden äußern. Auf der Oberseite des Steins hat Schneider in Kapitalschrift folgende Inschrift nach der Vorgabe des Auftraggebers eingemeißelt: "Stein / zur Mahnung / und zum Gedenken / Das Naziregime / hat auch Vertreter / des Volkes verfolgt / und diskriminiert. / An deren Widerstand / erinnert dieses Mahnmal. / Ihr Mut sei uns Vorbild / und Verpflichtung / Landtag des Saarlandes"
Sechzig Jahre Arbeiten im öffentlichen Raum
Das von Jo Enzweiler herausgegebene und von Claudia Maas erarbeitete Werkverzeichnis Paul Schneider umfasst drei Bände, ein vierter ist in Arbeit. Aus seinem künstlerischen Oeuvre wurden für die vorliegende Publikation freilich nur Arbeiten ausgewählt, die Schneider für öffentliche Auftraggeber in der Landeshauptstadt Saarbrücken geschaffen hat. Unerwähnt bleibt daher themenbedingt nicht nur das „mobile“, in Privathaushalten anzutreffende Werk wie Zeichnungen und Aquarelle, Stahl-Plastiken und Stein-Skulpturen, sondern auch die eine oder andere im Außenbereich von Privathäusern fest installierte Arbeit. Zu letzterem kann auch die von Paul Schneider für den Bund Deutscher Architekten entworfene Plakette gerechnet werden, die, über das Stadtgebiet verteilt, an mehreren mit dem Architekturpreis des BDA ausgezeichneten Gebäuden zu finden ist. Der auf Paul Schneider fokussierte Querschnitt durch den "Kunstort Saarbrücken" umfasst Arbeiten, die seit dem Jahr 1952, noch mitten in der Wiederaufbauzeit nach dem Krieg, bis heute entstanden sind. Diese Bestandsaufnahme ist zugleich auch ein kritischer Blick auf den Zustand von Vorhandenem und Verändertem und die Dokumentation von Verschwundenem. Durch Gebäudeabrisse sind inzwischen mehrere Kunst-am-Bau-Arbeiten Schneiders wieder aus dem Stadtbild verschwunden. Aber auch Besitzerwechsel, Geschmackswandel, Nutzungsänderungen oder Umbaumaßnahmen haben zum Abräumen und Entfernen geführt. Ohne ersichtlichen Grund zerstört wurde eine aufwändig aus farbig glasierten Klinkern hergestellte, über 18 Meter lange Wand des Pausenhofs der Von-der-Heydt-Schule. Sie zeigte in einem rhythmischen Wechsel von Hell und Dunkel die stilisierte Darstellung Ball spielender Kinder. Ein trauriges Kapitel stellen die Brunnen dar. Aus den meisten fließt bereits seit langem kein Wasser mehr. In einigen Brunnenbecken mischt sich Regenwasser mit Unrat, andere werden als Blumenkübel genutzt oder mussten durch eine Abdeckung vor der Zweckentfremdung als Abfalleimer geschützt werden. Manche störende Veränderung ließe sich mit geringen Mitteln beheben. So könnte im Außenbereich des Wirtschaftswissenschaftlichen Gymnasiums durch das Zurückschneiden von gewucherten Pflanzen und die Umsetzung von verstellenden Objekten (Papierkorb, Begrenzungsstein) die "schräggestellte Quadratwendel" wieder sichtbar gemacht werden. Auch die allgegenwärtige Gefahr, als Untergrund für mit wasserfesten Stiften gezeichnete oder mit Farbe gesprühte "Graffitis" missbraucht zu werden, machte vor Steinen von Paul Schneider nicht halt. Der "Mittagsstein" auf der Saarwiese beispielsweise wurde einige Zeit nach seiner Setzung mit schwarzen Namenskürzeln besprüht, die glücklicherweise wieder entfernt werden konnten.
Die Landeshauptstadt Saarbrücken, die 2010 unter dem Leitgedanken „Kunstraum Saarbrücken“ erstmals die Bildende Kunst in den Blickpunkt des kulturellen Lebens der Stadt gerückt hat, engagiert sich in diesem Zusammenhang auch beispielhaft für den Erhalt von Werken von Paul Schneider. Zu nennen sind die Renovierung der Fassadengestaltung "Klangkörper" am Bürgerhaus Rockershausen sowie die Umsetzung der Bronzeplastik "Flamingos" in den Zoo Saarbrücken. In beiden Fällen wurde der Künstler miteinbezogen. Auch der erste Teilabschnitt, mit dem die anstehende Sanierung der Fußgängerzone St. Johanner Markt 2010 begonnen wurde, geschah in Absprache mit dem Künstler. 1976-78 innovativ als Künstlerentwurf ausgeführt, hebt sich die Pflasterung bis heute positiv von den vielen lieblosen Oberflächen deutscher Fußgängerzonen ab. Dass die nach jahrzehntelanger intensivster Nutzung notwendig gewordene Erneuerung nun mit großer Sorgfalt auszuführen beschlossen ist, zeigt die Wertschätzung, die Paul Schneiders Werk von der Landeshauptstadt Saarbrücken entgegengebracht wird.
Oranna Dimmig
Bibliografie (Auswahl)
Schriften zu Paul Schneider
Allgemein
Privatpersonen | Schüler*innen, Studierende | Praxen, Kanzleien, gewerbliche Einrichtungen und Firmen | |
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je Kunstwerk | 50 € | 30 € | 80 € |
Für alle Entleiher gilt: