Wandrelief von Boris Kleint in Kutzhof
Ohne Titel, 1967/68
2 Reliefs aus Holz, Aluminium, Kunststoff/Acryl und Keramik
Maße:
ehem. Grundschule und heutige Kindertagesstätte
Barbarastraße in Heusweiler/Kutzhof
Beschreibung
Die zwei um 1967/68 von Boris Kleint konstruierten Wandreliefs befinden sich im Erdgeschoss und in der ersten Etage der ehemaligen Grundschule in Kutzhof. Beide Plastiken sind an der selben Wand unmittelbar übereinander montiert und durch die Etagenbodenplatte von einander getrennt. Die Kunstwerke sind Teil eines 1967 errichteten Erweiterungsbaus, der an der Grundschule Kutzhof vorgenommen wurde. Es scheint der Ortsverbundenheit geschuldet zu sein, dass Kleint an der doch sehr kleinen, ländlichen Schule künstlerisch tätig wurde. Denn 1964 zog der Künstler zusammen mit seiner Familie in die damals noch eigenständige Gemeinde Kutzhof, in der bis zu seinem Tod 1996 lebte.
Bei dem deckenhohen Relief im Erdgeschoss handelt es sich um eine, aus vier einzelnen zu einer großen, konstruierte Aluminiumplatte mit leichtem Wellenprofil, auf der insgesamt 111 farblich differenzierte Acrylkugeln, von der Mitte der Wandplatte leicht strahlenförmig zu den seitlichen Außenrändern der Plastik auslaufend, auf Holzstäben positioniert sind. Der Bereich unter der Aluminiumplatte ist bis zum Boden mit grauen Keramikfliesen gekachelt.
Die Acrylkonstruktion setzt sich zusammen aus 1 silbergrauen, 1 goldenen, 6 orangen, 7 türkisen, 9 dunkelblauen, 12 violetten und 66 weißen Kugeln. Das Zentrum des Bildes wird von einer weißen Kugel gekennzeichnet, die von den orangenen umschlossen ist und einen starken Kontrast zu den sonst scheinbar willkürlich gesetzten anderen bildet.
Das Relief im Obergeschoss besteht aus einer, aus fünf Einzelteilen zusammengefügten, Aluminiumplatte mit Wellenprofil, einer Anordnung von Acrylkugeln, und ist deckenhoch. Diesmal ist jedoch das Zentrum der Plastik durch eine einzelne rote Kugel gekennzeichnet, um die sich in (...) m Abstand ein Ring aus insgesamt 24 blauen Kugeln spannt. Der Bereich unter der Aluminiumplatte ist gleichermaßen mit einem Kachelsockel komplettiert. Dabei handelt es sich um Fliesenspiegel der Firma Villeroy&Boch in dunkelblau, der von 16 weißen Motivfliesen selbiger Firma durchbrochen ist.
Interpretationsansätze
Der Zeitzeuge Hans Oos, der seit 1967 Schuleiter an der ehemaligen Grundschule war, kann einiges zu der Bedeutung beider Plastiken sagen, da sich Kleint selbst nur rudimentär zu diesen äußerte: „Die Bildplastik im unteren Stockwerk, zahlreiche bunte Bälle, scheinbar ziellos, aber dennoch mit Methode angeordnet, zeichnet das Bild eines sechsjährigen Schulneulings: Alles ist noch neu, konfus, aber dennoch ist eine gewisse Ordnung zu erkennen. Der einzige goldenen Ball kennzeichnet einen besonderen Schüler, der damals sogar eine Klasse überspringen konnte.“(Saarbrücker Zeitung, Nr. 102/2002). Weiter berichtete der ehemalige Schulleiter, dass die grauen Kacheln unter dem Aluminium-Acryl-Gebilde Sinnbild für die grauen Zellen der Schüler seien. Dies zeige sich auch in dem „kühnen und verworrenen“ (ebd.) Charakter der Fliesentäfelung.
Im Gegenzug dazu zeigt sich das Relief in der oberen Etage wie beschrieben sehr geordnet. Dazu erläutert Oos weiter: „Im vierten Schuljahr haben die Kinder schon ein bisschen Bildung eingesammelt“ (ebd.). Es liegt demnach nahe, wenn man dieser Interpretation folgen möchte, dass das Bild alkyonischer und strukturierter wirkt und deshalb Ausdruck einer geistigen Weiterentwicklung sein könnte. Dafür spricht auch die erhabene Position, direkt über dem ersten Relief.
Ferner sollen die Wellenprofile der Aluminiumplatten dem Betrachter die Möglichkeit geben, die Plastiken unter dem Einfluss verschiedener Lichtverhältnisse und den damit einhergehenden Reflektionen der Metalloberfläche zu begutachten. Je nach Wetterlage und Sonnenstand ergibt sich so ein neuer Eindruck. Da Boris Kleint Wahrnehmungspsychologe war und auch als Künstler mit seiner „Bildlehre“ seine Affinität zum Beobachten und Erfassen u.a. von Lichtverhältnissen und Bildhaftigkeit betonte, erscheint auch dieser Punkt wichtig. Dennoch war Licht für ihn nicht das ausschlaggebende Element. So schrieb er am 6. Februar 1960 einen Text, der dem Katalog seiner Ausstellung in der Frankfurter Galerie Franck beilag: „Das Licht macht Bilder sichtbar. Mehr nicht, denn alles andere hat der Maler festgelegt. Es gibt dann nur noch günstiges und ungünstiges Licht. Wenn die Voraussetzungen einer ordentlichen Beleuchtung geschaffen sind, ist alles, was im Bild und vom Bild aus geschieht, Sache des Malers oder auch noch des Betrachters, nicht des Lichtes.“
Verfall und Restaurierung
Bereits kurz nach dem Fertigstellen der Plastiken kam es zu den ersten Problemen mit den Kunstwerken. Die eben genannten Aluminiumplatten konnten aufgrund des Wellenprofils nicht gut an der Wand befestigt werden. Aber auch sonst wurde in den darauffolgenden Jahren ein Verfall nicht aufgehalten. Dies hatte zur Folge, dass etwa 30 Kacheln von den Plastiken abplatzen oder rissen und auch einige Kugeln verlustig gingen.
Im Mai 2002 fasste der Ortsrat Kutzhof den Beschluss, dass man eine Restaurierung der Reliefs in Betracht ziehen sollte, auch weil das drauffolgende Jahr Kleints 100-jährigen Geburtstag markiert hätte. Der Gemeinderat Heusweiler schloss sich diesem Begehren einstimmig an. (H. J. Schmidt: Boris Kleint. (Ausg.16/Dez.2003). )
Im Sommer des Jahres 2002 begannen dann die Wiederherstellungsarbeiten an den Plastiken durch Manfred Schöndorf. Den Auftrag erhielt er durch die Empfehlung des damaligen Landeskonservators Johann Peter Lüth.
Da die abgeplatzten Kacheln nur teilweise erhalten waren, musste man einen passenden Ersatz finden. Diese wurden dann in das Relief eingefügt. Außerdem wurden die Kugeln mit einer bestimmten Seife vorsichtig gereinigt und fehlende mithilfe von Fotografien der Plastiken im Originalzustand rekonstruiert. (Saarbrücker Zeitung, Nr. 289/2003). Seit Dezember 2003 ist Restaurierung abgeschlossen.
Wahrnehmung und Licht
In den 1950er Jahren kam es zu einer bemerkenswerten Veränderung in Kleints Arbeitsweise und seinem künstlerischen Schaffen. Nachdem er zuvor nur flachformatig arbeitete, begann er nun plastisch aktiv zu werden. Demnach sollte das Bild „Rotes Meer“ das letzte nicht dreidimensionale Werk Kleints sein, denn danach widmete er sich fast 30 Jahre lang Reliefarbeiten.
Berücksichtigt man den beruflichen Werdegang und die damit von ihm ausgearbeitete Theorie über Wahrnehmung, Licht und Stofflichkeit, so könnte man argumentieren, dass der Schritt in den dreidimensionalen Raum geradezu notwendig war. Allerdings kann darüber nur gemutmaßt werden, da der Künstler sich Zeit seines Lebens mit Interpretationen seiner eigenen Arbeiten bedeckt hielt.
Das Spiel mit Licht und das Verschieben von Sichtwinkeln auf ein Objekt und die dadurch permanente Veränderlichkeit der Kunst und ihre Interpretation, müssen für den Künstler und Wahrnehmungspsychologen überaus reizvoll gewesen sein.
Auch in Kleints Dissertation stand die Bewegungswahrnehmung im Fokus. Er verdeutlichte wie eine Kopfneigung einen Einfluss auf die Richtungswahrnehmung nimmt. Außerdem betonte der Künstler die Autokinese sowie den Einfluss von Lage und Größe des Körpers auf Tiefenauffassung und Raumorientierung. Aufgrund dessen kann man nur vermuten, dass Kleint der „gestaltungspsychologische Prinzipien auf die Bildkomposition und das künstlerische Gestalten“(Uwe Wolfradt: Boris Kleint, S. 239) anwandte sich dazu bewegt sah, den Raum nach vorne auch nutzen zu wollen. Schließlich unterteilt er in seiner „Bildlehre“ zwischen Stoff, Form, Ordnung und Gestaltung. (Jähne: Der Schritt..., S. 18) Unterpunkte, die er weiter zu diesen vier Kategorien definiert, etwa Körper, Raum, Stofflichkeit, Helligkeit, Anordnung, Aufbau und Aufführung, bestärkten diese Theorie.
Die „Bildlehre“ bezieht sich allerdings nicht nur auf das plastische Arbeiten. Kleint beschrieb sein Werk als universell, also auf alle „Arten der Gestaltung“ (Jung: Künstlerisches Handeln, S.116) anwendbar. Sie stünde „vor und über jeder besonderen Praxis“ (ebd.) Dies bedeutet, dass die „Bildlehre“ das Prinzip von künstlerischer Praxis lehrt, was ihr zugrunde liegt und theoretische Voraussetzung sein kann. Damit überträgt Kleint die Methodik der Wissenschaft auf die Kunst.
Kleints Kunst im öffentlichen Raum
Bei der bemerkenswerten Fülle an Werken, die Boris Kleint im Laufe seines Lebens fertigte, ist es auffällig, dass der Künstler eher übersichtlich Kunst im öffentlichen Raum schuf, nämlich insgesamt 16 Arbeiten, von denen 11 noch erhalten sind. (Maas, Werksverzeichnis, S. 191-197)
Hierbei handelt es sich um insgesamt sechs Wandgestaltungen, fünf Glasfensterzyklen, und jeweils einem eisernen Portal, Kupferfries, Wandbild, Raumteiler und Sgraffito.
Es kann nicht gesagt werden, warum sich Boris Kleint nicht häufiger allgemein zugänglichen Projekten widmete. Aber wie auch in Bezug zu seiner kunsttechnischen Zäsur, könnte an dieser Stelle eine Vermutung aufgestellt werden. Alle von ihm gefertigten Kunstwerke im öffentlichen Raum befinden bzw. befanden sich im Saarland. Dies ist nachvollziehbar, da er erst in den 1930er Jahren mit seinen bildnerischen Studien begann. Durch den Zweiten Weltkrieg und seinem Aufenthalt in Luxemburg, war es ihm erst danach wirklich möglich, allumfassend künstlerisch, also auch allgemein zugänglich, zu arbeiten.
Dies tat er sehr erfolgreich wie sich an den Auftraggebern für die öffentlichen Projekte zeigt. Insgesamt drei Beträge zur künstlerischen Ausgestaltung der ehemaligen Französischen Botschaft, des heutigen leerstehenden Kultusministeriums, leistet er im Jahr 1954. Dabei handelte es sich um zwei Wandgestaltungen und einen Raumteiler, alle wurden zerstört.
Tendenziell ist zu beobachten, dass der Künstler sich mit der öffentlichen Kunst auf Bildungseinrichtungen konzentrierte, oder welche die in Relation dazu standen. Sechs Mal wurde er demnach für die Universität des Saarlandes, dem AGA Studententreffpunkt, und Schulen tätig. Ein anderer Faktor in Bezug auf die allgemein zugänglich gestaltete Kunst Kleints, ist die Arbeit an und in sakralen Gebäuden. Zu Letztgenannten gehören die Reliefs in der ehemaligen Kutzhofer Grundschule. Fünf Mal gestaltete er ein oder mehrere Kirchen- oder Friedhofshallenfenster, außerdem ein eisernes Portal einer Friedhofshalle.
Es kann auch hier nur gemutmaßt werden, aber es scheint, als hätte Boris Kleint an Orten Kunst geschaffen mit denen er sich verbunden fühlte. Er war mit Leidenschaft Leiter der Meisterklasse für Malerei und des Grundkurses an der „Schule für Kunst und Handwerk, Centre de Métiers d’Art Sarrois“. In einem Brief an Itten in Zürich am 26.11.1946 schildert er: „Nun bin ich allerdings ununterbrochen auf den Beinen, eile von einem Saal zu anderen. Die Arbeit mit 80 Schülern, die ich augenblicklich alleine habe, wozu noch 40 Architekten nebenbei kommen, ist ungeheuer, aber packend und anregend und außerordentlich befriedigend.“ (Güse, Boris Kleint, S. 133)
Es scheint also einen roten Faden zu geben bezüglich der öffentlichen Wirkungsorte von Boris Kleint, wie die Nähe zu Frankreich, die Liebe zu seiner Lehrtätigkeit und die Verbundenheit zu dem Ort, in dem er länger wohnte, als irgendwo sonst in seinem Leben.
Vergleichbare Werke
Dem Umstand geschuldet, dass Boris Kleint nur wenig öffentliche Kunst schuf führt dazu, dass es heute eben auch kein vergleichbares allgemein zugängiges Werk des Künstlers gibt. Aber auch bezüglich der künstlerischen Ausarbeitung und Konstruktion sind die Reliefs in Kutzhof einzigartig. Mit dem Beginn seiner plastischen Phase entstanden Reliefarbeiten, die das Licht und die Wahrnehmung forderten.
Die explizite Arbeit mit dem Einsatz von Kugeln war jedoch eine Kleint’sche Rarität, nur 16 seiner 205 Plastiken stellen diese in den Fokus und kein anderes öffentliches Werk.
Lediglich ein Relief weißt Überschneidungen bezüglich des Aufbaus der Acrylbälle auf. Es handelt sich dabei um das Werk „Kugelbild“ bei dem auf Holzleisten, mit der gleichen Fixiertechnik, ähnliche Kugeln seitlich sitzend montiert wurden. Es entstand im Dezember 1985 etwa 20 Jahre nach den Kutzhofer Wandreliefs.
Hannah Jonzyk
Quelle
Bibliographie
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Redaktion: Hannah Jonzyk
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