Als der Kölner Aktionskünstler Gunter Demnig 1995 die ersten "Stolpersteine" im Griechenmarktviertel zu Köln und 1996 in Berlin-Kreuzberg verlegte (die damaligen Interventionen im öffentlichen Raum waren noch illegal), war nicht abzusehen, dass sein Projekt in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland und in vielen europäischen Nachbarstaaten aufgenommen werden, wachsen, sich als Bestandteil des Gedenkens an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verankern und als Ansatz zur Beschäftigung mit den Massenverbrechen jener Zeit dienen würde. Mit Hilfe eines kleinen Mitarbeiterstabes und einer nicht zu beziffernden Anzahl freiwilliger, ehrenamtlicher Helfer konnte Gunter Demnig am 29. Dezember 2019 in Memmingen den 75.000. "Stolperstein" verlegen. "Stolpersteine" sind inzwischen in 26 europäischen Ländern zu finden.
Im Unterschied zu anderen Denkmalen für die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur erinnert das "dezentrale Monument" (Demnig) an einzelne Menschen, die zu Opfern des Nationalsozialismus wurden, und zwar in der Regel genau an denjenigen Orten, an denen die Verfolgten zuletzt gewohnt haben, bevor sie zur Flucht gezwungen, verhaftet oder deportiert wurden. Durch die "Stolpersteine" – kleine, aber deutliche Markierungen an den ehemaligen Wohnstätten – wird individuell an verfolgte Menschen erinnert und zugleich Fragen nach dem Kontext des Geschehens aufgeworfen.
Ein "Stolperstein" ist ein Betonquader mit den Maßen Breite 96 x Tiefe 96 x Höhe 100 mm, der einem Pflasterstein gleicht. Auf seiner Oberseite ist eine Messingplatte montiert, die fest mit dem Betonkörper verankert ist. Die Messingplatte trägt eine Inschrift. Alle "Stolpersteine" sind in Handarbeit entstandene Einzelanfertigungen. Der Körper wird aus handgeschöpftem Beton gegossen, die Inschrift mittels Hammer und Schlagbuchstaben in die Metallplatte eingestanzt.
Angefertigt werden die einheitlich gestalteten "Stolpersteine" für Menschen aller Opfergruppen. Durch die Inschrift ist jeder "Stolperstein" personenbezogen. Genannt werden nach der Anfangszeile "Hier wohnte" (auch "Hier lebte" oder "Hier arbeitete") der Name und das Geburtsjahr der jeweiligen Person, es folgen Daten zur Verhaftung, Flucht, Deportation, Namen von Fluchtort, Internierungs-, Konzentrations- und Vernichtungslager, Todesdatum, Todesumstände - gelegentlich aber auch der Vermerk "überlebt". Für die stichwortartigen Inschriften hat Gunter Demnig eine Art Formulierungskanon entwickelt, der den Widerspruch zwischen den zu dokumentierenden individuellen Schicksalen und der angestrebten Einheitlichkeit der "Stolpersteine" ausgleichen soll und der relativ kleinen Beschriftungsfläche geschuldet ist.
Für jeden "Stolperstein" müssen die Daten ermittelt werden. Hat der Künstler die Recherchen anfangs noch selbst durchgeführt, so wird diese Aufgabe inzwischen von Inititatoren, Paten, Stiftern und Initiativgruppen übernommen, die einen "Stolperstein" (oder mehrere) initiieren, durch das Atelier Demnig anfertigen und verlegen lassen und schließlich bezahlen. Dieser partizipatorische Ansatz veranlasst die Initiatoren - zu nennen sind beispielsweise Hausbewohner, Heimatforscher, Lehrer, Schulklassen, Vereine, Kirchengemeinden und in zunehmendem Maße auch Angehörige -, aktiv zu werden, sich zu informieren, zu forschen, sich mit der Person, ihrem Schicksal und der Zeit des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.
Vorläufiger Endpunkt der Beschäftigung und Auseinandersetzung mit der zu erinnernden Person ist die Verlegung des "Stolpersteins". Dazu bedarf es der Genehmigung der jeweiligen Gemeinde, der Abstimmung mit der örtlichen Baubehörde und der Koordination mit dem Atelier Demnig in Frechen bei Köln. Die Verlegung des "Stolpersteins" durch Gunter Demnig ist ein künstlerischer Akt. Der "Stolperstein" wird zumeist in der Nähe des Gebäudeeingangs plan in den Bürgersteig eingelassen und einbetoniert. In vielen Fällen ist die Verlegung mit einer kleinen Feier, mit Vorträgen und Ausstellungen verbunden, die von den Initiatoren und Paten organisiert werden. Mit der Verlegung im öffentlichen Raum wird der "Stolperstein" von den Stiftern der Stadt oder Gemeinde geschenkt und geht in öffentlichen Besitz über.
Auch nach der Verlegung kann die Beschäftigung mit der oder den Personen weitergehen. Die Forschungen können vertieft und ausgeweitet, die stumpf gewordenen Messingplatten an Gedenktagen gereinigt oder regelmäßig von Putzpaten gepflegt, Führungen zu den im öffentlichen Raum gesetzten "Stolpersteinen" angeboten werden.
Eine weitere Ebene des Projekts "Stolpersteine" sollte die Dokumentation sein - nicht zuletzt deswegen, um denjenigen, die nicht in das Projekt einbezogen waren, aber im öffentlichen Raum auf einen "Stolperstein" gestoßen sind, die Möglichkeit zu geben, sich über seine Bedeutung zu informieren. Flyer, Broschüren und Bücher dokumentieren die Steine und erzählen die Biografien der Menschen hinter den Steinen. Viele Städte, Gemeinden und Initiativen machen die Daten über Amtsblätter, Lokalzeitungen oder Internetseiten zugänglich, in zunehmendem Maße sogar über eigene "Stolperstein"-Internetseiten.
Im Saarland wurden die ersten "Stolpersteine" 2007 in Illingen gesetzt; die Initiative ging von zwei Schülern aus. Seitdem schließen sich immer mehr Initiatoren und Gemeinden dem Erinnerungsprojekt an.
Gunter Demnig hat inzwischen ca. 530 "Stolpersteine" im Saarland verlegt, sowie eine "Stolperschwelle" in Völklingen (Stand 4. September 2020). Die Erinnerungszeichen sind zu finden in folgenden Gemeinden:
Nächster Termin für eine Verlegung von Stolpersteinen durch Gunter Demnig: 26. Oktober 2020 in Schmelz
Eine Aufstellung aller "Stolpersteine" im Saarland fehlte bisher. Da die Inventarisation und Dokumentation der Kunst im öffentlichen Raum, die nach 1945 im Saarland entstanden ist, zu den Aufgaben des Instituts für aktuelle Kunst im Saarland gehört, sammelt das Institut auch Informationen zu den "Stolpersteinen", die in diesem Bundesland verlegt werden, bereitet die Angaben systematisch auf und macht sie sukzessive zugänglich.
Damit die Daten vollständig erfasst, fortgeschrieben und auf dieser Internetseite dokumentiert werden können, ist das Institut für aktuelle Kunst auf die Mitwirkung der "Stolperstein"-Initiatoren und "Stolperstein"-Paten angewiesen.
Biografie
Gunter Demnig, Bildhauer, Aktionskünstler
geboren 1947 in Berlin
Bibliografie (Auswahl)
Oranna Dimmig
Privatpersonen | Schüler*innen, Studierende | Praxen, Kanzleien, gewerbliche Einrichtungen und Firmen | |
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je Kunstwerk | 50 € | 30 € | 80 € |
Für alle Entleiher gilt: