In mehr als vier Jahrzehnten hat Horst Rave ein eindrucksvolles Werk, vor allem in entschieden konstruktiv-konkreter Haltung, geschaffen, das seine eigene Kontingenz und viele Facetten hat. So deutlich auch die Malerei im Vordergrund steht, so erfasst man den Reichtum dieses Werkes nur, wenn man seine Zeichnungen, Aquarelle, druckgraphischen Blätter, Skulpturen und plastischen Arbeiten sowie Arbeiten im öffentlichen Raum in die Betrachtung mit einbezieht. Ebenfalls mit in den Blick zu nehmen wären seine theoretischen Texte und didaktischen Untersuchungen (zu Macke, Moholy-Nagy, zu Sophie Taeubers und van Doesburgs Straßburger "Aubette"), ferner die praktischen Arbeiten im Sinne des Graphik-Designers.
Seine kenntnisreiche Klarheit und Bestimmtheit in der gründlichen Erkundung dessen, was ihn beschäftigte, haben all sein Tun geprägt. Seine Ausstellungen fanden nur selten die verdiente Aufmerksamkeit. Allerdings hat ihn die Stadt Bonn, in der er lebte und wirkte, mehrfach ausgezeichnet.
Horst Rave gelangt 1958/59 zu ersten künstlerischen Arbeiten, deutlich suchend, experimentierend. Expressionistische, pointillistische, informelle Berührungspunkte zeigen sich, jedoch ist von Anfang an in der unfigürlichen Bildsprache die Neigung zum Konstruktivistischen vorherrschend. Eine ausgesprochene Auseinandersetzung mit der Farbe findet 1963/64 statt, und vom Beginn des Studiums in Kassel an ist eine zunehmende Systematisierung erkennbar.
Raves Oeuvre gliedert sich in deutlich gestufte, fortschreitende Werkphasen. Die seit 1967 entstehenden Farbmengen-, Treppen- und Streifenbilder, verständlich aus dem Bezug zu den damals aktuellen strukturalistischen Tendenzen, sind auf ihre Weise mit dem Moment der Bewegung als konstitutivem Faktor der Wahrnehmung verknüpft wie auch seine verschiedenen variablen Bilder, Skulpturen und Reliefs. Die unterschiedlichen, doch ihrer Verfassung nach homogenen Ausdrucksformen lassen schon früh sein umfassend ganzheitliches Bemühen wirksam werden. Die theoretischen Untersuchungen und aphoristischen Notizen unterstreichen die Gründlichkeit der die praktische Arbeit begleitenden Reflexion. "Malen / auf Grund des gemeinen Chaos / die besondere Regel finden / Malen macht frei und betroffen." (H. R., 1986)
Es mag irritieren (ohne hier an die Stilpluralität bei Picasso oder Gerhard Richter erinnern zu wollen), dass bis 1984 in Raves Oeuvre parallel zu den unfigürlichen, konkreten Arbeiten ein größeres Quantum figürlicher Zeichnungen und Ölbilder entsteht. Es sind Personenszenen und Landschaftsdarstellungen, auch einzelne Portraits, Selbstportraits sowie Stadtansichten, darunter eine Folge des Bonner Stadthauses (1978). Nicht allein Bilder wie "Herr mit Hund", "Eifelbombe" (1978), verschiedene Unfallszenen oder "die loire mit ölflecken" (1980) vermitteln in einer "neusachlichen" Schärfe eine unmissverständlich kritische Seheinstellung. Einige der besonders anspruchsvollen "realistischen" Gemälde hat der Künstler zusammen mit der Malerin und Lebensgefährtin Margarete Loviscach als spezifische Ateliergemeinschaft, als Gruppe Panda, geschaffen ( z.B. "Südbrücke", 1973/74, "Promenade in Beuel - Hommage à Seurat", 1975). Allerdings bleiben diese Arbeiten bei Ausstellungen außerhalb Bonns in der Regel außer Betracht.
Eine wichtige Werkphase in Raves Kunst bilden die seit 1968/69 aus den vorangegangenen Werkgruppen entwickelten "Fallbilder" mit ihrer eigenen Programmatik. Systematische Gesetzmäßigkeit, die den bündigen Organismus des einzelnen Bildes akzentuiert, gibt die "Leserichtung" vor. "Die Bewegungslinie geht von der Fläche (Quadrat) zur schließlich flächenlosen Linie. Gleichzeitig wandelt sich die Ausgangsfarbe in Richtung auf ihre Gegenfarbe, oder sie hellt sich auf, oder trübt sich, oder ...". (H. R., 1980) Räumliche Wirkungen aus den Strukturen des Bildfeldes sowie durch Drehung, Spiegelung usw. verbinden sich mit der Eigendynamik der Farben. Weitreichend werden alle Möglichkeiten durchdekliniert. Rationale und irrationale Momente verschränken sich. Die mit Lack ausgeführten schwarzen Fallbilder erweisen sich zugleich als großformatige Zeichnungen. Entfaltet sich Raves Kunst auch nachdrücklich in ihren eigenen Bezugsfeldern, so lassen sich doch fruchtbare Verbindungen etwa zu Mondrian, Malevich, van Doesburg, Moholy-Nagy oder Josef Albers und Max Bill nicht verkennen, zumal auch eine Reihe von Arbeiten sich als "Hommage" an jene Leitgestalten bekennt.
Mit den seit 1983 geschaffenen "Transparentbildern" nutzt er -bei all seinem durchgängigen Streben nach Vereinfachung - das eigentümliche Potenzial der Schichtung. "Schonungslose Einsicht und ehrliche Offenlegung sind das Wesen der Transparenz ... Transparenz ist die simultane Anwesenheit von Teilfiguren auf einem Flächenbezirk: mehrdeutig." (H. R., 1983) Die Ambivalenz ist der oft überraschende und zugleich notwendige Gegenpol zu jener "Offenlegung".
Von 1985 an beginnt die Folge der "Farbraum-Gemälde" auf der Grundlage sorgfältig modulierter Rechteckfelder und lebhaft strahlender Farbenergie. Die Bildformate korrespondieren mit dem Formbestand, so ergeben sich u.a. extrem gestreckte Hochformate. Sein engstens mit der Architektur verbundenes "Wandbild über Gelb" (1986/87, ehem. Bundespostministerium, heute Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn), eines der wichtigen Auftragswerke, gibt den Eindruck einer freien Bilddramaturgie aus großzügiger rhythmischer Ordnung. Ab 1987 schließen sich an die "Farbräume" die straffer gefügten, quasi hieratisch organisierten "Farbtektoniken" (statt Öl, nun Acryl auf Leinwand) an, die aus einer gleichsam unbegrenzten Tiefe hervorleuchten, Figur und Grund verschmelzend. Seinen spezifischen Lobpreis der Farben realisiert er 1990 mit der 23-teiligen Folge "Farbtektoniken über den Regenbogen".
Mit Talent und Überzeugungskraft nimmt Rave immer wieder die spezifische Herausforderung für Kunst im öffentlichen Raum an, teils mit recht unorthodoxen Lösungsvorschlägen, ob z.B. in Bonn am Stadthaus (1984 und mit einem digitalen Fries 2005), an der Oper (1991), in einem Düsseldorfer Modezentrum (1990) oder in der Sparda-Bank in Saarbrücken (1995).
Viele "Erkundungsausflüge" finden während nahezu aller Arbeitsphasen in unterschiedliche Bereiche der Skulptur und der plastischen Formen statt, die großenteils einer eigenen Betrachtung wert wären. Das gilt ebenso für die von feinen Liniennetzen bestimmten Plexiglasskulpturen, für zahlreiche ins Monumentale tendierenden Kleinplastiken als auch für die relativ große "Metallskulptur blau" (1994)
Bevor er sich von 1992 an seinen computergenerierten Arbeiten zuwendet, versucht er in "Farbkontinua", "Farbkörper", "Farbverschränkungen" und "Farbstrahlen" die mannigfachen Möglichkeiten seiner programmatischen Erfahrungen auszuloten.
Die künstlerische Arbeit mit dem Computer ist zu diesem Zeitpunkt für Horst Rave prinzipiell längst vorbereitet; zweifellos erschließt ihm dieses Medium ein unbedingt erweitertes Terrain der Möglichkeiten. Vor allem schenkt ihm das neue Instrument, wie er schreibt: "Zeit zum Experimentieren, zum Nachdenken." (H. R.,1993) Auffallend kommt nun neben dem streng Planerischen - lebhafter als in den Jahren zuvor - das Spielerische zur Geltung. Plotterzeichnungen, Inkjetdrucke entstehen in großer Zahl, aber auch - auf der Basis der Computerarbeit - "konventionelle" Gemälde.
"Der reale Umgang mit der Farbe, das Tun, die lange Ruhe vor der leeren Leinwand, die entrückte Konzentration beim Malen machen zu viel Spaß ...". (H. R. 1993) Eine beachtliche Anzahl von solchen Acrylgemälden der Jahre bis 1999 sind der sprechende Beleg.
Die computergenerierten Arbeiten, die der Künstler gerne als seine aus dem Prozess des Rechners gewonnenen "Zwischenbilder" bezeichnet, haben meist lapidare, schlichtweg den Sachstand kennzeichnende Titel wie "Rechteck und Spirale", "Kreis und Treppe" oder "Tondo, Dreieck - Kreis" oder in Einzelfällen etwa nur "Formen zueinander" (1995). Das Transitorische und das besondere Angebot der Metamorphose lassen die Zwischenformen und für die Farben die Zwischentöne zum Vorschein kommen; darin liegt die Faszination für den Maler. Außer vielen Einzelwerken kommt es in Raves "Bilderwerkstatt" auch zu "Bildgeschichten", wenn man so will zu "Erzählungen" mit großem Bogen, beispielsweise in einer Bonner Ausstellung 1993 mit 45 Elementen.
Im letzten Abschnitt seines Schaffens aus den Jahren 2006/07 gibt es vor allem zwei bemerkenswerte Werkgruppen: zum einen digitale Inkjetdrucke mit schwebenden und in ihrer Formsubstanz kaum fassbaren Phänomenen (gelb, violett, hell karminrot, schwarz - blau; mit Titel wie "Dreieck - Rechteckring" oder "Farbschatten") und zum andern wie schwebend vor der Wand befestigte Reliefs ( "Kreis zu Mäander" usw., jeweils Acryl auf Stahl), erstarrte und in der Schwebe gehaltene Computerzeichnungen, befremdliche Hieroglyphen, Arabesken, tiefernst und fragend, aber zuweilen sogar auch komisch.
Die teilweise bemalten Rückseiten der Reliefs, oft im Simultankontrast, verdeutlichen eine entmaterialisierende Wirkung.
Diese späten Arbeiten haben einen hohen Grad der Präsenz, der zugleich ein unaufhaltsames Entschwinden umfasst - ein Musikakkord, der sich in einen grenzenlos offenen Raum verliert.
Von Caspar David Friedrich kennen wir jenes Wort, das der Maler Horst Rave wohl auch für sich akzeptiert hätte: "Die Kunst mag ein Spiel sein, aber sie ist ein ernstes Spiel."
Hans M. Schmidt
Redaktion: Sandra Kraemer, Detlef Claus, Christine Koch
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