Am 10. November 2005 wurde der Fritz-Zolnhofer-Preis an eine Bildhauerin verliehen. In der Hüttenstadt Völklingen kam 1935 Inge Andler-Laurenz zur Welt, die durch ihre zeichnerische Begabung bereits während ihrer Schulzeit auf sich aufmerksam machte. 1951 ging sie nach Saarbrücken, um an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk zu studieren. Ihr Ziel war es, Modezeichnerin zu werden. Doch in Saarbrücken traf sie auf den Bildhauer Theo Siegle, in dessen Klasse sie die vielfältigen Möglichkeiten des Modellierens kennen lernte. "Nach der Berührung mit dem Material Ton", so sagt sie es selbst, "war meine Liebe zur Bildhauerei besiegelt".
Zunächst blieb sie bis 1957 in Saarbrücken. Einen ersten Erfolg hatte sie bereits im Jahre 1952 zu verzeichnen, als sie bei einem Plakatwettbewerb des Kultusministeriums den Ersten Preis und damit ein Reisestipendium nach Griechenland gewann. Ebenfalls als Stipendiatin dieses Ministeriums nahm sie 1956 an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst auf der Festung Hohensalzburg teil. Dort begegnete sie als ihrem Lehrer dem römischen Bildhauer Giacomo Manzù, der "ihre Fähigkeiten auf dem Gebiet der Plastik" erkannte und ihr eine persönliche Empfehlung für ein weiteres Auslandsstipendium mit auf den Weg gab.
Es folgten zwei Jahre an der Werkkunstschule in Düsseldorf im Bereich der Angewandten Malerei und Plastik sowie ein weiterer Aufenthalt in Salzburg, um sich eingehend mit der Lithografie zu beschäftigen. Mit dem Jahre 1960 begann dann ihr Weg einer freischaffenden Künstlerin. Eines ihrer bedeutenden Werke im öffentlichen Raum entstand in den Jahren 1979-81. Damals erbaute der Trierer Architekt Alois Peitz die St.-Monika-Kirche in Überherrn. Sie schuf das sechsflügelige Eingangsportal, das sich perfekt in die grundlegenden Kreisschwünge des Architekten einfügte. Auch in die Innenausstattung der Kirche war sie späterhin mit eingebunden. Die Figur der Madonna, das Taufbecken, der Tabernakel, die Leuchter und das Vortragekreuz entstammen ihrem Atelier.
Andere Werke im kirchlich-öffentlichen Raum finden sich in Völklingen mit ihrem Brunnen mit der Mutter-Kind-Figur im Pfarrgarten von St. Eligius und ihrer Turmfigur der St. Michaelskirche oder auch auf der Hermann-Röchling-Höhe mit ihrem als „Sonnengesang“ bezeichneten Relief in der Kirche St. Konrad. Von daher betrachtet ist es nahezu selbstverständlich dass die Gesellschaft für christliche Kunst zu München Inge Andler-Laurenz zu ihren Mitgliedern zählt. Doch es gibt auch noch eine andere Seite ihres Schaffens, die möglicherweise damit zusammenhängt, dass sie nicht nur in Völklingen geboren und aufgewachsen ist, sondern bis heute dort lebt und arbeitet. Diese Stadt der Eisenhütte hat wohl bewirkt, dass irgendwann in den frühen Jahren ihrer bildhauerischen Tätigkeit mit Ton und Gips als Arbeitsmaterial auch Eisen und Stahl hinzukamen. Wenn sie im Bezirk der Völklinger Hütte die so genannte "Metallurgische", d.h. den Schrottplatz aufsuchte, entstand in ihr der Wunsch, Stahl- oder Eisenstücke wieder mit anderen Teilstücken zu einer sinnvollen Gestalt zusammenzufügen.
Ein Problem bei aller künstlerischen Phantasie des Gestaltens blieb dabei das Praktisch-Handwerkliche des Aufbauens und Zusammensetzens. Kurzerhand fasste die Frau und Künstlerin Andler-Laurenz den Entschluss, regelmäßig die Lehrwerkstätten von Saarstahl in Völklingen zu besuchen und dort selbst das Schweißen zu erlernen. Hatte kurz zuvor eine Goldmedaille, die ihr 1984 in Metz für ihre Plastik "La Fuite - Die Flucht" verliehen worden war, ihre Meisterschaft als Bildhauerin bestätigt, so war sie jetzt wieder zu einer Lernenden geworden. Zwei ihrer raumgreifenden Werke aus zusammengeschweißten Eisenteilen, die danach entstanden, haben ihren Platz im öffentlichen Raum gefunden. Zum einen ist es im Foyer der Saarstahlverwaltung "Der Baum", zum anderen ist es vor dem Fraktionsgebäude des Saarländischen Landtages "Der Eisen-Mann"; stellvertretend für die Landschaft und die Werktätigen ihrer Heimat. Ihr Thema wurde es darzustellen, wie die Menschen in unserem Raum leben und arbeiten. Dabei erstellt sie keine fotorealistischen Tableaus. Sie vereinfacht vielmehr das Individuum zu einer allgemeingültigen Figur oder Gruppe, mit der sich jeder identifizieren, in die sich jeder integrieren kann. Diese Möglichkeit für den jeweiligen Betrachter zeigen etwa die begeisterten, fragenden oder auch zweifelnden Menschen ihrer Arbeit "Zusammenführung Europas durch den Euro", die 2000 auf der Landeskunstausstellung zu sehen war.
Diese Möglichkeit bezeugen die zwei miteinander redenden Menschen, die sie 2001 auf den Preisplaketten für den Mundart-Wettbewerb der Stadt Völklingen und des Saarländischen Rundfunks unter dem Stichwort "Schwätz kään Blech" dargestellt hat. Auch ihre Arbeit, die während eines Stipendienaufenthaltes auf Schloss Wiepersdorf entstanden ist, verdeutlicht dies; die Idee zu der Gruppenplastik kam ihr im Deutsch-Französischen Garten zu Saarbrücken, als sie dort spazierende Familien beobachtete. So gab sie dieser Arbeit den Namen "Familienfoto". Im Spätherbst 2004 war die Gruppe im Saarländischen Künstlerhaus auf der Jahresausstellung des BBK-Saar zu sehen. Eines ihrer grafischen Blätter verbildlicht sehr deutlich, dass sich Andler-Laurenz auch der Thematik des Bergbaues angenommen hat. Die Grafik trägt den Titel "Göttelborn", und zum Verständnis, zum Hintergrund dieses Blattes gehört es auch zu wissen, dass sie in diese Kohlengrube eingefahren ist und die Situation unter Tage vor Ort in sich aufgenommen hat.
Ihr jüngstes, sich auf den Bergbau beziehendes Werk steht seit September 2005 auf der Bergehalde der Grube Ensdorf. Auf eine Initiative des BBK-Saar hin wurde von rund 25 Künstlerinnen und Künstlern im begehbaren Bereich der Bergehalde ein Weg der Kunst eingerichtet. Als Bildhauerin war Andler-Laurenz mit einer "Dreiergruppe" dabei. Doch alsbald zeigte sich, dass es kaum einem der Beteiligten wirklich gelungen war, die Größe und Wuchtigkeit der Bergehalde mit seinem Kunstwerk zu bewältigen. Sie war meines Wissens die Einzige, die umgehend reagiert hat, indem sie ihre relativ kleine Gruppe entfernte und drei Einzelfiguren von 2 Meter großen Bergmännern an deren Stelle setzte.
So spannt sich im bisherigen Lebenswerk der Künstlerin vom Modell eines Eisenhüttenmannes aus dem Jahre 1970 bis zu den Bergleuten des Jahres 2005 ein großartiger Bogen ihrer Schaffenskraft, der den in der Schwerindustrie arbeitenden Menschen unseres Heimatlandes gewidmet ist. Die Bildhauerin Inge Andler-Laurenz ist - nach dem Grafiker Fritz Ludwig Schmidt und dem Maler Benno Breyer - eine in jeder Hinsicht würdige Trägerin des zum dritten Mal verliehenen Fritz-Zolnhofer-Preises der Stadt Sulzbach
Günter Scharwath
(Rede anlässlich der Verleihung des Fritz-Zolnhofer-Preises der Stadt Sulzbach)
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Redaktion: Claudia Maas
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