Der künstlerische Werdegang Leo Kornbrusts begann Anfang der 1950er Jahre an der Akademie der Bildenden Künste in München. 1951 bewarb er sich um Aufnahme in die Bildhauerklasse Toni Stadlers, der als einer der Hauptvertreter der "Münchner Archaik" galt. Leo Kornbrust hatte sich somit bewusst für die menschliche Figur als Ausgangspunkt seines bildhauerischen Schaffens entschieden. Die Frauenakte und Porträtköpfe, die während der Studienzeit nach Modellen entstanden, lassen noch deutlich den Einfluss Toni Stadlers erkennen. Dessen Vorstellung vom Gefäßhaften der Figur fand seinen Niederschlag in den Arbeiten des Schülers.
Nach Verlassen der Akademie kündigte sich mit den nun entstehenden Figuren eine immer weiter schreitende Ablösung vom Naturvorbild an. Die Skulpturen, die während des Stipendium-Aufenthaltes in der Villa Massimo in Rom entstanden, weisen in ihrer starken Betonung des Rumpfbereiches und in ihrer lebhaften Oberflächenbehandlung auf die im darauf folgenden Jahr beginnende Entwicklung hin. Denn - unter dem Einfluss des Informel - kennzeichneten zu Beginn der 1960er Jahre amorphe Strukturen und zerklüftete Oberflächen seine Reliefs und Torsi. Die Auseinandersetzung mit dem Torso diente dem freieren Operieren mit der Form, wobei die Arbeiten dem Block in seiner kompakten Masse verhaftet blieben, so dass über die Fragmentierung des menschlichen Körpers als eines geschlossenen Volumens schließlich eine neue Stufe der Abstraktion erreicht wurde. Sie bildeten eine wichtige Station auf dem Weg zu einer eigenen Formensprache, in deren Vorstellung die menschliche Figur zwar noch weiterhin einfließen wird, sich dann aber längst vom Abbildhaften befreit hat.
Im Jahre 1963 erfolgte ein entscheidender gedanklicher Schritt. Inmitten einer wuchernden Vegetation, die sein freies Atelier an der Damra bei St. Wendel umgab, erkannte er, dass seine Arbeiten regelrecht aus dem Blickfeld verschwanden, von der Natur geschluckt wurden. Gerne erzählt Leo Kornbrust die Geschichte, wie er eines Tages ein achtlos ins Gras hingeworfenes Vierkantholzstück sah, dessen klare Linien sich deutlich vom Boden absetzten. Es muss eine einschneidende Erkenntnis gewesen sein, denn die daraufhin schrittweise erfolgende Reduktion zu einer geometrischen Formensprache lag darin begründet, "zu lernen, sich gegen die Natur zu stellen".
Mit dieser Entwicklung einher ging die Hinwendung zum Stein. Hatte Leo Kornbrust bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich modelliert, so entdeckte er nun den Stein als Material, welcher bis heute die Grundlage seines künstlerischen Schaffens ist. Denn mit der zunehmenden Entfernung von der organisch geformten hin zu einer tektonisch gefestigten Form wuchs einerseits das Unbehagen an der Methode des Modellierens und andererseits verfestigte sich der Wille zu einer eindeutigeren Formulierung der Gestalt. Der Stein wurde zum adäquaten Material.
Dies vollzog sich Mitte der 60er Jahre innerhalb der Werkgruppe "Torso-Formen". Lebten die ersten, noch modellierten "Torso-Formen" aus dem Spannungsverhältnis von einerseits blockhaft verfestigter Masse, andererseits der Bewegtheit des Umrisses, dem unregelmäßig, schwingenden Verlauf der Kanten und Einschnitte, die zu einer facettenförmigen Auffächerung der Oberfläche führten, wurden in den folgenden Jahren die "Torso-Formen" immer präziser, immer stärker eingebunden in ein klares Achsensystem von Horizontalen und Vertikalen. Den Arbeiten dieser Werkgruppe gemeinsam blieben die Einschnitte im Bereich der Mittelzone.
Aus der Form des rechteckigen Blocks mit abgeschrägten Eckkanten kristallisierten sich dann die meist oktogonalen Seitenteile heraus. Es dominierten in den Jahren von 1966 bis 1970 gebaute, aus geometrischen Einzelelementen zusammen gesetzte Skulpturen, die in Stein, Holz und Stahl ausgeführt, eine Materialvielfalt aufweisen, wie sie in späterer Zeit nicht mehr aufgetreten ist. Das Thema der Komplexität stand hier im Vordergrund. Meist innerhalb einer Serie von Skulpturen durchspielte Leo Kornbrust das Verhältnis von Mittelzone und angesetzten Seitenteilen, die in ihrem Formverlauf variieren. Rückblickend erkennt man, dass in der Bloßlegung einer schmalen Mittelzone die Ausbildung der "Inneren Linien" im Ansatz gelegt worden ist. Schon 1966 hatte er von einem Abguss der "Pariser Figur" den Mittelteil heraus gelöst, um an diesem, als Kernstück, weiter zu arbeiten.
Eine Sonderstellung im Werk Leo Kornbrusts nehmen die Steinthrone ein. Im Rahmen des "Internationalen Steinbildhauer-Symposions St. Wendel" schuf er den Steinthron "Hommage à Bunuel". Der "Liebesthron" am Bostalsee bildet eine Station der St. Wendeler "Straße der Skulpturen". In der und für die Landschaft geschaffen, in der Leo Kornbrust zu Hause ist, sind sie als Teil dieser Natur und benutzbare Skulpturen gedacht, die einladen, auf ihnen Platz zu nehmen.
Seit Anfang der 1970er Jahre fächert sich das Werk allmählich in einzelne, seitdem parallel nebeneinander herlaufende Bereiche auf, die Leo Kornbrust als "Kopfbereich", "Organischer Bereich" und "Vegetativer Bereich", zu dem die "Behandlung und Problematik der Inneren Linie" gehört, bezeichnet. Diese Bereiche, die weit mehr als bloße Werkgruppen darstellen, hat der Künstler unter dem Oberbegriff "Zum Thema menschliche Figur" zusammengefasst und damit zum Ausdruck gebracht, dass in seinen Skulpturen der Bezug zur menschlichen Figur existent bleibt.
Als erster der Bereiche bildet sich zu Beginn der 1970er Jahre der "Kopfbereich" heraus, der die menschliche Ratio verkörpert. Der Kubus ist für alle Skulpturen dieses Bereiches formal oder gedanklich der Ausgangspunkt. Aus ihm entwickelt Leo Kornbrust seine exakten, glatten, geometrischen Körper. Das Thema "Vom Kubus bis zur Kugel" - als Serie erstmals 1970 in kleinformatigen Skulpturen ausgeführt und in Einzelskulpturen immer wieder aufgegriffen - zieht sich seitdem als roter Faden durch sein Werk. Als feste Größe ist das Grundmaß des Kubus vorgegeben, während die formale Abfolge innerhalb der Serie variabel ist. So bestimmt zwar eine rationale Vorgehensweise die einzelnen Stufungen zwischen Kubus und Kugel, ohne jedoch einem Dogmatismus zu unterliegen. Nicht die Serie als solches wird zum Prinzip erhoben, vielmehr bildet das Grundthema einen gedanklichen Überbau.
Neben der Facettierung des Kubus beschäftigte sich Leo Kornbrust Anfang der 1980er Jahre in klein- und großformatigen Arbeiten mit dessen Zerlegung. Es ging ihm dabei um das Verhältnis der Einzelformen zum Ganzen, der Bestimmung von Maß und Proportion der Zerlegung. Die Positionierung der einzelnen Teile am Boden ist so angelegt, dass der Akt der Zerlegung veranschaulicht und gleichzeitig dem Betrachter die gedankliche Zusammenfügung zur Ausgangsform impliziert wird.
Einen Gegenpol zu den konstruktiven Arbeiten des "Kopfbereiches" bilden die Skulpturen des "Organischen Bereiches". Vor allem weiche, organische Formen bestimmen die Gestalt, sprechen den Tastsinn an. Das sanfte Auf- und Abschwellen des Volumens verleiht ihnen Bewegung und bringt die Oberfläche scheinbar zum Pulsieren. Bei den schmalen, länglichen Arbeiten überträgt sich der Bewegungsfluss über den Stein hinaus in den Raum; die flachen, runden Formen sind - die Materialität des Steins scheinbar negierend - in einen Schwebezustand gebracht. Ohne exakte Planung stellen diese allein aus der Sinnlichkeit des Materials und dem Fühlen der Form entstandenen Skulpturen die "Lustobjekte" des Künstlers dar. Es sind eben seine kleinen und großen "Gurken" oder seine "Ravioli", wie er die Arbeiten selbst bezeichnet. Der haptische Reiz, den die Werke ausstrahlen, wird jedoch bei einigen jüngeren Arbeiten geopfert zugunsten einer stark bearbeiteten, rauen Oberfläche. Anstelle der durchgängigen Rundungen unterbrechen nun scharfe Kanten den unregelmäßigen Formverlauf. Der Bewegungsfluss wird hier durch die rhythmische Behandlung, die sich in der Abfolge von z. T. flächigen, von Schraffuren durchzogenen Partien über die gesamte Länge der Skulptur hinweg zieht, erreicht.
Das Thema der "Behandlung und Problematik der Inneren Linie" bestimmt seit den 1970er Jahren die künstlerische Arbeit Leo Kornbrusts. Die als "Innere Linie" bezeichneten Skulpturen verweisen in ihrer eigenen Verletzlichkeit auf die Zerstörbarkeit des Menschen. Indem er den Stein bis zur innersten Schicht bloßlegt, dringt er bis an die Grenzen der Stabilität. Als hauchdünne Wand ausgebildet und in der Vorderansicht auf eine schmale Linie reduziert, empfindet man als Betrachter diese extreme Formulierung des "Gefährdetseins" aufgrund der eigenen Leiblichkeit. Eine wichtige Anregung für die Thematik der "Inneren Linien" erhielt Leo Kornbrust Ende der 1960er Jahre durch ein Gespräch mit einem japanischen Künstlerkollegen über japanische Kampfsportarten. Fasziniert von der Schilderung, wie die Haltung der Kämpfer darauf ausgerichtet ist, die Körpermitte zu schützen, war der Keim für die Idee einer Übersetzung dieser gefährdeten vertikalen Mittelachse in die Sprache der Bildhauerei gelegt.
Die "Inneren Linien" haben im Laufe der Zeit hinsichtlich der Form und Wahl des Materials sowie des Verhältnisses von Skulptur und Sockel eine Entwicklung durchlaufen. Aus dem Grundriss eines ursprünglich lang gezogenen Sechsecks wurde die Grundfläche der "Inneren Linie" zu einer schmalen, nicht mehr von Kanten unterbrochenen Form reduziert. Anstelle des Marmors, mit seiner ihm eigenen Materialästhetik, trat der dunkle Granit. Den Prozess des Herausschälens aus dem Gesteinsblock unterstrich nun der Sockel, der in seinen Maßen die Form des Rohblocks bewahrte. Bei den neueren Arbeiten - meist aus Basaltlava und ohne Sockel - wird der Stand durch den schwingenden Verlauf der Skulptur ausbalanciert. Der Bewegtheit der Form entspricht die unebene Oberflächenbehandlung. Daneben sind einige stelenförmige "Innere Linien" entstanden, die dem Betrachter durch die in sich emporstrebende, fließende Drehung der einzelnen Flächen und konturierenden Kanten einen Eindruck von Wachstum und Veränderung vermitteln. Vor allem hier offenbart sich die Einordnung der "Inneren Linien" in den "Vegetativen Bereich".
Ebenfalls seit Anfang der 1970er Jahre entstehen die so genannten Schrift-Skulpturen. Gleichberechtigt nebeneinander arbeitend, haben Leo Kornbrust und Felicitas Frischmuth in ihrer langen Lebensgemeinschaft auch auf künstlerischer Ebene eine Form der Synthese gefunden, in dem sie in ihren Schriftsäulen, den Stäben und Würfeln, Skulptur und Poesie, Stein und Schrift vereinen. Die Skulptur, die für einen Ort geschaffen und von materieller Substanz ist, verbindet sich mit der Lyrik, die eine imaginäre Welt eröffnet. Sie treffen sich in einem Punkt, den Felicitas Frischmuth so definiert: "Wörter sind für mich Räume. Das ist ein Punkt, wo wir uns begegnen."
Mit einer eher unauffälligen Arbeit, die während eines Symposions entstand, wurde der Grundstein für die weitere Zusammenarbeit gelegt. Lag der Schwerpunkt zunächst noch stärker auf dem Aufbau der Skulptur, war der Text noch in den Stein eingemeißelt, wodurch diesem der Charakter einer Inschrift anhaftete, verschiebt sich bereits seit Mitte der 1970er Jahre die Gewichtung zugunsten des Textes und der Schrift. Formal zeigt sich dies in der Reduzierung der Skulptur auf eine schlichte, geometrische Grundform, im Sinne eines Schriftträgers, und die Umsetzung der Handschrift Leo Kornbrusts mittels der Methode des Sandstrahlens oder bei kleineren Arbeiten mittels Vidia-Griffel auf den polierten Stein. Zum Verhältnis von Skulptur und Text schreibt Felicitas Frischmuth: "Die Wörter stehen im Zusammenhang mit der Größe, Höhe, Dicke, Farbe, dem Material des Steinkörpers, und mit dem Ort, für den er bestimmt ist."
Viele seiner Arbeiten aus den einzelnen Bereichen befinden sich im öffentlichen Raum. Leo Kornbrust, der an der Münchner Akademie der Bildenden Künste eine Professur für Bildhauerei in Verbindung mit Architektur inne hatte, zeichnet sich dadurch aus, dass er ein Gefühl für die jeweilige städtebauliche Situation besitzt, ein instinktives Gespür für das Zusammenspiel von Raum, Architektur und Skulptur. So sind Kunstwerke entstanden, die durch Maß und Proportion, durch ihre Platzierung und durch ihr Material Bezüge zum Umfeld herstellen und sich so in ihrer selbstverständlichen Präsenz behaupten.
Katja Hanus
Redaktion: Katja Hanus
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