Die künstlerische Sprache von Julia Baur ist vielseitig. Sie fotografiert, sie malt, sie zeichnet. Und doch verbinden sich ihre unterschiedlichen Kunstwerke zu einem stimmigen Ganzen, ein roter Faden führt von einer Schaffensperiode zur nächsten, eines fügt sich zum anderen.
Julia Baur stammt aus Stuttgart. Sie lernte zuerst den Beruf der Erzieherin, entschied sich dann aber doch zu einem Kunststudium, zu Beginn für zwei Jahre an der Freien Kunstakademie in Nürtingen, im Herbst 1992 wechselte sie an die Hochschule der Bildenden Künste Saar, wo sie bis 1997 bei Prof. Bodo Baumgarten und Prof. Christina Kubisch studierte und sich hauptsächlich der Malerei widmete. Noch vor ihrem Diplom wurde sie Mutter, und zu dieser Zeit beschäftigte sie sich in ihrer künstlerischen Arbeit, bevorzugt im Medium der Schwarzweißfotografie, intensiv mit dem weiblichen Körper in Bewegung. Das Flüchtige, das Nicht-Festhalten-Können wurde zu ihrem Motiv. Julia Baur nutzte die technischen Mittel der Fotokamera, um mit Langzeitbelichtung Bewegungsspuren sichtbar zu machen, die dem menschlichen Auge sonst verborgen bleiben. Wie man in der Fotografie Begegnung von 2001 sieht, steht nicht das genaue, wiedererkennbare Porträt im Mittelpunkt dieser Werke, sondern der Ausdruck, der Moment. Es sind zeitlose Schwarzweißfotografien von einer großen Anmut. Sie zeigte sie im Jahr 2002 als großformatige Abzüge im Museum St. Wendel in der Ausstellung "Human Landscape", gemeinsam mit Werken von Klaudia Stoll und Jacqueline Wachall.
Schon diese Ausstellung belegt, dass Julia Baur gerne mit anderen Kunstschaffenden kooperiert. Nach dem Studium unterhielt sie mit zwei Malerinnen ein gemeinsames Atelier in Siersburg, veranstaltete Ausstellungen und Tage des offenen Ateliers. Seit 2011 hat die Künstlerin Julia Baur ihr Atelier im KuBa, im Kulturzentrum am Eurobahnhof in Saarbrücken. Dieses Atelier ist ihr sehr wichtig. Denn hier kann sie sich einerseits auf ihre Malerei konzentrieren und steht andererseits in engem Kontakt zu den anderen Kunstschaffenden an diesem Ort, die sie zum Teil noch aus Studientagen kennt. Obwohl der Austausch mit den anderen Atelierinhabern eng ist, findet sie doch zu ihrer ganz eigenen künstlerischen Handschrift.
Bereits in ihrem Atelier in Siersburg entdeckte Julia Baur Blumenstoffe für sich, integrierte sie in ihre Kunst. Dabei hat es sie gereizt, diese eigentlich schon gestalteten Stoffe aufzunehmen, zu verändern, sie in ihren Gemälden zu verarbeiten, sodass die Stoffe mit den dargestellten Motiven eine Symbiose eingehen. Diese Vorgehensweise findet sich in ihrem Werk immer wieder, bis heute können sich die unterschiedlichen Ebenen in ihren Gemälden durchwirken. Die ursprünglichen Blumenmuster der Stoffe werden dabei zum märchenhaften Bildraum oder zur Bekleidung der Figuren, wie in dem Gemälde Blumenoase 1 aus dem Jahr 2010. Manchmal mutieren die Ornamente zu Tätowierungen auf der nackten Haut der Figuren, wie in Badekappe. Die Stoffe geben dabei die Motive und die Farbigkeit der Gemälde vor. Das farbenprächtige Spiel der Ornamente, mal über dem Motiv liegend, mal als Bekleidungsstück passend integriert, verleiht den Gemälden einen leichten und duftigen Charakter. Es ist eine sehr weibliche Kunst.
Diese noch unbemalten Blumenstoffe finden in der Fotoserie women`s hair aus dem Jahr 2015 eine neue Verwendung. Hier bilden sie den Hintergrund der farbigen Fotografien von Frauen unterschiedlichen Alters, die allesamt ebenfalls gemusterte Bekleidung tragen. In dieser Bildfolge steht die Bewegung wieder im Mittelpunkt der Darstellung, denn Julia Baur hält den Moment fest, wenn die Gesichter der Frauen von ihren Haaren verdeckt werden. So werden aus den Fotografien Porträts ohne Gesicht. Die Fotos zeigen eine Ambivalenz – die Lust am Präsentieren, aber auch die Verweigerung dieser Selbstdarstellung. Die gemusterte Kleidung der Frauen und der bunte Stoff im Hintergrund bilden dabei einen unbestimmten Raum mit starker Farbwirkung. Das Zusammenspiel von Farbe, Muster und Bewegung ergibt ein malerisches Gesamtbild jeder Frau. Diese Fotoserie stellt eine Symbiose aus den Gemälden mit Blumenstoffen und den früheren Schwarzweißfotografien her.
Kurz danach entstehen wieder ruhigere Fotografien, wie Tattoo aus dem Jahr 2016. Nun verbindet Julia Baur über die Fotografie, hier wieder in Schwarzweiß, die Blumenstoffe und projiziert Fotos von verwelkten Pflanzen auf die Körper der abgebildeten Frauen, so dass sie einer Tätowierung gleichen. Die Kombinationen von Frauen, Stoffen und Blumen setzt sie mal fotografisch, mal malerisch, mal ruhig und mal bewegt um. In ihrer Kunst baut das eine auf das andere auf. Diese Themen haben die Künstlerin lange begleitet. Und sie geben auch die nächste Schaffensphase vor.
Aus der Vorliebe für Muster, Stoffe und Blumen entwickelt Julia Baur das Motiv der verblühten Pflanzen. Zu Beginn zeigen diese Gemälde noch schöne, exotische Blumen, deren Formen sie in den Gemälden nun zeichnerisch fortsetzt. Genau dieses Zeichnen von Blüten und pflanzlichen Bestandteilen fasziniert sie. Aus den prallen, aufgeblühten Blumen werden in den nächsten Werken verdorrte Pflanzen. Es reizt die Künstlerin, dass Blumen beim Verblühen ihre Formen verändern, sie länger, faseriger, weniger prall und üppig sind. Von diesem Motiv kommend hat sie in den letzten Jahren die morbide Schönheit von vertrockneten Pflanzen und Laub entdeckt. Als Hilfsmittel für ihre Gemälde und Zeichnungen fotografiert sie die verwelkten Blätter, die sie in der Natur gesammelt hat, und deren Gestalt sie anhand dieser Fotos auf Papier oder Leinwand überträgt. Denn das Handwerkliche ist der Künstlerin sehr wichtig, die Formen müssen stimmen. Das sieht erstmal sehr genau und akribisch aus, allerdings hält sich Julia Baur nicht genau an die Vorlagen, sondern interpretiert sie eigenständig weiter, vergrößert und verlängert sie, kombiniert sie. Die einzelnen Elemente der verwelkten Blätter, ursprünglich häufig von Feigen oder Amaryllis, deren verschlungene Linien, die eigenständigen Formfindungen, die sich daraus ergeben, scheinen zwar reale, vegetative Formen zu sein, aber es wird am Ende die Darstellung einer surrealen Pflanzenwelt. Gerade auch der Vanitas-Charakter dieser Motive, das Vergängliche, fasziniert die Künstlerin, die den knisternden, verwelkten, verdrehten, aufbauschenden Formen in den Zeichnungen einen skulpturalen Charakter verleiht.
Anfangs arbeitet sie diese gezeichneten, vertrockneten Pflanzengebilde in Gemälden ein, deren Untergründe häufig monochrom und malerisch gestaltet sind, wie in der Serie Was bleibt aus dem Jahr 2018. Die zarten Linien der Blätter heben sich dabei von dem hellen, oft gelb- bis orangefarbigen, durchscheinenden Untergrund stark ab. Dann werden aus den Leinwänden lange Papierbahnen, die direkt an der Wand befestigt sind, ohne Rahmen oder Staffelei, und ohne Gestaltung des Untergrundes, wie Was bleibt XXL I und II. Diese Werke haben einen sehr zeichnerischen Charakter, denn Julia Baur überträgt mit Graphitstift die stark vergrößerten Gegenstände.
Mittlerweile hat sie die unterschiedlichen Erscheinungsweisen von welkenden und trockenen Blüten, Blättern und Pflanzenteilen so verinnerlicht, dass sie dieses Repertoire ganz eigen zusammensetzen und kombinieren kann. Und weil diese Zeichnungen immer weiterwachsen, die eine pflanzliche Form eine andere hervorbringt, hat Julia Baur sogar die Wand ihres Ateliers gestaltet. Hier arbeitet sie an einer raumhohen Zeichnung, die sie direkt auf zwei Wände ihres Ateliers anbringt. Nicht nur, dass diese wundersamen Pflanzengebilde ineinander übergehen, aneinanderhängen und ineinander zu wachsen scheinen, die Zeichnung, die sie mit einem Graphitstift ausführt, wächst über Eck und greift nach immer mehr Wandfläche. Betrachter sehen erstmal natürliche Pflanzenformen, aber die große Zeichnung an der Wand des Ateliers der Künstlerin zeigt ebenfalls ganz eigenständige Formfindungen. Die Darstellung dieser übergroßen Formen, die an Feigenblätter, Zwiebeln, Rhizome, Lotusblütenstände oder Bohnenhülsen erinnern, scheint aber nur wirklichkeitsabbildend. Denn die Künstlerin löst hier die Realität auf, das Atelier wird zu einem wilden, fantastischen Garten. Diese “Hybride“, wie die Künstlerin ihre surrealen Pflanzen nennt, entstehen dabei ohne vorherige Entwürfe. Allein der Zeichenprozess bestimmt das Wachstum und Aussehen.
Daneben unternimmt Julia Baur auch immer wieder Ausflüge in die Malerei. So malt sie mehrere Gemälde mit weiten graublauen Meeresansichten und Winterhimmel, die neugierig auf das machen, was als Nächstes kommt. Julia Baurs Gemälde, Zeichnungen und Fotografien sind sehr ästhetisch, harmonisch, aber doch auch geheimnisvoll, tiefgründig.
Nicole Baronsky-Ottmann
Redaktion: Petra Wilhelmy
Alle Abbildungen: VG Bild-Kunst, Bonn
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