Von seiner Ausbildung und hauptberuflichen Tätigkeit her ist Max Ziegert Fotograf. In dritter Generation führt er ab 1948 den renommierten Familienbetrieb, das Foto-Atelier Ziegert in Saarlouis (Dutt, 2020, 2021, 2022). Seine künstlerischen Fertigkeiten erlernt er auf autodidaktischem Weg. Bereits früh verspürt er eine starke Neigung, sich unabhängig von Auftraggebern als freier Maler zu betätigen und eigene Ideen zu gestalten. In der Öffentlichkeit bleiben seine Gemälde, Aquarelle und Collagen eher ein Geheimtipp, denn es gibt nur wenige Einzelausstellungen seiner Werke. In den Gemeinschaftsausstellungen der Künstlergruppe Untere Saar e. V. aber, zu deren Gründungsmitgliedern er zählt, ist er von Beginn an präsent und von daher auch zumindest dem ortsansässigen Publikum bekannt. Seit Anfang der 1950er Jahre pflegt er regen Kontakt zur Saarlouiser Kulturszene, tauscht sich aus, empfängt oft Besuch in seinem Foto-Atelier. Bei diesen Gelegenheiten wird diskutiert und geplant. 1974 löst er das Foto-Atelier auf, um sich zukünftig ganz der Kunst widmen zu können.
Wie schon bei seinem Großvater Max und dem Vater Paul Ziegert, den beiden Vorgängern in der Funktion des Stadtfotografen von Saarlouis, fallen verschiedene Aufgabengebiete in sein Ressort: außer Personen- und Porträtaufnahmen insbesondere Dokumentationen von städtischen Belangen wie politische Ereignisse – darunter die Parade am 14. Juli 1952 auf dem Großen Markt –, Kriegszerstörungen oder Abriss und Wiederaufbau der Ludwigskirche. Beim Erstellen der Porträtfotografien müssen die Betroffenen Geduld für sein zögerliches Abwägen mitbringen. Ziegert sucht lange nach dem perfekten Augenblick. Das lässt vermuten, wie hoch er die Erwartungen an sich selbst bezüglich der zu erbringenden Leistung einstuft. Seine Tochter erinnert sich, er habe einmal einen jungen Mann, der Passbilder benötigte, nach ausgedehnter Sitzung mit der Begründung weggeschickt, er könne an diesem Tag sein Gesicht nicht sehen (Dutt, 2022).
Die von ihm fotografierten städtischen Situationen kennzeichnet ein präzises Gespür für räumliche Verhältnisse und bemerkenswerte Perspektiven. Dabei schafft ein erhöhter Standpunkt Distanz zum Motiv und gewährt darüber hinaus einen ungewöhnlichen Blick auf das Stadtleben. Die stereometrischen Körper der Architektur präsentieren in Kombination mit aufgereihten Personengruppen, Trümmerhaufen oder sorgsam aufgestapeltem Baumaterial klar gegliederte, optische Ordnungen. Leere Flächen ergänzen gleichberechtigt die gedrängteren Aktionsbereiche. Eine analoge Differenzierung findet man in vielen seiner Malereien.
Sein Lehrer Leo Grim, 1956 geehrt mit dem Kulturpreis für Kunst und Wissenschaft des Landkreises Saarlouis und später Mitglied der Künstlergruppe Untere Saar e. V., entdeckt und fördert schon zu Schulzeiten sein gestalterisches Talent. Auch die musikalischen Begabungen innerhalb der Familie werden kultiviert: Max Ziegert spielt Cello. Die dafür nötige und kontinuierlich trainierte rhythmische Disposition kommt seinem bildnerischen Ausdruck zugute. Die meisten seiner Schilderungen pulsieren regelrecht dank sich wiederholender Strukturen.
Die Malereien der 1950er und 1960er Jahre halten in vereinfachter, detailreduzierter Manier Motive der äußeren Umgebung fest: Häuser, Plätze, Bergprospekte, Segelboote auf einem See. Markante schwarze Konturen begrenzen die mit groben Pinselschwüngen pastos gefärbten Formen. Das koloristische Potenzial versieht die eher beschaulichen Orte mit einer erstaunlichen Dynamik. Komplementärkontraste provozieren eine expressive Stimmungslage, sie bringen Gebäude und Berghänge zum Lodern. So kann beispielsweise ein kleines, zwischen zwei Bäumen platziertes Trafohäuschen zur prominenten Figur am Platz avancieren oder eine Hafenansicht kombiniert den Eindruck von erfrischender Kühle mit dem eines munteren, warmen Ferientags. Die in Aquarelltechnik angefertigten Landschaften dieser Zeit zeigen in der Regel ebenfalls identifizierbare Objekte, u.a. ein aus dem Gedächtnis entworfenes Dorf in Russland, französische Dorfplätze und Bauernhöfe oder das Dillinger Stahlwerk. Ab und zu entfernen sich die Darstellungen jedoch bereits jetzt von einem eindeutig benennbaren Gegenstand und lassen der Fantasie freien Lauf. In der Folge wird diese Handhabung zu seiner bevorzugten Gestaltungsmethode.
1977 unternimmt Ziegert im Zusammenhang des Saarlouiser Altstadtfestes mit einer dreiteiligen Arbeit, dem Saarlouiser Triptychon, einen Exkurs ins Anekdotische. Das als Aquarell ausgeführte Original befindet sich in Privatbesitz. Daneben existiert eine gedruckte Edition von 200 Exemplaren, in der er die bildlich gefassten Szenen historischer und relevanter Geschehnisse der Stadt mit fiktiven, in Mundart gesprochenen Dialogen kombiniert. Dabei lässt er bekannte Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Zeitepochen auftreten und verklammert in der zentralen Darstellung charakteristische Bauwerke, Sehenswürdigkeiten und Symbole von Saarlouis zu einem dichten, vergnügten Potpourri.
Generell erscheinen seine Aquarelle träumerisch und leicht. In ihnen schwingt eine vage Sehnsucht nach Unbeschwertheit. Die transparenten Formgebilde schmiegen sich entweder eng aneinander oder sitzen mit geringer Distanz auf Lücke, so dass feine weiße Linien die Farbinseln umsäumen. In beiden Fällen ergibt sich ein homogener Flächenverbund ohne Überschneidungen. Auch die Collagen funktionieren nach demselben zweidimensional vernetzten Aufbauprinzip. Die gerissenen oder locker geschnittenen Ränder des Buntpapiers entsprechen in ihrem flatternden Bewegungsdrang den fließenden und bisweilen ausgefransten Konturen seiner Aquarellmalerei. Landschaftliche Assoziationen stellen sich bei diesen Bildern ein, ohne dass ein konkreter Ort ablesbar wäre. Wir sehen Felder, Wege, Wasser, Wolken, vegetabile Elemente, hin und wieder Architekturen. Die Dinge verbleiben im Ungefähren, generieren eher Ahnungen als Gewissheiten.
Für einige Kompositionen dienten wohl Paul Klees Aquarelle der legendären Tunisreise als Inspiration. Markanter noch ist der Einfluss seines Künstlerfreundes Edvard Frank, der ab 1968 in Saarlouis wohnt. Von ihm übernimmt Ziegert das Lichte und Dekorative sowie die für dessen Werke typischen weiß geränderten Formen, die sich in der Art eines Mosaiks zusammenfügen. Auf die religiösen, erotischen oder symbolischen Ausdruckswerte seines Vorbildes verzichtet er. Antike Ruinen und Figuren aus dem mythologischen Kontext interessieren ihn kaum, die leuchtenden und gleitenden Muster aber und das Grundgefühl arkadischer Glückseligkeit umso mehr. Außer ihm hat niemand Franks prägnanten, ebenso entschiedenen wie ornamentalen Stil aufgegriffen, was die emotionale Verbundenheit der beiden nahelegt. Max Ziegert bewundert den zurückhaltenden, scheuen Mann, der in seinem kreativen Schaffen so leidenschaftlich sein kann. Dennoch eifert er ihm nicht blind nach. Es gelingt ihm, sein Bedürfnis nach Harmonie und ästhetischer Ausgewogenheit losgelöst von ikonografischen Konnotationen auf rein formaler Ebene zu visualisieren.
Petra Wilhelmy
Redaktion: Petra Wilhelmy
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