Berus, ehemaliges Sendezentrum Europe 1 / Europa 1
An der L 351, zwischen Berus und Ittersdorf
Der französische private Radiosender Europe 1 unterlief das staatliche Rundfunkmonopol Frankreichs, indem die Betreiber 1953-55 auf saarländischem Boden, dicht an der Grenze zu Frankreich, eine große und leistungsstarke Langwellen-Sendeanlage errichteten. Damals war das Saarland ein (teil-)autonomer Staat, der - nach Standorten in Monaco und Andorra - die Einrichtung eines weiteren privaten „radio peripherique“ ermöglichte. Das weithin sichtbare Ensemble wird vor allem durch die transparente Sendehalle mit dem dunklen Hängedach und den expressiven Fernsehturm aus Stahlbeton charakterisiert. Mit ihrem Grundriss im Umriss einer Muschel, dem Aufriss, der einer Transversalwelle gleicht, und dem Dach in Form eines hyperbolischen Paraboloids bildet die Sendehalle eine spektakuläre architektonische Raumplastik, die dank der Verbindung aus Bauherrenidee, gewagtem Architektenentwurf und fortgeschrittener Ingenieurskunst umgesetzt werden konnte. 1999 unter Denkmalschutz gestellt, ging das Sendezentrum Europe 1 / Europa 1 im Jahr 2016 in das Eigentum der Gemeinde Überherrn über.
Bauherrin:
private Rundfunkgesellschaft Télé Monte Carlo (TMC), Monaco, bzw. die Holdinggesellschaft Images et Sons mit den Hauptaktionären Fürst Rainier von Monaco (1923-2005) und Charles Michelson (1900-1970)
Architekten:
Jean-François Guédy (1908-1995), Mitarbeit André Nejavits-Méry (1917-?)
Ingenieure der Dachkonstruktion:
Bernard Laffaille (1900-1955), Réne Sarger (1917-1988), Eugène Freyssinet (1879-1962), Pierre Xercavin (1926-2008)
Bauausführung:
Firma Saarbauindustrie, Ingenieur Hans Karwat (1917-2009)
Sendehalle:
1953 erste Entwürfe des Pariser Architekten Guédy, Mitarbeit Nejavits-Méry
1954 Frühjahr, Beginn der Zusammenarbeit mit den Ingenieuren Laffaille und Sarger zur Berechnung der Dachschale; die Baustelle schreitet bereits voran
1954 Juni, Baubeginn Dachschale
1954 September, die Dachschale zerreißt und sackt auf die Rüstung; Baustopp und Entbindung des Architekten Guédy von seinen Aufgaben; wenig später Freitod von Guédy
1954 Herbst, Änderung des Projekts und Neuberechnung durch Freyssinet
1955 am 1. Januar Beginn des Sendebetriebs inmitten der Baustelle
1955 Frühjahr, Vorspannen der neuen Dachschale und anschließende Fertigstellung des Bauwerks
1955 Juni, Tod von Lafaille
1964 und 1975 Einbau der heute noch vorhandenen Langwellensender von Thomson-Houston (Glasröhren)
1980 Nach dem Teileinsturz der Kongresshalle in Berlin Überprüfung des Bauzustandes; Feststellung schwerer Bauschäden, anschließend Erarbeitung neuer Konzepte zur Ertüchtigung der Dachschale durch Xercavin
1982 Sukzessive Instandsetzung der Dachschale und des Ringbalkens
um 1995 Einbau moderner Sender (Keramikröhren)
1999 Aufnahme des Ensembles in die Denkmalliste des Saarlandes
2015 Umzug des Langwellensenders in ein kleines Gebäude an der früheren Reserveantenne und Aufgabe der großen Sendeanlage
2016 Verkauf der Sendehalle an die Gemeinde Überherrn
2019 Silvester, Abschaltung des Langwellensenders, das Programm von Europe 1 läuft nur noch über moderne Verbreitungswege
Fußbodenmosaik der Sendehalle:
nach Mai 1955, Entwerfer unbekannt, Material wohl Firma Villeroy und Boch, Mettlach
Fernsehturm:
1953 erster Entwurf von Guédy
1954 ausgeführter Entwurf von Ou Tseng (Mitarbeiter von Lafaille)
1958 für kurze Zeit Ausstrahlung des Fernsehprogramms der Telesaar
2020 Sprengung der vier großen Sendemaste
Literaturhinweis:
Axel Böcker und Rupert Schreiber: La Cathédrale des ondes – die Kathedrale der Wellen. In: Die Denkmalpflege, 74. Jg., 2016, Heft 1, S. 70-78; veröffentlicht auch in: Saar-Geschichten. Magazin zur regionalen Kultur und Geschichte, Heft 45, 2016, S. 12-18
Redaktion: Oranna Dimmig
Privatpersonen | Schüler*innen, Studierende | Praxen, Kanzleien, gewerbliche Einrichtungen und Firmen | |
---|---|---|---|
je Kunstwerk | 50 € | 30 € | 80 € |
Für alle Entleiher gilt: