Vortrag zur Eröffnung der Ausstellung "Karl Kunz", am 22. Januar 2006 Kunstverein Dillingen im Alten Schloß
Der Maler Karl Kunz ist mit seiner Heimatstadt Augsburg und den dortigen Kunstsammlungen eng verbunden: Bereits kurz nach Kriegsende präsentierte er zwischen 1946 und 1947 seine Werke mehrfach im Schaezlerpalais, darunter die Sammelausstellungen „Maler der Gegenwart I“, „Augsburger Maler I“ und „Extreme Malerei“. Es folgten Beteiligungen an der Großen Schwäbischen Kunstausstellung 1949, den Salonausstellungen von 1963 und 1965 sowie die Einzelausstellungen von 1983 im Zeughaus und 1995 im Schaezlerpalais, mit denen die Stadt Augsburg sein Werk erstmals monographisch würdigte. Auch im Saarland war Kunz immer wieder in Ausstellungen etwa des Saarland Museums vertreten (dort in Ausstellungen des Saarländischen Künstlerbundes 1959, 1963, 1964, 1966 usw.). Karl Kunz ist am 23. November 1905 in Augsburg geboren. Er wuchs in einem streng katholischen Elternhaus auf, besuchte 1914 das Benediktinergymnasium St. Stephan in Augsburg. Mit vierzehn nahm er bereits privaten Malunterricht bei dem Kunstmaler Gustav E. Schmidt. 1921 siedelte er nach München über, bildete sich autodidaktisch weiter und bemühte sich vergebens um die Aufnahme an der Münchner Kunstakademie. 1927 zog Kunz als freischaffender Künstler nach Berlin, nach einer tiefgreifenden Lebenskrise gelang es ihm 1930 in Halle wieder Fuß zu fassen, wo er Meisterschüler und Assistent von Prof. Erwin Hahs an der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein wurde. 1932 heiratete er die Historikerin Ilse Lack. Nachdem diese 1933 ihrem jüdischen Professor Fluchthilfe leistete, wurde Kunz aus der Kunstgewerbeschule entlassen und erhielt Malverbot, d.h. er zählte fortan zu den „entarteteten Künstlern“.
Kunz kehrte schließlich mit seiner Familie nach Augsburg zurück und übernahm den elterlichen Furnierhandel. Dort erlebte er die Bombardierung der Stadt und die Zerstörung seines Ateliers (hierbei wurde nahezu sein gesamtes bis dahin entstandenes Werk vernichtet). Nach dem Krieg wurde Henry Gowa, der Gründungsdirektor der neuen Kunstschule in Saarbrücken auf Kunz aufmerksam. Der Hamburger Maler Gowa, der die Kriegsjahre in Südfrankreich verbracht hatte, war seit Sommer 1946 im Amte und suchte nach unvorbelasteten Lehrkräften. Kunz übernahm eine Malklasse und unterrichtete gemeinsam mit Boris Kleint die Grundlehre, die das Fundament jeglicher künstlerischer Ausbildung an der Schule darstellte.
Im September 1948 erhielt Kunz erstmals die Gelegenheit die Ergebnisse seiner Lehrmethode in einer Ausstellung unter dem Titel „Junge Menschen lernen malen“ darzustellen. Diese Ausstellung, die 132 Arbeiten umfasste, wurde in Augsburg, Ulm und Darmstadt mit großer Publikumsresonanz gezeigt. Aufgrund von persönlichen und institutionell bedingten Querelen wurde Kunz schließlich im Sommer 1949 überraschend entlassen. Vier Jahre später, im Jahre 1953, zog Kunz dann mit seiner Familie nach Weilburg an der Lahn, da seine Frau dort eine Anstellung als Studienrätin erhalten hatte. 1954 beteiligte sich Kunz mit mehreren Werken im deutschen Pavillon der Biennale in Venedig, darunter "Der unerwartete Gast" und "Das Liebespaar", beide inzwischen im Besitz der Kunstsammlungen. Von Weilburg aus zog es Kunz in die Großstadt Frankfurt am Main, wo er bis zu seinem Tode 1971 lebte und arbeitete.
Karl Kunz war ein von innerer Schaffenskraft getriebener Maler, der sich nur selten zu seinen künstlerischen Absichten äußerte. In einem Brief an seine Schülerin Almuth Hickel schrieb er 1969: „[...] ich muß größtmögliche Ruhe in mir erzeugen. [...] Der Umstand, dass in meinem Werk sehr viel Bewegung, Unruhe, Agression, Tumult und Euphorie herrscht, bedeutet keinen Widerspruch. Alles das lebt in mir, geht durch mich hindurch u. ich habe es rings um mich herum. Da ich nun Maler bin, habe ich denn ein Bild zu geben, so, wie die Welt sich mir zeigt, wie sie mich heimsucht, fasziniert und beglückt“ (Schmoll gen. Eisenwerth, 1996, S. 21).
Karl Kunz nimmt mit dieser sehr subjektiven Weltsicht in der süddeutschen Nachkriegskunst eine wichtige, gegenüber dem Dogma der Abstraktion stehende Gegenposition ein: Während auf der einen Seite Maler wie Willi Baumeister, Max Ackermann oder Fritz Winter – um nur einige wenige wichtige Vertreter dieser Zeit zu nennen, die die abstrakte Malerei zu einem Höhepunkt im Deutschland der Nachkriegszeit führten –, nimmt Kunz eine ganz andere, dem Gegenständlichen verhaftete künstlerische Position ein. Er verarbeitete in seiner Malerei sowohl Elemente des Kubismus, wie auch des Surrealismus und fand zu einem eigenen „wohlkomponierten Chaos“, wie Josef Adolf Schmoll gen. Eisenwerth in seinem einleitenden Beitrag des Werkverzeichnisses von 1996 eine Grundkonstante im Werk von Kunz überschrieb. Seine oft buntfarbigen Kompositionen sind verdichtete kulissenhafte Bildräume, deren bühnenhafter Charakter und breitangelegte Themenvielfalt dem Betrachter ostentativ gegenüber treten und ihm eine Art „Welttheater“ vorführen (Karl Kunz, Ausstellungskatalog, 2005).
Kunz behandelte vielfältige Themen: so zeigt etwa seine Komposition Sommertag von 1939 eine geradezu bukolische Landschaft, die in dieser Zeit noch Kontinuitäten, landschaftlich zusammenhängende Flächen aufweist, auf der sich Figurationen verteilen, die nichtzuletzt an bekannte Topoi abendländischer Kunst erinnern, hier in diesem Falle etwa an Manets berühmtes Déjeuner sur l’herbe, einer Ikone der Modernen Kunst. Kunz studierte sehr genau die alten Meister und die damalige Moderne, schöpft aus deren Formenfundus und synthetisiert diese Fundstücke zu eigenständigen Bildschöpfungen. Diese Versatzstückhaftigkeit ist eine wichtige Kompositionsweise von Kunz, die sich durch sein gesamtes Schaffen zieht.
Waren seine frühen Kompositionen noch von klar umgrenzten, dreidimensional aufgefassten Formen bestimmt, so werden die späteren Werke immer kulissenhafter und zweidimensionaler, verwobener, sie erscheinen geradezu dicht angefüllt mit zahllosen Requisiten, Architekturfragmenten, Körpersplittern und sogar mit echten Fotos und Bildern, die als Collage eingefügt werden. Diese besondere Fähigkeit architektonische Zusammenhänge zu schaffen, die instabil, fragil, ja geradezu dekonstruktivistisch anmuten, ist ein weiteres wesentliches Gestaltungsmerkmal seiner Kunst. In seinen großformatigen Formenkonglomeraten nistet sich auch die Farbe als Instabilität schaffendes Medium mit ein. Hierbei bilden zunächst dunkle Farbwerte, wie Braun- und Schwarz die Grundlage, während lichte helle Töne sowie grelle Kontraste sich häufig mit den Gegenständen verbinden. Die hieraus resultierende Mannigfaltigkeit erzeugt eine Unruhe, die auch die seelische Verfassung des Malers wiederspiegelt. Folglich affizieren seine Bildwelten den Betrachter, der sich in den Kompositionen orientieren muss, dessen Auge im Bild umherwandert, der suchend die kulissenhafte Bildwelt erforscht. Formalkompositiorisch greift Kunz – wie erwähnt – auf die kubistische Formensprache zurück, mit der Gegenstände auf ihren jeweiligen geometrischen Grundgehalt hin untersucht werden. Das Übertragen des dreidimensionalen Gegenstandes auf die zweidimensionale Leinwand durch polyperspektivisches Sehen ist gerade in seinen frühen Kompositionen konsequent umgesetzt. Etwa die Stürzende von 1944, die Darstellung eines Bombenangriffes, bezieht sich auf Guernica, Picassos weltbewegendes Antikriegsbild von 1937, das Kunz in Gestalt von Reproduktionen kannte. In geometrisch, kantiger Formenreduktion stellt Kunz – ganz wie Picasso – die Welt gewissermaßen auf den Kopf und zeigt durch verstümmelte und aperspektivische Formen den Untergang im Bombenterror und affiziert den Betrachter nachhaltig mit diesem Schockerlebnis.
Zu seinem 100. Geburtstag bietet die von den Kunstsammlungen und Museen Augsburg konzipierte Gedächtnisausstellung „Karl Kunz – Großes Welttheater“ einen umfassenden Überblick über sein künstlerisches Schaffen. In dem bereits zitierten Brief schreibt Karl Kunz zu seiner künstlerischen Position: „Die heutige Kunst ist wahrhaftig abstrakt, denn sie nimmt dem Künstler die Möglichkeit der Selbstdarstellung und der Darstellung der Welt, in die er gestellt und von der er heimgesucht ist. [...] Gewiss sehen diese jungen Künstler in mir den konventionellen Maler und mitunter das Bäuerchen vom Lande. Aber das beunruhigt mich nicht, denn ich habe im Laufe der Jahrzehnte nach meinem Vermögen das Feld abgesteckt und versuche es zu besiedeln.“ (Schmoll gen. Eisenwerth, 1996, S. 21)
Christof Trepesch
Redaktion: Sandra Kraemer, Oranna Dimmig
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