Die Mottenburg
Wie es der Zufall manchmal will, stimmen im Fall des Lebacher Schlosses der Herren von Hagen der Name des Schlosses, der Name des bisher vermuteten Baumeisters und der Name des Chronisten überein, so dass von einer "Kuriosität der Motte-Trilogie" (Jochum 1968, S. 3) gesprochen wurde.
Doch der Name des Schlosses La Motte oder Zur Motten ist nicht erst im 18. Jh. entstanden, hat also nichts zu tun mit dem Baumeisternamen Josef Claude Motte dit la Bonté oder dem Chronisten Nicolas Bernard Motte, sondern ist bereits 1323 mit dem an dieser Stelle erwähnten Haus zur Motten geprägt worden. Ab diesem Zeitpunkt führen die Besitzer den Namen Hagen zur Motten und stehen im Zusammenhang mit einer Burg zur Motten.
Die Bezeichnung zur Motten geht zurück auf den frühmittelalterlichen Wehrbautyp Motte. Wir verstehen darunter heute im Allgemeinen einen künstlich aufgeschütteten kegelstumpfförmigen Burghügel, der ringsherum von einem Graben umgeben ist, dessen Aushub der Aufschüttung des Hügels und eines Walles dient. Auf dem Mottenhügel selbst befindet sich ein anfangs hölzerner, später in Stein ausgeführter Wehrturm. Dieser dient als Schutz- oder Wohnraum wie auch als Symbol für die Macht des Burgherren. Zu den wesentlichen Merkmalen der Mottenburg gehört neben der künstlichen Erhöhung auch eine Zweigliedrigkeit der Anlage, d.h. der eigentlichen Motte ist eine ebenfalls umwallte Vorburg (frz.: basse cour, engl.: bailey) angegliedert.
Der Begriff Motte selbst ist aus dem frühlateinischen Wort motta bzw. mota herzuleiten, was ursprünglich Erdscholle bedeutet. In diesem Sinn wird der Begriff in lombardischen Texten des 9. Jh. anlässlich ritueller Schenkungen symbolisch gebraucht. Eine Erweiterung erfährt er durch den Gebrauch als Anhäufung von Erde im Zusammenhang eines See- oder Mühlendammes. In der Ortsnamenkunde erscheint der Begriff mindestens seit dem 10. Jh., die ältesten bekannten Beispiele bezeichnen einen in einem sumpfigen unwegsamen Tal gelegenen Wohnort, der notwendigerweise die Anlage von Erdhügeln erforderlich machte, auch zum Bau bzw. zur Unterhaltung von Mühlenanlagen. Seit dem 11. Jh. wird in Urkunden und literarischen Texten der Begriff motta, wenn er nicht durch castella oder fortudines ersetzt ist, im Sinne einer motte féodale gebraucht, als Hausburg eines Feudalherren. (de Bonnard 1976, S. 35-55)
Wie aus der Literatur zu ersehen ist, gehören die Motten vor allem in der rheinischen Burgenforschung schon seit langem zu den Objekten archäologischer Untersuchungen. Anhand von Ausgrabungen und systematischer Erfassung rheinischer wie auch nord- und nordwesteuropäischer Mottenanlagen lassen sich ihre ursprünglichen Entstehungsgebiete, ihre Entstehungszeit und ihre geschichtlichen Zusammenhänge entschlüsseln. Demnach gilt die Normandie als Ursprungsgebiet der Ende des 10. Jh., Anfang des 11. Jh. entstandenen Mottenburgen, die mit den Normannen nach England und ins Rheinland gelangten.
Die Mottenburg steht in engem Zusammenhang mit den Wasserburgen bzw. Niederungsburgen, sie bildet zusammen mit den spätkarolingischen und ottonischen Ringwallsystemen eigentlich deren Vorläufer. Wie diese ist sie "Ausdruck bestimmter Tendenzen des frühen Befestigungsbaus, den Schutz von Sumpf und Wasser auszunutzen." (Hinz 1981, S. 142)
Während die Höhenburg ihre Hauptaufgabe in der Verteidigung sieht, gilt als wesentliche Voraussetzung für die Motten und Wasserburgen die landwirtschaftliche Nutzung eines dazugehörigen Grundbesitzes. Wasserburg und Wehrbautyp Motte bestehen in der Regel aus Haupt- und Vorburg, die jeweils von Wassergräben umgeben, sogar voneinander getrennt sind. Die Hauptburg enthält den befestigten Wohnturm, die Vorburg den Wirtschaftshof mit den Ökonomiegebäuden. Diese Form ist sowohl geeignet für eine militärische Verteidigung als auch für die wirtschaftliche Versorgung und außerdem mit ausschlaggebend dafür, dass diese mittelalterlichen Motten- und Wasserburgen meist in Schlossumbauten oder Hofgütern weiterlebten und nicht zu Ruinen zerfallen sind wie die meisten Höhenburgen. Sie ist auch wie geschaffen für die Entwicklung einer neuen höfischen Lebensweise mit einem gesteigerten Anspruch auf Bequemlichkeit, die neue Maßstäbe setzt in Bauaufgabe und Formgestaltung.
Diese Entwicklung kann die Vermutung nahe legen, dass die Edelfreien von Hagen ihren Stammsitz, die aus dem 11. Jh. stammende Ringwallburg auf dem Alten Hahn bei Lebach, aus Gründen des Zerfalls bzw. der Zerstörung und Unwirtschaftlichkeit verlassen haben und sowohl aus fortifikatorischen als auch wirtschaftlichen Überlegungen heraus als Standort der neuen Burg das Lebacher Theeltal und folglich den Burgentyp Motte gewählt haben.
Diese erste 1323 erwähnte Lebacher Mottenburg konnte der expansiven Burgenpolitik (vgl. Berns 1980 und 1985) des damaligen Trierer Erzbischofs Balduin von Luxemburg (1307-1354) nicht standhalten, denn - wie wir aus der Literatur und Akten erfahren - kontrollierte der überaus finanzstarke Erzbischof die Macht und den Einfluss des Adels und der Burgherren durch eine intensive Bündnis- und Vertragspolitik in Form von Lehensverträgen, die freiwillig oder wie in diesem Fall gezwungenermaßen zustande kamen. In diesen Lehensverträgen verpflichteten sich die Lehensleute zur Anerkennung der Trierer Landeshoheit und zur Öffnung der Burgen für den Erzbischof, ja sogar jeder befestigten Anlage, ob Turm, Haus oder Hof. Außerdem hatte Balduin dadurch einen Anspruch auf Befestigungshoheit und Einfluss auf die Bautätigkeit überhaupt.
Im Jahre 1332 erzwang Erzbischof Balduin von den Edelfreien von Hagen die Übertragung ihres Besitzes, das Burghaus zur Motten, zum ligischen und offenen Lehen, d.h. sie verpflichteten sich zur Öffnung ihrer Burg bzw. befestigten Anlage für den Erzbischof, der nun Vorrang und Vorrechte in der Nutzung des Lehensobjektes hat.
Die von Erzbischof Balduin verhängte Baukontrolle über den Neubau der zuvor zerstörten und zum Lehen aufgetragenen "Burgstad (Burgstätte) zu der Motten" beschreibt wage das Aussehen der damaligen Mottenburg bei Lebach. Er erlaubt den Herren von Hagen auf der Burgstad mit Vorburg und einem äußeren Graben ein steinernes Haus aus vier drei Fuß dicken Wänden zu errichten, das ohne Mörtel gemauert und nur mit einem dünnen Kalkbewurf versehen werden darf. Ein weiterer Steinbau wird ihnen auf dem Lehen nicht gestattet.
Bibliografie
Margarete Wagner-Grill
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