Harald Hullmann
Mit dem Geburtsjahr 1946 gehört Harald Hullmann zur 68er-Generation. Sein konfliktfreudiger Kommunikationscharakter passt in das Mentalitätenschema dieser Generation ebenso wie die Mitbegründung einer der ersten Wohngemeinschaften in Krefeld im Jahre 1970. Die Wohngemeinschaft Haus Rath (in einer ehemals herrschaftlichen Wasserburg aus dem Mittelalter) wurde hauptsächlich von Studierenden der Krefelder Werkkunstschule gegründet.
Nach einer 1966 in Paderborn abgeschlossenen Glasmalerlehre studierte Hullmann 1968 in Krefeld im ersten Semester Architektur, ab dem zweiten Semester Produktdesign. Das Studium begann für ihn gleich mit einem Streiksemester gegen die Umwandlung der städtischen Werkkunstschule in eine landeshoheitliche Fachhochschule. Nach dem Streik protestierte man innerhalb der Schule gegen die klassisch-modernen Lehrmethoden.
Mit dem Habitus des Studenten und des Gestalters ließ sich zugleich – ohne direkt politisch tätig zu sein – relativ leicht eine Politisierung des Privaten im Alltag verbinden, die damals mit dem Schlagwort "alternativ" angedeutet wurde. Aus heutiger Sicht war das Leben in der Wohngemeinschaft – inklusive der vielen Zigaretten, die man damals rauchte (manchmal ein wenig Haschisch) – recht harmlos und bewegte sich eher auf der Ebene angestrengter Diskussionen über das "Kapital" (Karl Marx), die traditionelle "Zweierbeziehung" in der Ehe und Beziehungen zwischen Kunst und Leben. Geblieben ist aus dieser Zeit der Hang zur Reflexion, eine wichtige Voraussetzung für die Gestaltung des Alltags, die sich nicht auf Fragen der Ästhetisierung einschränken lassen will. Generationenspezifisch ist auch die Beeinflussung durch die aktuelle Pop-Art, die in den 1960er Jahren eine schillernde Reflexion des Alltags präsentierte. Wie die Pop-Art galt auch das Design in den damals populären neomarxistischen Theorien als unkritischer Kommentar zum Kapitalismus, weil in diesem System Gestaltung geradezu als Balsam wirke für die "Wunden, die der Kapitalismus schlägt" – so der Philosoph Wolfgang Fritz Haug in seiner "Kritik der Warenästhetik" von 1971 über das Design. Die Erfahrungen jener Zeit haben die gestalterische Haltung Hullmanns grundlegend geprägt. Sie wirken bis heute in einer gestalterisch mehrfach gebrochenen Reflexion des Alltags mit den Mitteln der Pop-Art.
Lehrjahre, 1973-80 Während des Studiums freundete sich Hullmann mit dem drei Jahre jüngeren Hardy Fischer an, der nach ein paar Semestern Architektur an der Technischen Universität Aachen 1970 ebenfalls das Studium des Produktdesigns in Krefeld begann. Im Bauturm Köln lernten sie in jener Zeit den Architekten Hanno Schimmel (geboren 1940) kennen, der in Wien an der Technischen Hochschule bei Professor Karl Schwanzer und im Umfeld der Pop-Architekturgruppen Haus Rucker & Co und Coop Himmelblau studiert hatte. Die drei jungen Designer-Architekten nahmen 1972 als "Dreistädter – Büro für Stadtgestaltung" am Wettbewerb zur Neugestaltung der U-Bahn in Bonn teil (Vorsitzender der Jury: Max Bill) und gewannen überraschend den ersten Preis. Der von der Pop-Architektur inspirierte Entwurf richtete sich bewusst gegen die in dieser Zeit gängige Mode, städtische Einrichtungen durch farbig differenzierte Gestaltungselemente zu einer abstrakten Einheit ohne Bezug zur örtlichen Situation zu verbinden. Stattdessen griffen Hullmann-Fischer-Schimmel in ihren Entwürfen architektonische und topographische Besonderheiten der einzelnen U-Bahnhöfe auf und paraphrasierten sie unter der Erde in den jeweiligen Stationen. Im Bahnhof am Parlament sollten die Sitzungen des Bundestags in den Wartebereich der Station projiziert werden; am Bahnhof Juridikum in der Nähe des Rheins hätte bei der Zugeinfahrt Wasser in kinetischen Objekten aufsprudeln sollen; den Bahnsteig der Station Schloss zierte im Entwurf ein ausladendes Deckengemälde, für den Boden war Kunstrasen vorgesehen, während die wartenden Fahrgäste der Musik von Vivaldi lauschten. Durch eine ungeschickte Präsentation der relativ unerfahrenen Designer-Architekten vor dem Rat der Stadt Bonn kam der prämierte Entwurf allerdings nicht zur Ausführung. Doch die grundlegende Gestaltungsauffassung von Harald Hullmann, Charakteristika der Pop-Architektur mit einer überspitzten Paraphrasierung von Alltäglichkeit zu verbinden, erhielt mit diesen Wettbewerbsentwürfen von 1972 eine maßgebliche Prägung.
Nach dem Abschluss des Studiums in Krefeld wechselten Hullmann und Fischer an die Hochschule für Bildende Künste Hamburg, um dort unter anderen Bedingungen das Studium des Produktdesigns fortzusetzen – damals sprach man übrigens von Industrial Design, um die industrielle Realisation des Entwurfs herauszustellen. Da die Hamburger Hochschule jedoch keine fachspezifischen Studieninhalte anbot, versuchten beide, ihre Vorstellungen aus der Architektur in das Design zu übertragen. Erschwerend kam hinzu, dass die Studentenschaft in Hamburg durch die Haug’sche Warenästhetik in einer Weise politisiert war, die eine gestalterische Diskussion kaum ermöglichte. Hullmann ist nach wie vor der Ansicht, dass im Kapitalismus die Gestaltung von Produkten nicht alleine von den Bedingungen des wirtschaftlich-politischen Systems bestimmt wird, obwohl diese Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle spielen. Während andere politisierten oder in die Wissenschaft abwanderten, arbeitete Hullmann weiter an der gestalterischen Umsetzung seiner eigenen Vorstellungen.
Die wichtigste Entwurfsarbeit jener Zeit bestand in der Gestaltung einer LKW-Fahrerkabine (zusammen mit Hardy Fischer und Ulrike Penkert), orientiert an der Ausschreibung des Bundespreises Gute Form 1976-77 zum Thema "Der Fahrerplatz im Kraftfahrzeug – Design für den mobilen Arbeitsplatz". Da die Fahrer in der LKW-Kabine nicht nur arbeiten, sondern auch wohnen, sollte der Kabinenraum nach den Vorstellungen der Entwerfer eine Synthese von Architektur und Design bilden und sowohl als Wohn- wie als Arbeitsraum genutzt werden. Sie stellten sich einen Arbeitsraum vor, der zusätzlich tapeziert ist und ausgestattet mit Polstermöbeln und Stehlampe. Diese Ideen entstanden nicht in weltfremden Spekulationen, sondern beruhten auf Gesprächen mit Fernfahrern, deren Arbeitssituation und Vorstellungen sie bei Fahrten hautnah kennen lernten.
Der zum Bundespreis eingereichte Entwurf erfüllte schließlich sogar die vorgesehene EG-Norm für Betten mit 70 cm Mindestbreite. Niemand in der Branche der LKW-Hersteller hatte diese Normerfüllung für möglich gehalten, ohne im Gegenzug den Lastraum zu verringern. Die Jury des Bundespreises "Gute Form" zeichnete die Lösung in der Kategorie der Entwürfe von Nachwuchsgestaltern zusammen mit drei anderen Einsendungen aus und schrieb in der Begründung dazu: "Von einer bemerkenswerten empirischen Untersuchung ausgehend, wurden gute gestalterische Ideen ausgearbeitet. Die Wohnelemente Betten, Schrank, Tisch sowie die Wasch- und Kochgelegenheit wurden gut in das Führerhaus integriert. (...) Die Arbeit ist konzeptionell ausgereift und stellt eine wertvolle gestalterische Lösung zum Problemkreis ‚Wohnen in der Fernfahrerkabine’ dar.“ Nach ihrer eigenen Einschätzung jedoch hatten die Preisträger eine hyperfunktionale Kabine im Sinne der damals gültigen Funktionalismus-Doktrin gestaltet und meinten gar, an ihren eigenen Vorstellungen einer Synthese von Architektur und Design im Sinne der Postmoderne gescheitert zu sein. Statt eines Wohnzimmers boten sie dem Fernfahrer breite Betten, einen kleinen Herd und einen Schrank für seine Kleidung, aber keine Gemütlichkeit. Sollten sie gerade deshalb den Bundespreis "Gute Form" gewonnen haben?
Unter den Mitgliedern der Jury des Bundespreises "Gute Form" befand sich mit Rodolfo Bonetto (1929–1991) ein in Italien sehr erfolgreicher und mehrfach mit dem begehrten Compasso d’Oro ausgezeichneter Designer. Im Anschluss an die Preisvergabe holte Bonetto den jungen Nachwuchsdesigner in sein Studio nach Mailand, wo er im Auftrag von Fiat einzelne Einrichtungsteile für die Modelle "Tipo Uno" und "Ritmo" entwarf. Ging Hullmann mit der Erwartung nach Mailand, das in der Bundesrepublik hoch gelobte italienische Design kennen zu lernen, orientierte man sich im Studio Bonetto jedoch umgekehrt an einem idealisierten "deutschen Design". Bonettos Vorstellungen vom Design in der Bundesrepublik waren wesentlich von der Hochschule für Gestaltung in Ulm geprägt worden, an der er von 1962 bis 1965 unterrichtet und dort auch den ersten Kurs für Automobil-Design geleitet hatte. Hullmann kam gewissermaßen vom Regen in die Traufe, auch wenn ihn Bonettos Leidenschaft für Design mit dessen Auffassungen versöhnte. Kurios ist, dass Hullmann in Italien auf Vorstellungen traf, die er während seines Studiums in Deutschland kritisiert hatte: eine Idealisierung des historischen Bauhauses, verbunden mit einer unreflektierten Rezeption in der aktuellen Produktgestaltung. Der Gewinn seiner Zeit in Italien bestand daher nicht in der besseren Kenntnis des italienischen Designs, sondern in der Reflexion der eigenen gestalterischen Positionen.
Kunstflug 1981-89 Nach der Rückkehr aus Italien gründeten Hullmann und Fischer um 1980 zusammen mit zwei ehemaligen Kommilitonen aus der Krefelder Wohngemeinschafts- und Studienzeit die Designgruppe "Kunstflug". Charly Hüskes war ebenfalls einer der Mitbegründer der ehemaligen gemeinsamen Wohngemeinschaft in Haus Rath, und Heiko Bartels lebte während seines Krefelder Studiums in einer benachbarten Wohngemeinschaft.
Die Zusammenarbeit begann kurz vor 1980 in einer ehemaligen Bäckerei in Haan bei Düsseldorf, in der Bartels sein Büro eingerichtet hatte. Bei den ersten Treffen entstanden drei verschiedene Modelle einer Leuchtengruppe aus natürlich belassenen, mit einem metallischen Hammerschlaglack überzogenen jungen Baumstämmen, die mit Leuchtstoffröhren in verschiedenen Formen (mehrere Stäbe oder ein kreisrunder Ring) ein grelles Licht ausstrahlten. Hier wirkte alles störend: das wahrhaft ungemütliche Licht der Leuchtstoffröhren, der krumme Baumstamm und der technische Hammerschlaglack. Hullmann betont heute, es sei in diesen Entwürfen vor allem um das Ausloten der eigenen Möglichkeiten gegangen und nicht darum, die Konsumenten durch das grelle Licht und die Kollegen durch den Hammerschlaglack zu provozieren. Aber die damalige Wirkung war ausgesprochen provozierend, und dies gilt auch für die weiteren gemeinsamen Arbeiten der Gruppe "Kunstflug" in den frühen 1980er Jahren. Ausdrücklich wollte man "schamverletzend" sein.
Die Gründungsdaten der Gruppe sind nicht mehr auf den Tag genau zu rekonstruieren, jedenfalls bezogen die vier Kunstflieger (Charly Hüskes schied 1990 aus) 1980 ein Büro in der Nähe des Flughafens Düsseldorf-Lohhausen, wodurch ein Teil des Gruppennamens "Kunstflug" hinreichend erklärt wird. Der andere Namensteil richtet sich gegen die im professionellen Industrial Design damals vorherrschende Abgrenzung gegenüber der Kunst im Design. Kunst und Design, diese schwierige Liaison, wurde in der frühen Moderne am Ende des 19. Jahrhunderts mit der Gründung der Kunstgewerbeschulen institutionalisiert, in der folgenden Zeit jedoch geriet die künstlerische Seite allmählich zugunsten technisch-rationaler Überlegungen ins Hintertreffen. Die Nennung der Kunst im eigenen Namen besaß somit einen programmatischen Charakter, der gegenüber dem Sachlichen auch das "Unsachliche" einbeziehen wollte. Dazu gehörte auch die sogenannte Kleinserie in eigener Produktion, die gegenüber der industriellen Produktion die eigenverantwortliche Autorisierung in ähnlicher Weise bewahrt wie in der Kunst. Diese Design-Auffassung verstand sich als "Autoren-Design" und grenzte sich in der beabsichtigten quantitativen Begrenztheit der Serie und ihrer Eigenverantwortlichkeit von der Auftragsarbeit eines Designers für eine Firma ab.
1982 wurde in der Krefelder Möbelgalerie Schulte eine erste Ausstellung mit Möbeln von der Gruppe Kunstflug unter dem Titel "Neues Deutsches Design" gezeigt. Hier kam als weiteres Element das "Deutsche" hinzu – oder eher ein reflexiver Bezug auf das, was man sich darunter vorstellen könnte: Wald und Bäume, grob und ehrlich vielleicht? Anlässlich dieser Ausstellung in Krefeld entstand der Begriff "Neues Deutsches Design", der später für alle Strömungen des Neuen Designs in der Bundesrepublik verwendet werden sollte.
Eine wichtige Positionsbestimmung und eine temporäre Schau der Gegenwart des Neuen Deutschen Designs bot die Ausstellung "Wohnen von Sinnen", 1986 im Kunstmuseum Düsseldorf, in der Arbeiten der Gruppe Kunstflug umfassend vertreten waren. Exemplarisch für den Beitrag Hullmanns zu den ansonsten meist im Team entstanden Arbeiten ist der sogenannte Bauernstuhl. Einerseits bedienen die auf den ersten Blick nur grob behauenen Äste das Klischee eines einfachen mittelalterlichen Pfostenstuhls und assoziieren somit ein agraisches Lebensumfeld; anderseits wirkt die Applikation aus Blattgold an der vorderen Sitzfläche befremdlich bis ironisch – Heimatgefühl und Distanz werden in gleicher Weise angesprochen. Solche mehrfach konterkarierend eingesetzten Brechungen sind ein wichtiges Stilelement der internationalen postmodernen Architektur wie sie damals insbesondere von den amerikanischen Architekturtheoretikern Charles Jencks und Robert Venturi proklamiert wurden. Nichts ist wahr, jede Form erzählt eine zum Zeichen geronnene Geschichte, deren Klischee konterkariert werden muss. Eine unendlich gespiegelte und verfremdete Formenwelt bildet in unvorhersehbaren und niemals abschließenden Variationen ein großes Labyrinth gestalterischer Möglichkeiten!
In dem Text "Kunstflug über Ulm und anderswo2, der 1985/86 in der Zeitschrift Kunstforum International erschien, lassen sich die programmatischen Gedanken der Gruppe Kunstflug für das Design in der Mitte der 1980er Jahre im Kontext der damaligen Auseinandersetzungen um "Moderne" und "Postmoderne" nachlesen.
Mitte der 1980er Jahre war abzusehen, dass sich viele gestalterische Fragen von der Hardware in den Bereich der Software verlagern würden. Auch die Gruppe Kunstflug setzte sich nun zunehmend mit digitalen Geräten und der damit verbundenen Interface-Problematik auseinander.
Für eine weitere umfassende Ausstellung zum Design der 1980er Jahre – "Design heute" im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt/Main –, entwarf die Gruppe einen Handrechner, der die Möglichkeiten, aber auch die weitreichenden Auswirkungen der digitalen Revolution schlagartig verdeutlicht. Der virtuelle Handrechner arbeitet mit implantierten Sensoren, die von den Fingerkuppen das Ergebnis direkt an das Gehirn weiterleiten. In der Frankfurter Ausstellung zeigte ein Monitor zwei Hände, die mit kaum merklichen Bewegungen die Rechenoperationen durchführten, dazu murmelte eine Stimme: "...374 Mark 59 plus 1,49 plus ... 14 % gleich ...". Das Video wie auch die technische Zeichnung der Hände mit den Sensoren-Implantaten beziehen sich auf die Dominanz der Technik, während ein etwas später entstandener Text von Kunstflug die Miniaturisierung und Gegenstandslosigkeit der Dinge durch den Einsatz von Elektronik thematisiert: "Das Design teilt sich nicht mehr über das Medium der sichtbaren Formen oder in Volumen mit. Die technischen Teile sind auf mikroskopische Größe geschrumpft; sie gehen buchstäblich unter die Haut. ... Die Funktion hat keine Funktion mehr. Das Design ist gegenstandslos."
1987 erhielt die Gruppe den Staatspreis für Design und Innovationen des Landes Nordrhein-Westfalen für den Entwurf eines Informations- und Fahrkartenautomaten. Aus heutiger Sicht erscheint die vorgestellte Lösung eigenartig hybrid, eine zeittypische Mischung aus ästhetischer Raffinesse und direkter persönlicher Kommunikation in der Interface-Gestaltung. Zur Kategorie der Erinnerungsgestaltungen gehört die seitliche Ablage aus massivem Holz, in der Hullmann und seine Kollegen dem Tchibo-Kaffeetisch ihrer Jugendzeit ein Denkmal setzten. Auch das bogenartige "Fahrkarten"-Schild lebt von der Erinnerung an architektonische Bögen wie an flatternde Wimpel. Andererseits vermittelt der Flachbildschirm – damals nur schwer herstellbar – in der Projektion eines leibhaftigen Auskunftsbeamten eine verblüffende Art der elektronischen Kommunikation, die sich von der heute üblichen Ikonisierung der Interface-Anleitungen deutlich abhebt. Tatsächlich erscheint hier noch nicht einmal ein Avatar, vielmehr sollte "eine direkte Sicht- und Sprechverbindung zu einem Auskunftsbeamten" hergestellt werden: "Beispielsweise kann er mit seinem Finger direkt auf die Oberfläche deuten; mit anderen Worten, er kann seinen Kunden an die Hand nehmen." Zwar könnte man sofort einwenden, dass damit doch kein Personal eingespart werde, weil wie am Schalter (Service-Center) eine 1:1-Beziehung zwischen Kunde und Operator besteht. Der Vorteil der vorgeschlagenen Lösung liegt denn auch eher darin, dass die Bedienungshilfe direkt am Bahnsteig oder an anderen Stellen im Bahnhof in Anspruch genommen werden kann und steht somit als Beispiel dafür, dass Technik zur Erleichterung des Lebens beiträgt, ohne Personal auszusondern oder die Kommunikation zu entmenschlichen.
Die Gruppe Kunstflug entwickelte nur relativ wenige Produkte für Massenproduktion und Industrieunternehmen. Dazu zählen u. a. Entwürfe für die italienische Firma Alessi mit Alessandro Mendini (100 % Make up), Gläser für die deutsche Firma Ritzenhoff, 1985 für Ascom und das z. Zt. realisierte Design für Rolltreppen von ThyssenKrupp (siehe Referenzen). Einen weitaus größeren Stellenwert nahm in den 1990er Jahren die Gestaltung von Ausstellungen ein. Gerade in der Ausstellungsgestaltung können sich die Potentiale postmoderner Reflexion zu emotional und zugleich distanziert gestalteten Beobachtungen verdichten. Nach den Vorstellungen der Gruppe Kunstflug soll eine Ausstellung den Besucher begeistern. Davon getragen kann er in der Geschwindigkeit des Spaziergängers Informationen aufnehmen und zugleich eine reflexive Distanz zu den gezeigten Objekten aufbauen. Ebenso wichtig ist für die Gruppe Kunstflug die Vorstellung eines vielschichtigen Publikums: Kinder, neugierige Laien und professionelle Kenner. Gerade die Vielschichtigkeit des Publikums und dessen Rezeptionen sowie die Vielfalt der ausgestellten Gegenstände eröffnen ein weites Feld gestalterischer Reflexionen.
All diese Momente kamen in der bemerkenswerten Gestaltung einer Türdrücker-Ausstellung zur Geltung. Schon das Thema ist ungewöhnlich. Das Projekt der Ausstellung geht zurück auf ein Buch des Autors zur Geschichte dieses Alltagsgegenstandes, den man meist als Türklinke bezeichnet. Das Buchprojekt wiederum entstand innerhalb einer Reihe von Publikationen des westfälischen Beschlägeherstellers FSB in Brakel zur Kultur des Türbeschlages und seines Umfeldes, sehr engagiert betrieben von dem damaligen Geschäftsführer Jürgen W. Braun. Mit einem sehr knappen Budget entwickelten die Kunstflieger anhand der Kapitel des Türdrücker-Buches ein spannendes Konzept: Die eigentlichen Ausstellungsobjekte verbargen sich hinter einer Folge unterschiedslos weißer Türen – so wie die Erfahrungen des Lebens erst hinter der Fassade eines immer gleichen Alltags hervorgeholt werden müssen. Jede Tür öffnete sich zu einer kleinen Kabine mit jeweils einem Kapitel aus der Geschichte zeittypischer Griffgestaltungen: Die schön geschwungenen Jugendstil-Klinken von Olbrich und van de Velde, die Gropius-Klinke, der Wittgenstein-Griff, der Handgriff von Wilhelm Braun-Feldweg, kurz: gezeigt wurden Beschläge von Aalto bis Wagenfeld. Die 1993 zuerst im Deutschen Schloss- und Beschlägemuseum in Velbert und anschließend im Frankfurter Architekturmuseum gezeigte Ausstellung kann als Höhepunkt der inszenierten Ausstellungsgestaltungen von Kunstflug gesehen werden und war in Deutschland maßgeblich für diese Art der inszenierten Präsentation.
In den 1990er Jahren verlor die Zusammenarbeit der Kunstflieger untereinander an Intensität, da jeder eine eigene Professur übernahm. Harald Hullmann wurde 1989 an die neu gegründete Hochschule der Bildenden Künste Saar berufen, Heiko Bartels ging nach Weimar und Hardy Fischer nach Kassel.
Landschaftsgestaltung 1989 bis heute in Zusammenarbeit mit Jörg Gimmler In diesen Jahren begann eine intensive Zusammenarbeit mit Jörg Gimmler (geboren 1963). Gimmler stammt aus Weiskirchen im Saarland, studierte in Saarbrücken Design und ging anschließend nach Frankfurt/Main. Mit ihm zusammen hat Hullmann bis heute alle wesentlichen Entwürfe bearbeitet.
Das Büro Hullmann-Gimmler entwickelte zwei Gestaltungsschwerpunkte. Einmal werden Ausstellungen gestaltet und realisiert. Bedingt durch Gimmlers Interesse für Pflanzen konzentrierte sich die Arbeit zum anderen auf die Gestaltung von Landschaftsräumen.
Exemplarisch für das Konzept der Ausstellungsgestaltung ist die seit 2004 mittlerweile über 6 Jahre bestehende Ausstellung "Neue Heimat" im Kurhaus Cloef Atrium in Orscholz. Im Text zur Ausstellung heißt es: "Jeder Themenschwerpunkt ist in sich geschlossen. Die Besucher können "spazieren gehend" die Ausstellung erleben. Besteht ein weitergehendes Interesse, so kann man tiefer einsteigen; umgekehrt können Motive gar nicht beachtet werden, ohne dass der Faden der Ausstellung verloren geht. In der Ausstellung werden sich die Bewohner des Raumes "Saar-Lor-Lux" wieder finden. Es wird ihre Ausstellung werden.
Der Begriff "Heimat" wird im Sinne der Filme von Edgar Reitz verwendet. Geschichten werden exemplarisch erzählt, Perspektiven exemplarisch entwickelt; die grenzüberschreitenden Verknüpfungen dieses Raumes werden verdeutlicht. Neben der Geschichte, in der natürlich der Heilige Quirinus eine wichtige Figur ist, werden als Themen behandelt: die vormals gemeinsame Sprache, Literatur, Essen und Trinken, Feste, Sitten und Gebräuche, Geologie, Flora und Fauna, aber auch Grenzen und Kriege. In der Geschichte des "Blinden Königs" z. B. "schneiden" sich Historie, Architekturgeschichte und neuere Zeitgeschichte im europäischen Raum. Die Vergangenheit soll immer in ihrer Perspektive zur Zukunft gezeigt werden. Mit den einzelnen Themen werden auch Orte und Sehenswürdigkeiten der unmittelbaren Umgebung so behandelt werden, dass Besucher Lust haben, diese zu besuchen.“
Charakteristisch für Ausstellungen von Hullmann-Gimmler ist die Vielschichtigkeit. Es werden Kinder und professionelle Laien gleichermaßen angesprochen. Ein Schrank mit verschiedenen Schubfächern informiert über die Tiere der Region. Je weiter z. B. das Fach mit den Fröschen aufgezogen wird, desto lauter quaken die Frösche. In den "Bergen" werden Geschichten zur Region erzählt und in einem Raum leuchtet ein Kronleuchter aus 200 Tassen der ortsansässigen Firma Villeroy&Boch. So beinhalten die Ausstellungen eine Vielzahl von visuellen und akustischen Überraschungen.
2010 ist die Ausstellung "Geologie der Region" in Reden/Saarland eröffnet worden. Steine auszustellen ist eigentlich ein eher trockenes Thema. Aber durch die starke Reduzierung auf eine geringe Anzahl von Steinen, die aber eine hohe Qualität haben und z. B. Pflanzenabdrücke sehr deutlich zeigen, ist in Zusammenarbeit mit den Kuratoren der Biodokumentation des Saarlands eine Dauerausstellung entstanden, in der Steine das Interesse von Kindern wecken, aber auch das von professionellen Laien, von denen es – bedingt durch die Bergwerkstradition im Saarland – viele gibt.
In der Landschaftsgestaltung werden Erfahrungen und Prägungen aus dem Wettbewerb zur U-Bahn Bonn von 1972 deutlich, wenn Dinge des Alltags wie in der Pop-Architektur bildlich transferiert und damit bedeutsam gemacht werden. So pflanzte die isländische Künstlerin Loaren Nisdam, Reykjavík/Wien im Rahmen eines Stadtgestaltungskonzeptes (Team Hullmann, Gimmler, Detzler) eine riesengroße Blume zwischen die vasenförmigen Kühltürme von Völklingen.
Mit den Entwürfen zu den Halden des Saarlandes haben Hullmann-Gimmler seit 1999 verschiedene Beiträge über die weitere Nutzung der Kunstberge zur Diskussion gestellt.
Im Rahmen der Umgestaltung des Saarkohlewaldes entwickelten sich neue Vorstellungen zur Gestaltung von Halden und Schlammweihern. Intention war immer, dass die Geschichte der Halden nicht verschüttet wird und neue Perspektiven entwickelt werden. Dafür stehen exemplarisch zwei Halden. Grundsätzlich ist es gelungen, dass die Deutsche Steinkohle AG im Saarland nur in Ausnahmen die Halden begrünt und sie in der gebirgigen Landschaft des Saarlandes verschwinden lässt. Jetzt bleiben die Halden sichtbar als künstliche schwarze Hügel, die erst in Jahrzehnten mit Grün bedeckt sein werden.
Die Halde Lydia (Camphausen) mit ihren "Himmelsspiegeln": Am obersten Punkt der Halde betritt man ein riesiges schwarzes Plateau. In die Fläche eingearbeitet sind drei Senken mit einem Durchmesser von 40 m, in denen sich Regenwasser sammelt, so dass der Himmel darin gespiegelt erscheint. Das Plateau der Halde Lydia mit ihren Himmelsspiegeln ist sehr stimmungsvoll. Man ist von der Umgebung abgeschnitten, sieht nur die Schwärze der Fläche und den gespiegelten Himmel.
Die Halde Grülingstraße ist geprägt durch Erosionsrinnen sowie durch den sehr steilen Aufstieg, der einen beeindruckenden Landschaftsblick bietet. In den Aufstieg sind von Hullmann-Gimmler 14 Stufen mit Texten von Elfriede Jelinek eingearbeitet worden. Der Besucher steigt somit lesend zur Spitze der Halde.
Die betextete Landschaft als eine Form der Transformation von Landschaft findet sich wieder im Projekt des "Blauen Bandes" aus dem Jahre 2010. In Zusammenarbeit mit der französischen Künstlerin Valérie Hendrich-Krämer sind Textfragmente aus Gedichten von Johannes Kühn in Spiegelschrift oberhalb der Wasserfläche der Saar montiert worden. Vom alten Treidelweg aus, heute ein Fahrradweg, sind die Texte zu lesen. Sie sollen aufgrund ihrer Vieldeutigkeit beim Leser nachklingen. Das Textfragment "Hohe Stille" sei, wie die Gestalter betonen, nur zufällig in der Höhe des Parlaments montiert worden.
Derzeit arbeiten Hullmann-Gimmler an weiteren Projekten zur Integration von schriftlichen Passagen in die Landschaft. So möchte die Stadt Krefeld die Besucher des Landschaftsschutzgebietes Hülser Bruch informieren, ohne dass Schilder aufgestellt werden. Da im Saarland die Folgen des demographischen Wandels ganz offensichtlich sind, stellt sich zunehmend die Frage, welche Auswirkungen dieser Wandel auf die Gestaltung von Dörfern und Landschaften haben kann. Das Büro Hullmann-Gimmler wurde 2009 vom Umweltministerium des Saarlandes und von der Gemeinde Nalbach beauftragt, am Beispiel des Ortsteils Piesbach der Gemeinde Nalbach darzustellen, welche konkreten Maßnahmen in diesem Zusammenhang entwickelt werden können.
Ausgehend von den Konsequenzen, die sich aus dem demographischen Wandel besonders im ländlichen Raum ergeben, sollen unter dem Begriff "des vitalen Dorfes" einerseits Maßnahmen zur Stärkung des Heimatgefühls (soziologisch: emotionale Ortsbezogenheit) initiiert und andererseits funktionale Verbesserungen vorgeschlagen werden. Dazu werden einzelne Räume und Raumelemente gestalterisch und funktional verstärkt und besonders kommuniziert. Nach intensiven Gesprächen mit den Bewohnern sind neben der Gestaltung des Kirchbergs als ein identitätsstiftender Ortsmittelpunkt eine verbesserte Internetdarstellung und Maßnahmen wie "Du darfst" (öffentliche Toilette), das "Piesbacher Kissen" und das "Hotel Piesbach" vorgeschlagen worden. Die Maßnahmen werden 2010 und 2011 umgesetzt.
Lehre an der HBKsaar, 1989-2012 1989 übernahm Harald Hullmann eine Professur für Produkt- und System-Design an der neu gegründeten Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarbrücken. Im gleichen Jahr wurde er von der Landesregierung des Saarlandes zum Gründungsprorektor ernannt (Gründungsrektor Prof. Jo Enzweiler). 1995 übernahm er als stellvertretender Direktor des Instituts für aktuelle Kunst im Saarland in Saarlouis (An-Institut der Hochschule der bildenden Künste Saar) eine weitere öffentliche Funktion. Entsprechend der Grundidee des Vorsitzenden der Gründungskommission der HBKsaar, Lucius Burckhardt, ist es die Aufgabe der Hochschule und der Studierenden, an gesellschaftlich ungelösten Aufgaben zu arbeiten. Die Ergebnisse können nicht anders als vielfältig und auch widersprüchlich ausfallen. Dennoch werden bei allen Widersprüchlichkeiten in den Arbeiten thematische Schwerpunkte sichtbar.
Das Interesse an der Gestaltung von Fahrzeugen, speziell an der Gestaltung des Autos, ist bei männlichen Studierenden sehr groß. Kritische Aspekte werden gesehen, sie trüben aber kaum die Begeisterung für das Automobil.Hullmann zögerte lange Zeit, das Thema "Auto" zu bearbeiten, obwohl er 1978/79 selber für Fiat entworfen hatte. Autodesigner sind eine eigene Gruppe, zu der man meist nur über ein spezialisiertes Hochschulstudium Zutritt erhält. Das Engagement und Fachwissen von Lutz Pankow, heute Professor an der HFBK Hamburg, und der Hintergrund, dass das Saarland in der Bundesrepublik zu den großen Teilezulieferern für die Autoindustrie gehört, veranlasste ihn, seit 2003 Entwurfsprojekte zu diesem Thema anzubieten. Autodesign ist heute ein regionales Thema. Damit wird erreicht, dass die HBKsaar eine qualifizierte Ausbildung anbietet.
Die Kompetenz des Saarlandes als Zulieferer für die Autoindustrie und die Vermittlung dieser saarländischen Kompetenz über das Saarland hinaus wird unterstützt und es werden attraktive und zeitgemäße Entwurfsprojekte in Zusammenarbeit mit Projektpartnern durchführt.
Nach zwei Jahren konnte eine erste Bilanz gezogen werden. Aus dem ersten Projekt entstanden in Zusammenarbeit mit dem Institut Forgis GmbH, Saarbrücken, verschiedene Fahrzeuge im Maßstab 1:4. In einem zweiten Projekt erarbeiteten Studenten in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen DaimlerChrysler, Stuttgart, Konzeptionen zu dem Zukunfts-Thema "Alt sein und Auto fahren".
Im Frühjahr 2005 haben die Studenten Tobias Wohlfahrt, Tilman Hauck, Robert Engelmann und Matthias Hahnen mit Unterstützung von Jochen Boes, Lutz Pankow und Harald Hullmann das bisher spektakulärste Projekt realisiert, nämlich ein Auto im Maßstab 1:1. Ein vom Institut Forgis bereitgestelltes Chassis eines Smart Roadsters bildete den Anfang. Im Vordergrund stand das Einbeziehen technisch innovativer Entwicklungen bei der Entwicklung überzeugender formaler Designlösungen am 1:1 Modell. Das 1:1 Modell wurde im Oktober 2005 vorgestellt.
Seit mehreren Jahren veranstaltet die Hochschule in unregelmäßigen Abständen Workshops mit dem sperrigen Untertitel "nicht akademische Gestaltungstraditionen". Für den ersten Workshop wurde der Friseurmeister A. Koblenz eingeladen, der in der Eingangshalle der Hochschule für eine Woche einen Salon einrichtete. Angelika Schäfer, eine renommierte Hutmacherin aus Düsseldorf, leitete den zweiten Workshop mit dem Thema "tragbare Hüte" und im Rahmen des dritten Workshops entstand ein Wettbewerb für Spazierstöcke mit dem Unternehmensgestalter Dietrich Heiss und dem Stockmachermeister Wolfgang Geyer, Lindewerra. Die Workshops des Saarbrücker Kollegen Andreas Brandolini in der Glashütte Meisenthal gehen in die gleiche Richtung. Im Zentrum steht die Suche nach Gestaltungstraditionen, die im akademischen Designstudium normalerweise übersehen werden, die aber befruchtend wirken und den Blick auf die beruflichen Perspektiven der Studierenden erweitern.
Das Projekt "Teddybär" verbindet das Handwerk mit neuen Materialien. Frank Grenzel, Moers, produziert Teddybären unter der Marke "Bärenwelten". In Zusammenarbeit mit der Deutschen Textilforschungsanstalt Krefeld produziert er seit einigen Jahren Kuschelbären, in deren Felle Cyclodextrine eingelagert sind. Diese speichern Duftstoffe, die bei Berührung freigesetzt werden. Cyclodextrine bestehen aus Zuckermolekülen, sie sind absolut ungefährlich und vollständig biologisch abbaubar. Für diese neue Idee, die Frank Grenzel mit der Deutschen Textilforschungsanstalt Krefeld weiterentwickelt hat, suchte er neue Bären-Designs, die er von den Studierenden bekam.
Aus der Bandbreite vom handwerklich geprägten Entwurf bis zum High-Tech- Entwurf werden Fragestellungen für die Studierenden entwickelt. So ist es für Hullmann durchaus normal, dass Studierende, die aus dem Handwerk kommen, nach dem Studium auf einem höheren qualitativen Niveau wieder im Handwerk arbeiten oder, wie die ehemalige Studentin Nicola Stattmann, daraus gänzlich Neues entwickeln: Aus der Diplomarbeit von Nicola Stattmann ist das viel beachtete Buch "Handbuch Material Technologie" entstanden.
Seit den 1980er Jahren beschäftigt sich die Gruppe Kunstflug mit den Auswirkungen der Elektronik auf die Gestaltung. Fragen dieser Art sind auch in verschiedene Projekte mit Studierenden eingeflossen. Bernhard Kleebeck beispielsweise konzipierte 1994 im Rahmen seines Studiums an der HBKsaar für die Firma Hydac AG (Sulzbach) ein Messgerät, bei dem das Gehäuse vollständig als Display ausgearbeitet ist.
2004 hat eine Gruppe von Informatikern und Studierenden der Saarbrücker Hochschule zusammen mit Prof. Butz und Dr. Schmitz vom Fachbereich Informatik der Universität des Saarlandes Prototypen für neue Steuerungsgeräte entwickelt.
Die Elektronik hat die Designausbildung in den letzten Jahren stark verändert. Der Entwurf am Computer ist heute die Regel. Versuche, die Studierenden mit der Handhabung von Zeichenmaschinen die historische und sinnliche Erfahrung des großen Blatt-Formates zusätzlich zum Arbeiten an einem Bildschirm nahe zu bringen, waren für Hullmann nicht erfolgreich. Die logische Folge des Entwerfens am Bildschirm ist das Denken in digital gesteuerten Fertigungstechniken. So gehören technisches Wissen über CNC-Fräsen, über Wasser- und Laserschneiden und über die Technologien des Rapid Prototyping für ihn zum selbstverständlichen Repertoire der Studierenden. Wenn früher geometrische Körper favorisiert wurden, weil diese aus Blech an der Kantbank besonders ökonomisch hergestellt werden konnten, so sind heute frei verformte Oberflächen, die sich in der traditionellen technischen Zeichnung nur schwer darstellen lassen, gang und gäbe in der Designausbildung.
Nahm früher das Schleifen und Spachteln von Modellen einen nicht unbeträchtlichen Teil der Studienzeit in der Werkstatt ein, werden heute statt dessen digitale Daten von der CNC-Fräse erfasst und in ein 3-D-Modell umgesetzt. Bereits seit 1993 besitzt die HBKsaar eine CNC-Fräse, seit 2008 einen 3-D-Drucker, seit 2010 einen Laserschneider. Damit haben sich nicht nur der Modellbau und die Darstellung von Produkten verändert, sondern, und das ist der eigentliche Paradigmenwechsel, das formale Repertoire ist um die so genannten Freiformen erweitert worden.
Unter "Produkten" versteht Hullmann im Produkt-Design neben den industriell gefertigten Produkten auch den 3-dimensionalen Raum. Die Grenze zwischen traditionellem Produkt-Design und Innenraumgestaltung ist für Hullmann fließend geworden.
Mit dem Projekt "Umbau des Hotels Bard" konnte gezeigt werden, dass auch in kleinen Hotels, intelligente und attraktive Lösungen zum Thema "Tourismus im Saarland" entstehen können, ohne die verblassende Pracht der Hotels des 19. Jahrhunderts fortführen zu wollen.
Beim Hotel Bard (Theley) wurden Szenen des Alltags von den Studierenden ausgewählt, geringfügig verändert und dadurch in ihrer Wirkung verstärkt. Alles, was zu sehen ist, kennt man aus dem Alltag. Es ist eigentlich nichts Besonderes zu sehen, aber durch die besondere Aufmerksamkeit der Reisenden nehmen diese die Details wahr, wählen aus den verschiedenen Zimmern den Raum, der ihrem augenblicklichen Selbstverständnis entspricht.
Im Hotel Bard wurden im Sommer 1996 neun Gästezimmer umgebaut. Auf Anregung der Unternehmensgestaltung Dietrich Heiss haben die Studierenden Christine Kaufmann, Ralf Eiling und Christof Bühler die Planung und Realisierung des Umbaus auf der Grundlage des vorhandenen Unternehmenskonzepts begonnen. Jedes Gästezimmer im Hotel Bard ist anders. Die Gäste entscheiden an der Rezeption, welcher Raum am besten zu ihnen passt: – Galeria – Künstler und Künstlerinnen der Hochschule der Bildenden Künste Saar stellen ihre Werke aus; – St. Wendalin – eine Klosterzelle, um sich auf sich und auf die Welt zu besinnen; – Office – bietet ein Büro, um den Tag aufzuarbeiten; – Flora – hier kann sich der Gast an Blumen erfreuen; – Ex Libris – man kann wieder ein "gutes Buch" in die Hand nehmen; – Amour fou – Raum für Romanzen in allen Lebensaltern; – Le petit prince – 14 qm Romantik mit Blick zu den Sternen; – Virtuell – eine Wand wird zum Ausblick in andere Welten; – Anno 1978 – nur keine Änderungen: das "Original-Hotel-Bard-Zimmer2 vor dem Umbau.
Gäste, die noch nicht das ganze Hotel kennen, glauben, dass alle Zimmer so sind wie ihres. Die Gäste des Zimmers "Flora" meinen, dass alle Zimmer vor Blumen überquellen, und die Gäste in "Ex Libris" wollen gerne wissen, welche Bücher es in anderen Bücherzimmern zum Lesen gibt. Da jeder Gast glaubt, dass alle Zimmer des Hotels seinem ähnlich sind, haben die neun Gäste einer Nacht neun verschiedene Hotels in ihrem Kopf.
Lehre an der CAFA in Beijing, seit 2009 In den letzten Jahren hat sich der Blick für kulturelle Differenzen geschärft. Seit Studierende auch in China ihr Praktikum ableisten, geht der Blick nicht nur nach Italien, sondern auch nach Asien.
2004 organisierte Hullmann eine erste Exkursion mit Studierenden nach Beijing und besuchte Designbüros und Designschulen. Dieser zunächst oberflächliche Blick weckte das Interesse für eine andere Kultur und führte zur intensiven Zusammenarbeit mit der Central Academy of Fine Arts (CAFA) in Beijing. Für das Studienjahr 2009/2010 stand zum besseren Verständnis der asiatischen Kulturen ein Programm mit vier Veranstaltungen im Vordergrund. – Auf Einladung der CAFA in Beijing lehrte Hullmann von März bis Mai 2009 an dieser Hochschule. Während dieser Zeit schrieb er ein Tagebuch und versandte seine Erfahrungen wöchentlich an alle Studierenden der Studienrichtung Produkt Design. – Im Wintersemester bearbeitete er zusammen mit dem Designer Achim Lang, der 5 Jahre in Japan gearbeitet hatte, und mit dem japanischen Unternehmen JVC ein Entwurfsprojekt zur Zukunft des Camcorders, an dem sich 18 Studierende beteiligten. – Anfang März 2010 veranstaltet er zusammen mit Gao Yung von der CAFA in Beijing ein Workshop zum Thema "Historische Möbel aus China aus Kunststoff?". – Und im August 2010 fand wieder eine Exkursion nach China statt. In dieser Zeit haben chinesische Studierende mit den Studierenden der HBKsaar gemeinsam im Rahmen eines Workshops zum Thema "Bambus" gearbeitet. – Auf Einladung der CAFA betreute Hullmann im August und September 2010 in Beijing zusammen mit Jörg Gimmler und chinesischen Kollegen unter der Leitung von Gao Yung eine Studentengruppe. Während dieser Zeit schrieb er wieder ein Tagebuch, das er wöchentlich an Studierende der HBKsaar verschickte. – Im Dezember 2010 wurde ein Kooperationsvertrag zwischen der CAFA und der HBKsaar unterzeichnet.
Wie wird die Realität des Studiums für Produkt-Designer in Zukunft aussehen? Für Studierende kann Virtuelles normal und alltäglich und das haptisch fassbare Objekt ein ungewöhnliches und faszinierendes Erlebnis werden.
Siegfried Gronert
Texte der Gruppe Kunstflug (Bartels-Fischer-Hullmann)
ausführliche Erwähnungen
Institut für aktuelle Kunst im Saarland, Archiv, Bestand: Hullmann, Harald (Dossier 609)
Redaktion: Claudia Maas
Privatpersonen | Schüler*innen, Studierende | Praxen, Kanzleien, gewerbliche Einrichtungen und Firmen | |
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je Kunstwerk | 50 € | 30 € | 80 € |
Für alle Entleiher gilt: