Edith Buch-Duttlinger (im Folgenden wird die Fotografin für die Zeit vor ihrer Heirat mit Otto Duttlinger Edith Buch genannt) verließ als Siebzehnjährige die Schule, um bei Otto Steinert ihr Fotografiestudium an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken aufzunehmen. Zuvor war sie kaum mit einer Kamera in Berührung gekommen. Sie folgte der Anregung ihrer Schwester, die meinte, dass Fotografin ein Beruf sei, der zu Edith Buch passe. (Keazor 2011, S. 12). 1950 begann ihr Studium bei Steinert, der in dieser Zeit Saarbrücken zu einem international beachteten Zentrum für Fotografie machte. Schon bald wurde Edith Buch seine Assistentin, und zwar genau in der Zeit, als Steinert an der Ausstellung "subjektive fotografie" arbeitete, die 1951 in Saarbrücken eröffnet werden sollte.
In dieser Funktion war Edith Buch tief in die organisatorischen Arbeiten für die legendäre Ausstellung eingebunden (Steinert 1951, Nr. 706-707). Sie selbst war mit zwei Exponaten, darunter ihr Motiv "Kinderbeine" in dieser Ausstellung vertreten. Ein Jahr danach erschien ein Bildband im Bonner Auer Verlag als Essenz der über 700 Exponate umfassenden Ausstellung, in dem "Kinderbeine" unter den 112 abgedruckten Fotografien zu finden ist. Der Kunsthistoriker Josef Adolf Schmoll gen. Eisenwerth, der für dieses Buch den Text "Objektive und subjektive Fotografie" schrieb, erwähnt die Arbeit im hier folgenden Zusammenhang: "Endlich muß dem Aufgeschlossensein des Gegenwartsmenschen für das Absurde im Realen ein Wort gewidmet sein. (…) So mehren sich die Aufnahmen von Tatbeständen des Skurrilen, Absurden, Irrealen, Visionären, von schmerzhafter Ironie und allen nur denkbaren Grenzsituationen." Nach der Aufzählung einiger Belege für diese Haltung schildert Schmoll "die rührend mageren Beine eines halbwüchsigen Mädchens" von Edith Buch und fragt daran anschließend: "– sind dies nicht alles symptomatische Einblicke in die Welt unserer Vorstellung, unseres Analysierens, unserer Wünsche, Ängste und Träume?". Der Autor kommt dann rasch zum Schluss und umreißt knapp die Essenz der neuen fotografischen Strömung: "Die subjektive Fotografie ist sich dieser Aufgabe bewußt. Persönlichkeitsbestimmtes Erfassen des Motivwesens und Erkenntnis der fotografischen Bildgesetzlichkeiten führen über den technischen, individuell gelenkten Werkvorgang zur Prägung selbständiger Bildgestalten." (Schmoll, in: Steinert 1952, S. 12) Das klingt sehr nach den Ausführungen des Bauhauskünstlers László Moholy-Nagy, auch der knappe Satzbau. (vgl. László Moholy-Nagy: Malerei Fotografie Film, Mainz (1927), 1978, ehem. Bd. 8 der Bauhausbücher, S. 6, 31) Aber es wird auch deutlich, dass der gesellschaftsverändernde Impetus der Bauhausliteratur verschwunden ist. Betont wird dagegen die individuelle Freiheit der Fotografen, die es mit der Technik in Einklang zu bringen gelte. Um diese dem Subjekt unterworfene Technik für selbständige Bildgestalten zu nutzen, verwendet auch Edith Buch häufig experimentelle Verfahren, wie die Kopier- und Sandwichmontage, den Negativabzug, oder auch die Belichtungen ohne Kamera (Fotogramm). Gleichermaßen verließ sie aber nie das Interesse an sachlichen Materialstudien, beispielsweise von Stoff, Glas, Metall. Bei aller darstellenden Präzision war ihr dabei immer auch der eigene Ausdruck der Dinge wichtig, z. B. in der Art wie die Materialen das Licht jeweils anders reflektieren.
Bildjournalismus oder Dokumentarfotografie im weiteren Sinne war Steinert in seinem eigenen Werk kaum von Bedeutung. In seinen Texten findet die Reportage jedoch kurze Erwähnung: "'Subjektive fotografie' wird von uns (...) als Rahmenbegriff verstanden, der alle Bereiche persönlichen Fotogestaltens - vom ungegenständlichen Fotogramm bis zur psychologisch vertieften und bildmäßig geformten Reportage - umfasst". (Steinert 1951, S. 5) Damit wird der Blick auf ein fotografisches Thema gerichtet, das für die Fotografie ab Mitte der 1950er Jahre das Größte werden wird: der Humanismus, der Mensch. Man denke an den großen Erfolg der Ausstellung "The family of Man", an Eugene Smith, Robert Frank, an Henri Cartier-Bresson und die Magnum-Fotografie. Edith Buchs Interesse an diesem Motivkreis bzw. dieser fotografischen Gattung erkennt man beispielsweise in einer Fotografie, die während eines Fastnachtsumzugs in Tübingen 1951 entstand. Statt ausgelassener Heiterkeit und schrillen Verkleidungen sieht man die ungeschminkten Gesichter einer Frau und eines Kindes, beide mit geöffnetem Mund. Falten graben sich in die Stirn der Frau. Verängstigt ist der Gesichtsausdruck des Kindes. Tatsächlich liegt der Grund für diese Stimmung wohl in der Befürchtung einer der tätlichen Übergriffe der Masken, die in der alemannischen Fastnacht zu erwarten sind. Dem Betrachter wird dieser Kontext vorenthalten. Keine dieser Masken ist zu sehen. Das Bild vermittelt eine unbestimmte Aussage. Es geht um Angst, um Sorgen im Allgemeinen. In diesem Bild wird jene psychologisch gerichtete Tiefe vermittelt, von der Otto Steinert spricht, aber auch die Einblicke in die Vorstellungswelten, die Schmoll fordert.
Noch während ihres Studiums begegnete Edith Buch im Jahr 1952 Man Ray, dem Surrealisten, der maßgeblich die Fotografie als künstlerisches Medium etablierte. Anlass war die Ausstellung "Surrealistische Malerei in Europa" im Saarlandmuseum. Man Ray reiste aus Paris an, um die Installation der Werke zu begleiten. Initiiert wurde diese Ausstellung von dem aus Saarbrücken stammenden Maler Edgar Jené. Es war die Zeit nach der Rückkehr Man Rays nach Europa bzw. Paris im März 1951. Der Amerikaner hatte die Stadt 1940 verlassen, war über Lissabon in die USA gegangen und hatte fortan in Hollywood gelebt.
Edith Buch wurde von Otto Steinert gebeten, dem Gast zu assistieren. Bei dieser Gelegenheit fotografierte sie Man Ray rauchend mit dem Katalog der besagten Ausstellung unter dem Arm. Für die Unterstützung bedankte sich Man Ray bei Edith Buch, als er ihr am 8. September 1952 eines seiner Originale mit Widmung und Dank per Post schickte: "Mannequin, Adieu foulard" aus dem Jahr 1938. Es ist die Darstellung der von Man Ray gestalteten Schaufensterpuppe aus der letzten Surrealisten-Ausstellung, die vor der deutschen Besatzung in Paris stattfand. Offenbar schlägt er auf diese Art eine biografische Brücke zu seiner Wiederankunft in Europa. Saarbrücken war Man Ray bereits als Ort der "subjektiven fotografie" bekannt, denn Otto Steinert stellte seine "Rayographien" 1951 in der ersten Ausstellung in großer Zahl aus. Die Eröffnung im Juli fand nur wenige Monate nach Man Rays Rückkehr im März des Jahres statt. Drei Jahre später spielte er wiederum eine wichtige Rolle in Saarbrücken als Mitglied des Ausstellungskomitees "subjektive fotografie 2".
Zwei Arbeiten bezeugen in besonderem Maße Edith Buchs Verbundenheit zum Surrealismus: "Maske und Glaskugel" von 1954/55 und "Puppenaugen", ein Bild, das noch in ihrer Studienzeit entstanden sein müsste. "Puppenaugen" hat sie von einem Diapositiv abgezogen, was in der Tonwertverkehrung einen vollkommen schwarzen Bildgrund zur Folge hat. Man erkennt die organischen Konturen der Büste einer Schneiderpuppe, die von hellen Spirallinien umhüllt ist. Die den Titel gebenden Puppenaugen leuchten hell auf. Die künstlichen Augäpfel sitzen in einer Metallfassung, von der ein Abzweig nach unten ein weiteres rundes "Ersatzteil" den Mund schematisch andeutet. Das Bild vermittelt den Eindruck eines künstlichen Wesens, das in sich unterschiedliche Qualitäten vorweist: Die Büste mit ihren sanften Grauabstufungen wirkt weicher als das grellweiße Spiralgeflecht – ein biegsamer Draht wurde hier vor die Büste montiert. Die Puppenaugen wurden an diesem Draht befestigt. Der Betrachter sieht sich einem Monster gegenüber, das weiche Körperlichkeit und grell leuchtende Technik so schroff und nah beieinander vorweist, dass man auf ähnliche Weise erschrickt, wie bei jeder als lebendig eingeschätzten Prothetik. Es handelt sich um die fotografische Erschaffung eines Körpers, die darin an Otto Steinerts Fotogramm-Montage einer Gliederpuppe in dem Bild "Strenges Ballett" erinnert, die ihre fotografische "Schöpfung" der Überblendung heller Lichtstreifen, aus einer Bewegungsaufnahme stammend, verdankt. Steinert bezog sich auf das "Triadische Ballett" von Oskar Schlemmer und auf virtuelle Volumina, von denen László Moholy-Nagy sprach. (S. Thilo Koenig: Otto Steinerts Konzept "subjektive fotografie". München 1988, S. 186ff)
Hell leuchtende Metallringe waren es auch, mit denen Fritz Lang in seinem Film "Metropolis" 1927 die Erschaffung der "Maschinenfrau" visualisierte. Während es hier planvoll verlaufende Kreise sind, die das Skelett der künstlichen Schöpfung umfahren, ist es bei Steinert die Skelettfigur selbst, die, in Rotation versetzt, einen Körper bildet. Bei Edith Buch imaginieren die chaotisch verlaufenden hellen Schwünge des Drahtes das Hervortreten eines Körpers hinter den grell leuchtenden Linien. Gerade aber die Tatsache, dass Edith Buch Kontakt zu Man Ray hatte und dieser ihr das Bild einer von ihm gestalteten Schaufensterpuppe schenkte, legt nahe einen Blick auf das Verhältnis von Puppe und Schöpfung im Surrealismus zu werfen. Wenn Man Ray seinem Mannequin künstliche Tränen in die Augenwinkel setzt, spielt er mit demselben Reiz, den weinende Spielzeugpuppen auslösen: Einen kurzen Moment der Verunsicherung über Leben oder Leblosigkeit de Puppe. Diese ist aber nichts anderes als ein Mischwesen, einerseits in einer Manufaktur vorgefertigt, andererseits Schöpfung des Künstlers. Man Ray formuliert 1966 im Rückblick auf die Ausstellung der Mannequins 1938: "1938 wurden neunzehn nackte junge Frauen aus den Schaufenstern der Kaufhäuser entführt und der Raserei der Surrealisten ausgesetzt, die es unverzüglich für ihre Pflicht hielten sie zu vergewaltigen (…)." (Pia Müller-Tamm und Katherina Sykora (Hg.): Puppen, Körper, Automaten, Phantasmen der Moderne. Ausstellungskatalog Kunstsammlungen Nordrhein-Westfalen, Köln 1999, S. 200-218, hier S. 214 und 240) Man Ray spricht 1966, als er Fotografien der Mannequins als Wiederauferstehung (resurrection) in einer Edition herausgab, auch davon, dass sie nun "das Licht der Welt erblicken" würden. Hier fallen also Begattungs-, Schöpfungs- und Geburtsfantasien mit dem fotografischen Akt in eins. In Edith Buchs Schneiderpuppe wird mit dem Titel "Puppenaugen" die Aufmerksamkeit auf die Augen gelenkt. Genau genommen sind es aber drei dieser runden Objekte - eins deutet auf den ersten Blick ein Mundwerkzeug an. Sie sind die technischen Elemente der monströsen Puppenerschaffung. Ihre Technizität und die Dreizahl der runden Gesichtsmerkmale mögen ein Hinweis auf eine speziell fotografische Schöpfung sein. Ist doch in der Fotografie spätestens seit Hans Finslers Aufsatz "Das dritte Auge" (1965) offenbar auch der Kamera ein erkennender und lebendiger Anteil der fotografischen Technik zugesprochen worden. (Hans Finsler: Neue Wege der Photographie. Basler Nachrichten, 25.11.1965, Nr. 501, S. 7)
In ihrem Bild "Maske mit Glaskugel" taucht möglicherweise dieselbe Schneiderpuppe – oder eine andere gleicher Machart – als "Maske" auf. Genau genommen handelt es sich nicht um eine gläserne Kugel, eher um einen ovalen Glaskörper, in dem das embryonenhafte, undifferenzierte Gesicht ohne Augen- oder Nasenöffnungen in glänzender Umgebung zu schwimmen scheint. Kreisförmig gebogene Spiegelungen des Studios (in der Schule für Kunst und Handwerk) werden mehrfach gebrochen - an der konvexen Außenfläche wie an der konkaven Innenseite, da der Glaskörper in Wirklichkeit vor der Büste steht und diese nicht etwa in ihm ist. Auch hier scheint der Puppenkörper in der Eiform mit einem fotografischen Schöpfungsmythos verwoben, denn in den Spiegelbildern erkennt man die Fotografin und die auf einem Stativ befestigte Kamera jeweils zweimal. Insofern ist es auch ein Atelierbild und ein Selbstbildnis, und es ist Ausdruck über das Werden, die Initiation der Fotografin Edith Buch. Die Puppenbüste füllt sich über die Reflexionen in dem gläsernen Ei mit Leben, dem Leben der Fotografin, und die auf ellipsenförmigen Bahnen erscheinenden Fenster des Atelierraumes entsprechen auch hier wieder jenen Bahnen, mit denen in Fritz Langs Metropolis die Maschinenfrau erschaffen wurde. Hier ist es die Fotografin mit ihrer technischen Ausrüstung. Aber auch das Ei ist in der Fotografiegeschichte immer wieder als Bild für das fotografische Auge verstanden worden. Man denke zum Beispiel an Man Rays Bildtitel "Trompe l’oeuf" oder an Edward Steichens "Triumph of the egg". (Louis Kaplan: Foto-Ei. In: Rainer K. Wick (Hg.): Das Neue Sehen. Von der Fotografie am Bauhaus zur Subjektiven Fotografie. München 1991, S.167-182, hier S. 167f.) Letzten Endes dürfen aber auch Hans Finslers Ei-Fotografien, die er in der Ausstellung "subjektive fotografie" 1951 zeigen konnte, als Beleg für die Kontinuität bzw. Aktualität der Motivgeschichte "Foto-Ei" gelten. Das gläserne reflektierende Material des Eis in Buchs Bild unterstützt die Assoziation mit dem Auge, da es - wie die Spiegelungen suggerieren – zu sehen vermag.
Für Edith Buch war es eine glückliche Fügung, dass Otto Steinert ihr 1953 als Thema ihrer Abschlussarbeit die fotografische Bauaufnahme der Saarbrücker Ludwigskirche vorschlug. Sie nahm das Thema an und wurde dabei von dem oben schon erwähnten Kunsthistoriker Josef Adolf Schmoll gen. Eisenwerth begleitet. Die Ludwigskirche ist das wertvollste Gebäude, das während des barocken Umbaus der Stadt durch Friedrich Joachim Stengel inmitten einer von mehreren Adelspalais umgebenen Platzanlage entstand. Sie wurde von 1762 bis 1774 errichtet, unter Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken begonnen und unter dessen Sohn, dem schließlich namengebenden Fürsten Ludwig von Nassau-Saarbrücken vollendet. In der Nacht vom 5. auf den 6. Oktober 1944 wurden ihr Dach und das Innere bei einem Bombenangriff zerstört. Bereits 1946 beschloss man die Wiederherstellung des historischen Juwels. Im Jahr darauf feierte man Richtfest. Edith Buchs "Fotografische Bauaufnahme" entstand ein Jahr nach dem zu einer heftigen Kontroverse führenden Gutachten von Otto Bartning, demzufolge der Innenraum der Kirche nicht im Barockstil Stengels, sondern modern wiederhergestellt werden sollte. 1959 sollte der Saarbrücker Architekt Rudolf Krüger einen Wettbewerb für eine "moderne" Lösung gewinnen, mit deren Ausführung im selben Jahr begonnen wurde. Nach heftigen Protesten wurde in den 1960er Jahren die Krügersche "Moderne" rückgebaut und der barocke Innenraum Stengels nach historischen Fotografien realisiert. Edith Buch fotografierte den Bau bevor man zum kontrovers diskutierten Innenausbau schritt. Ihre Aufnahmen erinnern zum Beispiel an Albert Renger-Patzschs Fotografie der Dresdner Hofkirche von 1928 - ein Bild, das Steinert übrigens 1958 für das Saarlandmuseum erwarb. Obwohl sich die Fotografin nicht vor steilen Blickwinkeln scheut, sind ihre Aufnahmen von großer Sachlichkeit. Ein Beispiel hierfür ist die senkrecht ins Innere des rekonstruierten Daches gesehene Aufnahme: Man blickt in die neu eingebaute Stahlkonstruktion und auf die Bretterverschalung des Schieferdaches. In einem anderen Bild verdeutlicht sie die ausgewogenen Proportionen des Barockbaus in seiner rhythmischen Abstufung mittels einer diagonal verlaufenden Bildteilung. Es spricht für die Offenheit der Fotografin und auch für die Offenheit von Steinerts Ausbildungskonzept, dass der dokumentarfotografische Aspekt keineswegs zugunsten einer allein künstlerischen Auffassung von Fotografie vernachlässigt wurde. Für Edith Buch war es eine besondere Bestätigung ihrer Arbeit, dass sie die Großformatnegativplatten schließlich dem Staatlichen Konservatoramt verkaufen konnte. Dort werden sie bis heute pfleglich aufbewahrt.
Im September 1953 geht Edith Buch nach Paris. Zunächst erhält sie ein Stipendium des französischen Staates. In Paris entstehen Bilder, wie etwa das der von einem Tribünengerüst verstellten Kathedrale "Notre Dame". Die Sicht durch das Gerüst fragmentiert die Kirchenansicht in eine Vielzahl von Einzelbildern. Die innere architektonische Struktur des Gerüsts wird vor die äußere Haut der Kirchenfassade, das Innere vor das Äußere, gestellt. Damit wird die mittelalterliche Kathedrale über die Darstellung des neuen Gerüstes mit dem Bauen als Prinzip einer konstruktivistischen Moderne in Verbindung gebracht. Auch ihr Interesse an versteckten Schauplätzen der Großstadt bleibt ihr in Paris erhalten. In einem Werkstatthof entdeckt Edith Buch – an das Gerüst vor Notre Dame erinnernd – eine Wand, die gänzlich von Leitern verstellt wird. Auch hier werden Strukturen vor das Äußere eines Raumkörpers gestellt. Neben diesen Bildern mit starken formalen Akzenten, findet sie in Paris immer wieder ihre Motive in den Straßen der Stadt, z.B. Clochards an der Porte de Clignancourt.
Edith Buchs Sicht auf Paris erinnert gelegentlich an das, was Walter Benjamin an den Aufnahmen Eugène Atgets (1857-1927) schätzte, und dies fasst Peter Wollen folgendermaßen zusammen: "Atget appellierte an seine (Benjamins, R.A.) tiefsitzende Nostalgie und Melancholie, seinen Kult des flâneur, seine Liebe zu Paris, seine Forderung, nicht wegzuschauen, seine Neigung für das Erstaunliche inmitten des Banalen." (zit. nach Hubertus von Amelunxen: Theorie der Fotografie IV 180-1995. München 2000, S. 210-222, hier S. 214f) Berühmtheit genießen Atgets Schaufenster mit skurrilen Durchsichten und Spiegelungen. Seine Fotografie galt dem Verkäuflichen, und sein Dokumentarstil wandelt die alltägliche und bekannte in eine fremde Welt. Geradezu eine Hommage an Eugène Atget, dessen Rezeption die surrealistische Fotografie beeinflusste, stellt Buchs Aufnahme "Le pont traversé" aus dem Jahr 1954 dar. Im Schaufenster der gleichnamigen Buchhandlung spiegelt sich das Pariser Stadtbild, während der Name der Stadt als Text in einer Vielzahl von Stadtplänen und Reiseführern auftaucht, die links unter der Hausnummer "6" zum Verkauf präsentiert werden. Auf der gegenüber liegenden Seite des Türrahmens werden Reproduktionen von surrealistischen Gemälden angeboten. Man erkennt oben Joan Mirós "Peinture, dite femmes, lune, étoile" aus dem Jahr 1949 und weiter unten Salvador Dalís Gemälde "Weiche Konstruktion mit gekochten Bohnen" von 1936. Buchs "Le pont traversé" fungiert als "musée imaginaire". Daher verwundert es kaum, dass in diesem Bild auf eine Ausstellung verwiesen wird: Auf dem Plakat an der Türscheibe wirbt man für eine Ausstellung von Edith Buch, die in der dargestellten Buchhandlung stattfindet. Plakatmotiv ist das Bild "Doris", eine unkonventionell aufgenommene High-Key-Aufnahme vom Hinterkopf der Schwester der Fotografin.
Edith Buch macht 1959 in Paris Aufnahmen von dem in Deutschland geborenen Surrealisten Max Ernst. Sie fotografiert ihn in seiner Wohnung in der Rue Mathurin-Régnier, wo der Künstler neben seiner Plastik "La Parisienne" zu sehen ist. Ganz dem surrealistischen Interesse am Absurden und der Paradoxie verpflichtet, verschmilzt der Schatten des angewinkelten Künstlerbeins mit dem Schatten des "Oberkörpers" der Plastik. Zu seiner Rechten bildet ein flirrend helles Lichtgebilde einen surrealistischen Akzent, indem diese zufällige Erscheinung fotografisch wahrgenommen wird und wie eine Lichtskulptur als Pendant zu den festen Körpern im Bild aufscheint.
1962 kehrt Edith Buch von Paris nach Saarbrücken zurück und arbeitet fortan als Produktfotografin bei den Schneider-Werken in St. Ingbert. 1965 hört sie damit auf und verändert ihre berufliche Ausrichtung grundlegend. Sie beginnt ein Studium der Sozialarbeit in Saarbrücken. In diesem Beruf arbeitet sie bis 1993. Ihre fotografischen Arbeiten spielen im Zuge der historischen Aufarbeitung der "subjektiven fotografie" nach Otto Steinerts Tod 1978 und dessen Bedeutung für die Fotografiegeschichte immer wieder eine wichtige Rolle. Edith Buch-Duttlinger hat dem Saarlandmuseum inzwischen in drei äußerst großzügigen Schenkungen 2005, 2010 und 2012 insgesamt über siebzig Arbeiten überlassen.
Roland Augustin, 2019
Veröffentlichte Fotografien in zeitgenössischen Publikationen (Auswahl)
Redaktion: Oranna Dimmig
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