Leo Kornbrust
Kruzifix, 1959
Bronze
Katholische Pfarrkirche St. Andreas
Wallerfangen-Gisingen
Inschrift auf der Rückseite des Kreuzes:
"Der Corpus ist 1959 in Rom ent- / standen und auch dort gegossen. / Das Kreuz habe ich erst 1968 / gegossen für H. H. Dechanten / Nikolaus Schwinden / St. Wendel den / 5. März 1968 / Leo Kornbrust"
Zum Bronzekruzifix von Leo Kornbrust
Nach vielen Stationen hat das 1959 entstandene Bronzekruzifix nun an der Außenfassade der Katholischen Kirche im Wallerfanger Ortsteil Gisingen seinen Platz gefunden. Umgeben von einem Innenhof, der wie ein Kreuzgang anmutet, verwandelt das Kreuz mit dem leidenden Corpus Christi diesen kleinen Garten, diesen Ort der Stille, zu einem Raum der Andacht.
Geschaffen hat Leo Kornbrust dieses Kruzifix während seines Aufenthaltes in der Villa Massimo in Rom. Zu dieser Zeit hatte er die Münchner Akademie bereits seit zwei Jahren verlassen und war nun in einer Phase des Experimentierens, auf dem Weg, sich immer weiter vom prägenden Einfluss seines Lehrers zu lösen. Anfang der 1950er Jahre hatte sich Leo Kornbrust um Aufnahme in die Klasse von Toni Stadler, einem Hauptvertreter der "Münchner Archaik" beworben, um sich mit der menschlichen Figur auseinander zu setzen. Im Laufe des Studiums blieb die menschliche Figur das zentrale Thema, doch der reine Abbildcharakter trat mehr und mehr zurück, die Proportionen waren nicht mehr ausschließlich dem menschlichen Körper verhaftet, sondern begannen sich zu verselbstständigen.
Es wird vielen unbekannt sein, dass Leo Kornbrust sich mit religiösen Themen beschäftigt hat. Zwar bilden diese Arbeiten im Hinblick auf ihre Symbolhaftigkeit sicherlich eine Sonderstellung im Oeuvre, es sei jedoch erwähnt, dass Leo Kornbrust 1963 einen Kreuzweg entwarf, dessen Stationen entlang eines Fußweges in der Landschaft um Tholey aufgestellt werden sollten. Seine Idee war es, durch unterschiedliche Setzung von Sandsteinblöcken den Leidensweg Jesu Christi in eine einfache und zugleich eindringliche Formensprache umzusetzen. Bedauerlicherweise wurde dieses Projekt nicht realisiert, die Idee der Kreuzwegstationen im Sinne von Skulpturen, die in der Landschaft platziert und durch einen Weg miteinander verbunden sind, hat er in den 1970er Jahren wieder aufgegriffen, als Initiator der heutigen "Straße des Friedens".
Katja Hanus
Kleine Chronik zum bronzenen Kruzifix
Dieses Kruzifix ist 1959 in Rom entstanden. Nachdem ich gleich zu Anfang meines Aufenthaltes in der Villa Massimo Holz sammelte aus dem Park der Villa, begann ich mit diesem Holz zu arbeiten, und es entstand so allmählich ein Kruzifix daraus. Herr Gerike, der damalige Direktor der Villa, kam jeden Tag zu mir ins Atelier und schaute neugierig wie ich weitergearbeitet hatte. Ich steigerte mich in meiner Arbeit, sodass verschiedene Kollegen auch zu mir kamen, um zu sehen, wie es weitergeht. Klaus Arnold, ein Maler, ein Kollege, der auch in der Massimo weilte, sagte zu mir, das soll ich zu einem Architekten nach Heidelberg bringen. Der hatte gerade für die Heidelberger Universitätsklinik eine Kapelle gebaut. Ich fuhr von Rom mit dem Kruzifix unter dem Arm mit der Eisenbahn nach Heidelberg, gab es ab beim Architekten und fuhr zurück nach Rom.
Dieses Holzkruzifix nahm seinen Lauf zu vielen Irrwegen, aber hier will ich die Geschichte des Bronzekruzifixes weitererzählen. Dieses Holzkruzifix hatte ich vor dieser Reise nach Heidelberg in Ton abgeformt. Pinselte die Negativform mit Wachs aus und experimentierte weiter in dieser neuen Form in Wachs. Ich kannte einige Bronzegießereien; als ich meinte, jetzt ist der Moment zum Gießen gekommen, telefonierte ich mit einer dieser Gießereien. Dann kam ein Lehrling dieser Gießerei in die Villa Massimo mit dem Fahrrad, holte das in Wachs geformte Kruzifix ab, wickelte es in Zeitungen und schnallte es auf den Gepäckträger des Fahrrades. Ich dachte "O Gott bei dieser Hitze" - es war Sommer. Der Junge radelte los, ehe mir klar wurde, was passiert. Nach ein paar Wochen war der Guss fertigt. Ich fuhr zur Gießerei und betrachtete das Ergebnis und erschrak. Beim Transport verbog sich der Wachskörper und so wie der Junge damit ankam so wurde es von den Gießern eingeformt und gegossen. Ich wurde nur spöttisch belächelt als ich in der Gießerei ankam. Einer der Gießer sagte "So ist doch moderne Kunst, ist doch egal". Ich nahm eine Flex und schnitt den missglückten Korpus auseinander zum Erstaunen der Gießer, die "es wäre doch egal". Ich zeigte, wie ich das meinte, ich schweißte zusammen, schnitt wieder auseinander bis ich wieder eine neue lebendige Form vor mir hatte.
Meine Zeit in der Villa Massimo endete Ende Dezember 1959. Alle meine Arbeiten wurden fein säuberlich, auch fachmännisch verpackt und nach St. Wendel geschickt. Das Bronzekruzifix war bei uns an der Damra. Nach ein paar Jahren des Irrlaufens kam auch das Holzkruzifix wieder zurück. Als ich 1964 meine erste große Steinskulptur für die Abtei Tholey auf dem Schaumberg machte, entdeckte der damalige Prior des Klosters das Holzkreuz bei mir. Spontan sagte er: "Das Kreuz gehört in die Abtei". Es wurde angekauft und dort befindet sich das Kreuz heute noch im Andachtsraum der Mönche.
Mit dem Bronzekruzifix experimentierte ich weiter, weil der Corpus alleine noch keine richtige Form gefunden hatte. Mal war es ein Holzbrett, dann wieder ein Bronzekreuz, aber es stimmte nichts. Mit Dechand Schwinden der Pfarrei St. Wendalin waren wir gut befreundet. Er kam öfter raus an die Damra. Eines Tages entdeckte er das Bronzekruzifix bei mir. Er wollte es haben, lange Zeit war es bei ihm im Pfarrhaus. Wir - Fee und ich - waren auch öfters bei ihm im Pfarrhaus, konnten also das Kruzifix ohne Kreuz immer wieder sehen. Eines Tages sagte ich zu ihm: "Heute nehme ich das Kruzifix mit und werde ein Kreuz aus Wachs formen und an den Corpus anpassen." Das war 1968, manchmal dauert es etwas länger bis man seine eigene Form komplett sehen kann. In der Gießerei Luck in Saarbrücken, wo ich gleichzeitig das Wachsausschmelzverfahren den Gießern beibrachte, goss ich dann das Kreuz in Bronze und zwar in einem Stück, dann passte ich die beiden Formen aneinander und verschweißte beide miteinander. Auf der Rückseite des Kreuzes habe ich dann ein paar Wörter eingeschrieben. Man kann sie mühselig erkennen. Als Dechant Nikolaus Schwinden 1973 St. Wendel verließ und in seine Heimatgemeinde Habscheid bei Prüm zurückkehrte, nahm er das Kruzifix mit nach Habscheid. Kurz vor seinem Tod - das war am 5. Juni 1978 - vermachte er das Kruzifix seiner Nichte Anni Schwinden.
Die Jahre vergingen - ereignisreiche Jahre: das erste Bildhauersymposion in St. Wendel im Saarland, Straße des Friedens, Straße der Skulpturen, dann Berufung an den Lehrstuhl der Akademie München. Ich habe das Kruzifix aus meinem Gedächtnis verloren. Auch vergaß ich, dieses Kruzifix in einer Legende zum Holzkruzifix zu erwähnen, was ich sehr bedauere. Abt Makarius Hebler von der Abtei Tholey wollte auch eine Geschichte zu seinem Holzkruzifix in Tholey.
Im Jahre 2004 wurde ich von meinem Kollegen Gerd Winner in Liebenburg gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, im Kreuzgang des Domes zu Hildesheim eine Ausstellung zu machen. Darüber erschrak ich erst einmal: eine Ausstellung in diesem alten, ehrwürdigen Gemäuer, in dem schon der Heilige Bernward als Bischof residiert hatte, der Heilige Bernward, der auch Bildhauer und Bronzegießer war und dem meine Ehrerbietung und Verehrung auch als Bildhauer und Bronzegießer galt!
Immer wenn uns eine Reise in den Norden führte, streiften wir Hildesheim, um seine Bronzetüren und seine Säule und auch die St. Michaelkirche anzuschauen, die er erbaute. An diese Aufforderung musste ich mich erst gewöhnen. Gerd Winner sprach mir Mut zu und nach einiger Zeit der Verhandlungen mit Präses Dr. Kalesse sowie Weihbischof Koitz fasste ich Mut und Herz und sagt "Ja". Winner wollte unbedingt das Holzkreuz von Tholey in der Ausstellung haben. Da erst kam mir das Bronzekruzifix wieder in den Sinn. Nun, ich konnte mich daran erinnern, dass Dechant Schwinden dieses Kruzifix seiner Nichte Anni vermachte. Nun war die Frage, wie komme ich an dieses Kruzifix ran? Telefonnummer hatte ich vom Dechanten, ich probierte einfach mal und siehe da, Frau Anni Schwinden war dran. Es folgte ein langes Gespräch, sie konnte sich auch an uns erinnern. Wir vereinbarten einen Termin bei ihr und fuhren hin. Es war der 18. November 2004. Sie begrüßte uns und sagte, sie habe gerade das Kruzifix vom Speicher holen lassen und sauber gemacht. Wir redeten zusammen. Vom Ausleihen wollte sie nichts wissen, dann schlug ich vor, es zurückzukaufen. Dann sagte sie, da müsse erst ein Kunstexperte her, um den Wert zu schätzen. Wir fuhren wieder nach Hause. Ich schlug ihr einen Preis vor, damit war sie nicht einverstanden. Bei einem weiteren Besuch wollte ich es aber unbedingt mitnehmen, wir einigten uns dann auf einen Preis - und es war wieder bei mir. Den Preis habe ich vergessen.
Beim nächsten Besuch in Hildesheim wählten wir die Arbeiten aus, die in der Ausstellung sein sollten. Dr. Kalesse sagte: "Keine Haken, keine Nägel ins ehrwürdige Gemäuer!" Also musste ich überlegen, was man machen kann, weil Winner das Kruzifix unbedingt in der Ausstellung haben wollte. Ich machte Vorschlägen vieler Art bis endlich die heutige Version akzeptiert war, für mich persönlich ist es auch die beste Lösung bis heute, frei vor der Wand, frei im Raum. Die Ausstellung ist bis heute meine liebste, der Kreuzgang hat mich gut aufgenommen. Weihbischof Koitz sprach bei der Eröffnung der Ausstellung Zitate von Otto Freundlich, viele Freunde und Kollegen waren zugegen. Die Ausstellung war zeitgleich mit dem "Aschermittwoch der Künstler". Fee hatte am gleichen Abend in der Diözesanbibliothek eine Lesung, die auch ganz außerordentlich war. Alles in guter Erinnerung. Eröffnung der Ausstellung war am 30. Januar 2005, Aschermittwoch am 9. Februar 2005; 20.00 Uhr Empfang und Lesung mit Felicitas Frischmuth, es las Werner Galas, Schauspieler vom Theater Braunschweig. Die Ausstellungswerke kamen wieder im März 2005 zurück. Pfarrer und Superintendant Gerhard Koepke wollte das Kruzifix für die Osterzeit in der evangelischen Stadtkirche in St. Wendel. Dort war es zwei Jahre, dann wanderte es in die evangelische Kirche nach Leitersweiler. Pfarrer Karsch wollte es auch haben. Am 11. Juni 2007 holte ich es in Leitersweiler ab - ein Wiedersehen nach zwei Jahren. Sofort fiel mir der helle Holzstamm ins Auge, das musste geändert werden. Peter Steffeck, mein Schreiner, holte es in seine Werkstatt, machte den Holzstamm mit Beize dunkel, so ist es besser. Nun soll es nach Gisingen zu Pastor Ulrich Schäfer. Ein wahrhaft wanderndes Kreuz.
Leo Kornbrust, 2007
Bibliografie
Jo Enzweiler und Ulrich Schäfer (Hg.): Kunstort Katholische Pfarrkirche St. Andreas, Wallerfangen-Gisingen. Saarbrücken 2010, S. 22-27
Redaktion: Oranna Dimmig
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je Kunstwerk | 50 € | 30 € | 80 € |
Für alle Entleiher gilt: