Dirk Rausch: Einfache Verhältnisse
Die anschauliche Thematisierung der Korrelation von Form und Farbe innerhalb des bildkompositionellen Gefüges ist eines der künstlerischen Hauptanliegen von Dirk Rausch. Dabei arbeitet er mit zunächst schlicht anmutenden Elementen wie balkenartigen Formationen, die sich in ihrer verschiedenfarbigen Erscheinung so überlagern, dass nuancenreiche Farbdurchdringungen entstehen. Die Positionierung der formalen Aspekte innerhalb des Bildfeldes zeugt von einem ebenso experimentellen wie auch genau durchdachten kompositionellen Anliegen, bei dem Bildfläche und Bildformat ebenso wie der lichte Bildgrund als originärer Bestandteil der gesamten Gestaltung gelten.
Mit seiner künstlerischen Haltung kann Dirk Rausch der Konkreten Kunst zugeordnet werden, die in ihrer 1930 im Gründungsmanifest der Gruppe Art concret definierten programmatischen Orientierung eine Kunstrichtung bezeichnet, die im Wesentlichen auf mathematisch-geometrischen Grundlagen beruht. Die Konkrete Kunst versteht sich nicht als abstrakt, da sie nichts in unserer materiellen Realität Vorhandenes abstrahiert, sondern im Gegenteil Geistiges materialisieren möchte. Die Konkrete Kunst strebt hierbei keinerlei inhaltliche oder symbolische Bedeutung an und grenzt sich in der Moderne von Konstruktivismus und abstrahierenden Tendenzen durch einen wissenschaftlich-analytisch geprägten Ansatz ab, was den innerhalb dieser künstlerischen Orientierung entstehenden Werken bisweilen eine ausgeprägte formale Strenge verleiht.
Die Arbeiten von Dirk Rausch hingegen changieren zwischen Disziplinierung der sehr überlegt eingesetzten Form und bewusster Zufälligkeit im Gestaltungsprozess, so dass, trotz der minimalistischen Tendenz, in der Interaktion von Form, Farbe und Fläche lebendige Bildsituationen entstehen, die der Konkreten Kunst ein erweitertes Handlungsfeld erschließen.
Im Siebdruck stellt Dirk Rausch Unikate her. Diese „Siebdruckunikate“ tragen einen Widerspruch in sich, da Druckverfahren gemeinhin zur Vervielfältigung einer künstlerischen Arbeit eingesetzt werden. Dirk Rausch erstellt im Druckprozess allerdings nur jeweils ein Blatt als künstlerisches Individuum und nähert sich damit – auch in der Art und Weise, wie das Blatt koloristisch besetzt wird - der Malerei als nicht vollends identisch duplizierbarem Medium an.
Es gibt zunächst das leere Blatt, im Hoch- oder Querformat, die leere Fläche als Aufgabenstellung, als Territorium für den kompositionellen Prozess. Das Format bedingt als Bezugssystem die künstlerische Handlung. Die Gestaltungselemente orientieren sich an den Bildgrenzen, nehmen Bezug auf die Ränder des Blattes, indem sie parallel zu diesen geführt werden oder aber sich als dynamisierende Schrägen in das Bildfeld schieben.
Mit schlichten Gestaltungsmitteln, mit balkenartigen Formationen, wird dieses Bildfeld definiert, die Fläche in bestimmten Teilungsverhältnissen organisiert. Dabei geht Dirk Rausch durchaus sparsam und konzentriert vor. Es geht nicht darum, die Fläche zwanghaft zu füllen, sondern vielmehr darum, den gestalteten Leerraum, das Weiß des Grundes, als Element der Komposition einzubeziehen. Es gibt also nicht das "Motiv" und den Hintergrund, sondern es gibt nur die Gesamterscheinung des Blattes.
Verschiedenfarbige Balken überlagern sich dergestalt, dass Farbvariationen auf der Basis einer koloristischen Durchdringung entstehen. Die in horizontaler oder vertikaler Orientierung geführten Farbbahnen strukturieren das Blatt, suggerieren eine geordnete Struktur. Diese erweist sich jedoch weniger als streng-rational ausgerichtete, geometrische Ordnung. Vielmehr erzeugen diagonal, in variierenden Winkelformationen geführte Bahnen eine in der Labilität des orthogonalen Systems begründete Verlebendigung der Bildsituation. Dies wird unterstützt durch die Formgestaltung der Farbbalken, die nicht über geradlinige Konturen verfügen, sondern an den Rändern "ausfransen" oder wellig sind, und hierdurch in besonderer Weise für eine vom Weiß des Grundes in die Farbigkeit hineinwirkende Lichtkonzentration empfindlich werden.
Das Mischverhältnis der Farbe wird in der Überlagerung der jeweiligen Farbsituation, im Vorgang des Druckens hergestellt. Indem keine Farbe vollständig verdeckt wird, sondern immer in Teilen sichtbar bleibt, wird auch der Prozess der künstlerischen Entstehung anschaulich nachvollziehbar. In diesem Prozess beginnt Dirk Rausch mit einer Farbbahn und sucht Anschlussstellen an diese, Bezugspunkte oder gewissermaßen "Scharniere". Die Bildkomponenten werden nie ohne Bezugnahme zueinander eingebracht. Auch wenn einmal ein singuläres, unverbundenes Element erscheint, so ist dieses doch z.B. mittels einer Achse oder in Relation zu den Bildgrenzen mit der weiteren Komposition verbunden.
Dirk Rausch arbeitet dabei in der Serie, gleiche Farbtöne und gleiche Formelemente tauchen innerhalb einer Werkreihe als Variationen immer wieder auf. Experimentell und gleichsam spielerisch wird dabei mit der Gestaltung der Bildfläche verfahren. Bisweilen wirken die Farbbänder wie Strecken von gefaltetem Transparentpapier, bisweilen bleibt das Gestaltungsareal eng begrenzt, dann wiederum werden Strecken auf dem Bildgrund durchmessen oder Distanzen erzeugt, die gleichermaßen Spannung wie auch Balance generieren.
Hierbei funktionieren die Bilder ebenso als räumlich aufzufassende wie auch als sich in der Fläche vollziehende Kompositionen und verbleiben so hinsichtlich einer abschließend definierbaren Ansichtigkeit in einer gewissen Ambivalenz. Durch die Winkelstellung der Farbbahnen und die variierende Farbigkeit sowie das Distanzverhältnis einzelner Elemente zueinander entstehen tiefenräumliche Anmutungen. Bei stärker flächenbezogenen Komponenten kann der Eindruck einer Betrachtung des Areals aus der Vogelperspektive entstehen. Die serielle Folge einzelner Blätter lässt hierbei auch die koloristische und farbformale Entwicklung der Bildmotive anschaulich werden.
Die sensible Behandlung der Farb-Form-Relation ist in den Arbeiten von Dirk Rausch als elementar und wesentlich anzusehen. Von wunderbar zart-transluzenten, in hellen pastellartigen Tönen gehaltenen Bahnen bis hin zu nahezu opak-deckend erscheinenden Farbformationen reicht die Palette der Möglichkeiten, die auch innerhalb einer Serie eingesetzt werden. In der variationsreichen Durchdringung und Überlagerung der Farbbahnen entstehen mit dem Mischverhältnis der Farben neue formale Entwicklungen, die aus den Grundkomponenten der Bildgestaltung hervorgehen.
Als neues Element bringt Dirk Rausch eine trapezoide Form in seine Kompositionen ein. Hierdurch wird ein zusätzlicher Aspekt der Dynamisierung und Gerichtetheit in die Bildsituationen eingebracht. Mit dem Einsatz der "unbunten" Farbe Schwarz, als dominantes Element in einigen neuen Arbeiten wird die Wirkungsweise der Buntwerte der weiteren koloristischen Anteile der Komposition potenziert und darüber hinaus auch die Lichtreize sowohl der Buntfarbigkeit als auch des hellen Grundes gesteigert akzentuiert
In den Arbeiten von Dirk Rausch wird Farb-Form-Komposition als sinnliches Erlebnis in besonderer Weise erfahrbar. Es sind einnehmende Blätter von hoher ästhetischer Qualität, die in ihrer variationsreichen Reduktion eine unspektakuläre Größe entfalten. Mit diesem Ansatz hat Dirk Rausch in den vergangenen Jahren ein hohes Maß an gestalterischer Eigenständigkeit wie auch an prägnanter künstlerischer Qualität entwickelt.
Andreas Bayer
Redaktion: Sandra Kraemer, Rita Eschle
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