Jo Enzweiler, Edition "Turm", Ingolstadt 2007
eine Serie von 8 Originalen
Jo Enzweiler widmet sich seit 2003 seiner jüngsten Werkgruppe, die nunmehr fast fünfzig plastische Arbeiten umfasst und deren Konzeption der Künstler konsequent fortsetzt. "Denkmodelle", Arbeiten im Grenzbereich von Plastik, Raum und Architektur nennt Jo Enzweiler diese Objekte. Mit ihnen vollzieht der Künstler den bedeutenden Schritt von zweidimensionalen Bildwerken, die den Großteil seines Oeuvres bestimmen, zu vollplastischen Bildformen.
Trotz der Immanenz und Neuartigkeit dieser Werkgruppe lassen sich die Arbeiten jedoch nicht losgelöst von der künstlerischen Entwicklung des Malers Jo Enzweiler denken. Im Gegenteil: In dieser Werkgruppe kumulieren Bildgedanken, Form- und Strukturprinzipien, die sein Gesamtwerk seit den 1960er Jahren bestimmen. Insbesondere Kunstwerke, größtenteils Reliefs, die Jo Enzweiler für den öffentlichen Raum konzipiert, markieren ein wichtiges Bindeglied zwischen den zwei- und den dreidimensionalen Arbeiten des Künstlers. Das Thema Architektur ist hierbei ein wesentlicher Bezugspunkt, auf den die Kunstwerke im öffentlichen Raum fokussieren, welches aber ebenso elementar die Konzeption der jüngsten Werkgruppe beeinflusst.
Zu denken ist beispielsweise an großformatige Wandreliefs, die der Künstler in Saarbrücken für die Neubauten der Musikhochschule 1970 und der Oberfinanzdirektion 1977, in Coburg für die Pausenhalle der Melchior-Franck-Schule 1973/74 oder auch in Neunkirchen für den Außenraum des Arbeitsamtes 1980 realisiert. (Kraemer 2005, S. 27 f.) Diese Arbeiten liegen Jo Enzweiler sehr am Herzen, da sie ihm die Möglichkeit des plastischen Arbeitens in der gedanklichen Auseinandersetzung mit der Formsprache der jeweiligen architektonischen Gegebenheiten eröffnen, die er in seine Reliefs einfließen lässt.
Grundlegende Bildgedanken dieser ortsbezogenen und gleichsam ortsgebundenen großformatigen Werke der 1970er und 1980er Jahre scheint Jo Enzweiler in der Gestaltung der aktuellen Werkgruppe wieder aufzunehmen. Die Formen und Strukturen der plastischen Objekte resultieren aus der logischen Fortsetzung bildnerischer Grundgedanken, die der Künstler zu Beginn seines künstlerischen Schaffens formuliert und zeugen zudem von einem gesteigerten Interesse an architektonischem Formenvokabular: Die architekturgebundenen Reliefs der 1970er und 1980er Jahre scheinen, von der Architektur gelöst, vollplastisch in den Raum zu treten und finden so in den aktuellen Kleinplastiken ihre Vollendung.
Die Plastiken der aktuellen Werkgruppe spiegeln allerdings nicht nur eine intensive Auseinandersetzung mit der Architektur wieder: Parallel zur Entwicklung dieser Werkgruppe setzt sich Jo Enzweiler mit der Konzeption von Reliefs und Zeichnungen auseinander, die die gleiche Formensprache sprechen wie die vollplastischen Objekte und von einer engen inneren Verbundenheit der einzelnen Werkgruppen zeugen. Insbesondere die haptische Qualität der Plastiken, welche auch aus der Materialität des mit Packstoff kaschierten Holzes resultiert, weist Gemeinsamkeiten mit den Papierarbeiten, den Zeichnungen und Collagen auf. Ein Schwerpunkt der künstlerischen Arbeit Jo Enzweilers ist der Umgang mit Papier. In höchster Präzision fertigt der Künstler den Korpus seiner Plastiken aus mehrfach verleimten Holzplatten und halbierten Holzstäben. Die Holzelemente werden verleimt, verschraubt und oberflächenverarbeitet. Erst wenn die einzelnen Elemente des hölzernen Objekts in Form und Proportion perfekt aufeinander abgestimmt sind, verleiht Jo Enzweiler ihnen die papierne Oberflächengestalt, die den Charakter des Objektes bestimmt.
Die ersten Objekte dieser Werkgruppe messen weniger als dreißig Zentimeter in der Höhe und thematisieren formale Grundprinzipien in der Kombination von Flächen und Halbrundkörpern. Durch die unendliche Vielfalt der Variationsmöglichkeiten konzipiert Jo Enzweiler mit diesen Arbeiten das grundlegende Formenvokabular der Werkgruppe, wobei jedes Objekt ein Unikat ist. Ausgehend von den ersten Objekten steigert Enzweiler die Kompositionen zu immer komplexeren Konzepten. Er denkt über die Kombination von Einzelobjekten nach, die in spannungsvolle Beziehungen zueinander gebracht werden können, ohne deren Eigenständigkeit in Frage zu stellen. Die weitere Auseinandersetzung bringt Plastiken hervor, bei denen Jo Enzweiler die Formensprache der ersten Objekte zu raumgreifenden, bzw. raumumschließenden Werken verdichtet.
Die acht Werke der Edition "Turm" entspringen der beschriebenen Kompositionslinie. Sie sind durch eine innere Zusammengehörigkeit geprägt, wobei sie in der individuellen Ausführung eigenständig sind. Jo Enzweiler variiert bei den Arbeiten der Edition »Turm« das Thema eines von sechs Flächen umschlossenen Innenraumes: Über einer Bodenplatte erheben sich vier hochrechteckige Flächen, die nach oben hin durch eine sechste zu einer kubischen Form ergänzt werden. Die Flächen sind jeweils von einer schmalen Öffnung durchbrochen, welche sich über die Gesamthöhe des Objektes erstreckt und so den Blick ins Innere der Plastik freigibt. Die Variation der einzelnen Objekte der Edition "Turm" besteht darin, dass Jo Enzweiler durch die Gestaltung, sowohl den Außenraum als auch den Innenraum der Plastiken unterschiedlich definiert: Halbrundstäbe sind nach einem exakten Schema auf der Innenseite sowie auf der Außenseite jeder Fläche senkrecht oder diagonal angeordnet und bestimmen so die individuelle Wirkung eines jeden Objektes.
Der strikten Begrenzung der kompositorischen Mittel auf die plastischen Elemente des Kubus und der Halbsäule sowie der formalen Prinzipien der Horizontalen, der Vertikalen und der Diagonalen begegnet Jo Enzweiler mit der Immanenz der Variation. In minutiöser Detailgenauigkeit bricht der Künstler die selbst gewählte Strenge auf und spielt mit dem schier unbegrenzten Formenreichtum. Faszinierender Weise bedingen sich die einzelnen Formen, die Vertikale fordert die Diagonale, die Formen scheinen teils im Gleichklang zu schwingen oder im Kontrast zueinander zu stehen. So ergeben sich wie in der Musik Rhythmen: Die einzelnen Formelemente verlaufen parallel wie in Harmonien komponierte Klänge oder fordern den Gegensatz wie in einer Kontrapunktischen Komposition. So sind die Objekte gleichermaßen von einer inneren Zusammengehörigkeit und tiefen Verwandtschaft geprägt, müssen aber unbedingt als eigenständige Kompositionen wahrgenommen und verstanden werden.
Innenraum und Außenraum der Plastik scheinen unbemerkt ineinander zu greifen, Ein- oder auch Durchblicke verbinden die vom Objekt eingeschlossenen bzw. ausgegrenzten Räume. Manche die Arbeiten weisen eine teils offene Kompositionsstruktur auf, andere wirken sehr geschlossen und bieten dem Blick des Betrachters kaum die Möglichkeit, alle Dimensionen zu erfassen. Das Spiel mit scheinbaren Öffnungen im Wechsel mit geschlossenen Flächen und tatsächlichen Durchbrüchen legt wiederum gedankliche Parallelen zu architektonischen Phänomenen nahe, wie etwa das Motiv der Scheintür in ägyptischen Pyramidenbauten, von deren Architektur Jo Enzweiler tief beeindruckt ist (Enzweiler. Interview 8. 1999, S. 28).
Zudem verweist der Titel der Edition "Turm" direkt auf einen konzeptionellen Zusammenhang mit dem Thema Architektur. Im Gegensatz aber zu den genannten großformatigen Kunstwerken im öffentlichen Raum wählt Jo Enzweiler zur Ausführung seiner vollplastischen Arbeiten Formate von weniger als fünfzig Zentimetern Höhenausdehnung. Der Künstler strebt mit den Objekten der Edition "Turm" keine extremen Dimensionen an, die über die bisher erreichten Grenzen hinausreichen, wie es vielleicht der Gedanke an das biblische Gleichnis des Turmbaus zu Babel nahe legt. Vielmehr konzentriert sich der Künstler, wohlwissend um den tragischen Ausgang der Erzählung, auf das Objekt als solches, welches er mit einem Höchstmaß an Sorgfalt zur formalen Perfektion führt und damit eine weitaus subtilere Wirkung erzielt, als Monumentalität je bewirken könnte.
Bibliografie
Sandra Kraemer
Privatpersonen | Schüler*innen, Studierende | Praxen, Kanzleien, gewerbliche Einrichtungen und Firmen | |
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je Kunstwerk | 50 € | 30 € | 80 € |
Für alle Entleiher gilt: