Volker Sieben wurde als Volker Jenal 1960 in Eiweiler/Saar geboren. Dem Künstler stand keine gradlinige Ausbildung und künstlerische Entwicklung bevor. Vielmehr zeigten seine Anfänge ein Suchen, Ertasten, Proben und Experimentieren zahlreicher künstlerischer Ausdrucksformen, die auch heute noch sein Werk charakterisieren. Zentral und wohl wichtigstes Anliegen ist die Interdisziplinarität seiner künstlerischen Tätigkeit: So schöpft der Künstler aus den Bereichen der Literatur, Musik, Performance, Malerei und der Zeichnung, um diese zu verbinden und wieder zu isolieren. Volker Sieben sucht in seinem Werk nach der Wahrheit in der Welt und zwischen den Menschen, nach seinen Empfindungen und Gefühlen, er beschwört, kommentiert und verurteilt. Nichts bleibt beiläufig und gleichgültig. Seine Themenwelt kommt aus dem Politischen oder aus dem Privaten, seine Werke sind offensichtlich und auch enigmatisch. Stilistisch orientieren sie sich an einer ungezügelten, anarchischen Malweise. Das Akademische sowie ein Realitätsbezug werden verworfen. Sprache und Schrift spielen eine zentrale Rolle, um Bedeutung und Aussage zu transportieren. Die Schrift als künstlerisches Zeichen im Bild oder klang- und verheißungsvolle Bildtitel bringen den Betrachter zum Nachdenken, erinnern zugleich an dadaistische Vorgehensweisen. Die Musik war stets gegenwärtig und bleibt bis heute wichtiges Element. Ausstellungen und Aktionen wurden von Musik begleitet oder der Künstler trat selbst als Musiker auf.
Schon als Kind widmete sich Volker Sieben dem Klavierspiel und erweiterte später seine musikalischen Kenntnisse an der Hochschule für Musik in Saarbrücken. In den 1980er Jahren wandte er sich der Subkultur zu, organisierte experimentelle Pop-Projekte und nahm an der Punkbewegung teil. Es folgte eine Ausbildung zum Graphiker, die dem Künstler neue ästhetische Erfahrungen vermittelte. 1990 verließ Volker Sieben das Saarland und zog nach Berlin, wo er noch heute lebt und arbeitet. In Berlin traf er sich regelmäßig mit dem ebenfalls aus dem Saarland stammenden Künstler Horst Hübsch. Es entstand eine Art Lehrer-Schüler Verhältnis, formlos und ohne institutionellen Rahmen, aber maßgeblich für die Entwicklung von Volker Siebens Werk. Über seine künstlerischen Anfänge schrieb der Künstler folgendes: "Begonnen zu malen habe ich Mitte der 80er Jahre, als durch die Punk-Ästhetik mein Interesse an Kunst geweckt wurde. Vor allem die collagehaften DADA-Referenzen und überhaupt das cross-over einer neuen Ära hatten mich als Musiker, der ich damals war, neugierig gemacht, ob ich auch ohne Krachorgien im Ringen um eine Form, nämlich mit Hilfe giftiger Farbe, Säure, Blut, gefundenen Objekten etc., intuitiv das artikulieren kann was mich bewegt (...) Ein Schlüsselerlebnis war das Entdecken der Übermalungen von Arnulf Rainer und eine Ausstellung des verstorbenen Malers Horst Hübsch. Das war auch Rock n Roll, es ging um Eros und Vergänglichkeit, Tod, Leid, Extase." (Sieben, 2007, S. 56)
Zu Beginn seines künstlerischen Werdeganges veranstaltete Volker Sieben zahlreiche Performances, insbesondere im Osten der Stadt. Er zog nach Berlin, als der Osten noch neu zu entdecken war und lange vor der Entstehung der Szene- und Galerieviertel. Zusammen mit dem Pop-Künstler Jim Avignon vereinnahmte er leerstehende Räume im Osten der Stadt für experimentelle Aktionen. 1993 entstand die Performance "Unsicht" mit der Schauspielerin Anna Schmidt nach Texten von Samuel Beckett in einer Ausstellung Volker Siebens. Wie oftmals in seinem Werk, war der Titel eine Wortneuschöpfung nach dadaistischer Manier. Neben seinem performativen Ansatz gestaltete er zahlreiche große raumgreifende plastische Arbeiten aus Papier. Papier als Werkstoff nahm eine zentrale Rolle ein, von der kleinformatigen intimen Zeichnung bis zur großen Installation, wie "Potsdamwurst" (1995), "Luftgeburt" (1996), "Reise bitter" (1999) oder "Kopfschlosz" (2000). Die letztgenannte Arbeit zeigte mehrere großformatige Papierarbeiten, die mittels einer speziellen Aufhängung an einem Gestell wirkten, als würden sie frei im Raum schweben. Die scheinbar wilden gestisch-abstrakt bearbeiteten Werke waren kreisförmig um einen gewölbten Papierboden arrangiert, so dass der Besucher lediglich von 'Außen' die Bildwerke betrachten konnte. "Kopfschlosz" erscheint als eine in sich verkehrte und geheimnsivolle Welt, mit eigenen Regeln und Gesetzen, die dem Betrachter den Sinn und Unsinn von scheinbarer Logik vor Augen führt. An die Arbeit mit Papier erinnerte sich Volker Sieben wie folgt: "Mitte der 90er Jahre fand ich eine Restrolle Papier, schäbigste schon halbverottete Tageszeitungsqualität. Von dem fragilen Material war ich angetan und begann, dieses Medium, auf dem normalerweise die täglichen Lügen und manipulativen Artikel des Springer Verlages gedruckt wurden, mit neuen Informationen zu füllen. Schon bald befand sich das Papier auf dem Boden, den Leinwänden, benutzte ich es für Raum-Installationen und bei Text/Musik-Performances."(Sieben, 2007, S. 56)
Gegen Ende der 1990er Jahre verließ Volker Sieben das künstlerische Feld der Performance und auch der Großinstallation. Er wandte sich zunehmend der Malerei, der Zeichnung und der Musik zu.
Ab 2001 entstand eine neue kleinformatige Werkreihe mit collagierten Pressefotos. Die Themen waren Krieg, Verbrechen und Ungerechtigkeit, wie sie auf der ganzen Welt stattfinden. Zeitungsausschnitte wurden vom Künstler auf Papier geklebt, in einer Mischtechnik mit Öl, Graphit und Kreide bearbeitet. Die Motive blieben stark verfremdet, aber deutlich erkennbar. Volker Sieben griff aktuelles politisches Weltgeschehen auf, aber auch Ereignisse aus seiner Heimat. Die Bildserie "Dieareas" (2001-2005), deren Titel mit "tödlichen Gegenden" übersetzt werden kann, enthält u.a. ein Werk mit dem Titel "Tosa". Das grausame Verbrechen an einem Jungen in Saarbrücken, erhielt mit der Darstellung des Ortes, der Tosaklause, eine eindeutige Bedeutung. Eine tiefschwarze, wabernde Masse bedrängt das Gebäude. Auslaufende Farbschlieren am Rand suggerieren menschliche Gliedmaßen. In einem anderen Werk, "taliban berserk", wird die Zerstörung der Buddha-Figuren 2001 in Afghanistan durch die radikal islamischen Taliban angeprangert und dem weltweiten Entsetzen über die Vernichtung von Kunstwerken einer Hochkultur Ausdruck verliehen. In der Serie "Friendly Fire" (2002/2003) steht das Thema Krieg im Vordergrund, wie der Titel schon suggeriert. "grozny bombsong" ist in vielerlei Hinsicht symptomatisch. Die Bildtitel, oftmals auf englisch und in ihrem Klang an Songtiteln angelehnt, sind von großer Bedeutung und helfen beim Verständnis der Kunstwerke. Das Foto, welches Soldaten im Kosovo Krieg zeigt, ist gestisch übermalt und teilweise eingerissen. Gezeigt wird die Aggressivität des Krieges, eine zerstörerische Kraft legt sich über die Arbeit.
Eine wichtige Werkgruppe bilden die kleinformatigen, intimen Zeichnungen mit tagebuchähnlichem Charakter. Einige Bildserien, wie "da leben jetzt" (1999) oder "rare melodies" (2001-2005) zeigen Themen aus einem sehr privaten Bereich und bleiben für den Betrachter unzugänglich. Skizzenhaft, teilweise nur angedeutet mit schneller Strichführung fügen sich die Motive im Zusammenhang mit dem Titel und den handschriftlichen Aphorismen zu einer vermeintlich sinnstiftenden Bedeutung, die sich jedoch nicht erschließt. Das Blatt "alles ist lassen" zeigt gegenstandslose Farbflecken auf weißer Fläche, mit einer zeichnerischen Linie akzentuiert. Der handschriftlich verfasste zugehörige Text "ich hilfe mir, in schrieb" stellt sich gegen jede grammatikalische Regel und verweist auf ein Befinden oder eine Situation. "big beside plane", eine Bleistiftzeichnung, zeigt eine Frau und ein Kind aus einem Flugzeug steigend, und greift vermutlich eine erlebte Situation auf. Eine eindringliche und reduzierte Arbeit mit existentieller Fragestellung ist "precision of death". Von dem geschriebenen Titel im oberen Teil des Blattes ziehen sich lediglich drei vertikale rote gerade Linien an den unteren Bildteil. Mit der Zeichnung reagiert der Künstler auf die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA. Wie andere, sehr detailliert und kleinteilige Zeichnungen mit pastoser Farbgebung, z. B. "Symbells" und "2 birds too fast" (beide 2006) zeigen, sind der stilistischen Variationsbreite keine Grenzen gesetzt. In einigen Arbeiten verließ sich der Künstler nur auf die Kraft der Wörter. Schlagwörter und Sprichwörter prangen auf pastosem, informellem Untergrund, wie etwa bei "god was here". Volker Siebens aphoristische Tagebuchzeichnungen führen den Betrachter in eine ihm fremde Welt, deren Grad der Aneignung jedem selbst überlassen ist.
Mit den großen Leinwänden verlegte der Künstler die Aussage ins Malerische. Frühe von 1994-1996 gemalte Bilder sind gänzlich gegenstandslos angelegt. Die Arbeiten "fafa", "gaga" aus der Serie "Schlimmeres, es gibt" entstanden in einem subervisen, anarchischen Geist und einer gewissen Ironie, wie die Titelgebung nahe legt. Die Arbeiten zeigen eine informelle Gegenstandslosigkeit, mit Farbspritzern und Collagetechnik.
In den neueren Bildern wurden alle formalen Möglichkeiten ausgeschöpft, die Sinnlichkeit des Materials vorzuführen und einen höheren Gegenständlichkeitsgrad einzuführen. Farbenprächtige Leinwände, bei denen die Malerei Schicht für Schicht in einer Mischtechnik entsteht. Farbe bleibt Farbe, zeigt Schlieren und Tropfnasen. Die Figuration taucht schemenhaft aus dem Universum der Malerei auf, um dort unauffällig wieder zu verschwinden. In gleicher Siebenscher Manier sind Bildtitel und Bildaufschriften rätselhaft miteinander verbunden. Der Betrachter tastet sich ratlos durch das Bild und gerät stets aufs Neue in unentdeckte Zonen.
"Refugee Tree" (2008-2010) zeigt eine Art Stammbaum, der in blutroter Erde gewachsen ist. Um ein maskenhaftes Gesicht rankt sich die Aufschrift "me not me", andere Wörter verweisen auf Verwandtschaft. Im mittleren und oberen Teil des Bildes ist eine Gebirgslandschaft zu erkennen, rechts erscheint ein Monster mit aufgerissenem Maul. Sucht der Künstler mit diesem Bild seine Herkunft und auch sich selbst? Sind es Erinnerungen an seine Familie, die dargestellt werden? Das Bild "Jewall" (2008-2010) transportiert dagegen politischen Inhalt und meint Jewish Wall, die jüdische Mauer. Die Farbigkeit ist reduziert, außer dem Schriftzug "Tilt" in leuchtendem Rot. Schwarze, gegenstandslose organische Formen können sich auf weißem Untergrund in den Augen der Betrachter zu Motiven formen. Kaum lesbar verweist die Schrift "sharons" auf ein möglich aktuelles politisches Ereignis im Israel des damaligen amtierenden Ministerpräsidenten Ariel Sharon.
Silke Immenga
Redaktion: Sandra Kraemer
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