Textilkünstlerisches Schaffen ist in Europa seit dem Mittelalter bekannt. Wirker und Sticker waren zunächst einmal Handwerker. Aber dieser Zunft entwuchsen auch angesehene Künstler, die in den berühmten Gobelin-Manufakturen vielbewunderte, in die Kunstgeschichte eingegangene Tapisserien schufen, die sich im künstlerischen Rang von der gleich-zeitigen Malerei nicht unterscheiden.Heute werden Bildstickerei und Textilkunst häufig nur noch als Gebrauchskunst angesehen. Doch betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, zeigt sich ein anderes Bild. Experimentelle Gestalter vernachlässigen die funktionalen und dekorativen Aufgaben immer mehr und sprengen die zweidimensionalen Grenzen traditioneller Bildformate mit raumgreifenden Werken, in denen Struktur, Material und Farbigkeit betont werden. Ihre Werke überschneiden sich vielfach mit künstlerischen Strömungen in Malerei und Bildhauerei, wie dem Informel oder der Concept Art. Am Werk der saarländischen Textilgestalterin Dorothea Zech lässt sich dieser Wandel eindrucksvoll ablesen.
Dorothea Zech wurde 1929 in Aachen geboren. 1937 verzog sie mit Eltern und Bruder nach St. Ingbert im Saarland. Dort machte sie 1949 ihr Abitur, um anschließend in Saarbrücken an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk, später umbenannt in Werkkunstschule und heute Hochschule der Bildenden Künste, zu studieren. Als Studentin in der Klasse von Ella Broesch lernte sie bei dieser weltweit anerkannten Textilkünstlerin Bildstickerei und Paramentik, von Boris Kleint wurde sie in der Malerei unterrichtet, auch nahm sie an dessen Grundlehre teil. 1953 machte Dorothea Zech ihre Abschlussprüfung, hielt sich einige Zeit in Paris, Darmstadt und München auf, um 1954 in Aachen mit einer Sondergenehmigung und vorgezogen ihre Meisterprüfung als Textilhandwerkerin abzulegen.
In den frühen 1950er Jahren war eine enge Verzahnung zwischen Werkkunstschule und Handwerkskammer noch gegeben und bot den Absolventen eine berufliche Perspektive, die sie allein als freie Künstler nicht erreichen konnten. "Eine solide handwerkliche Arbeit sei die Basis dieses kunsthandwerklichen Studierens, Entwerfens und Schaffens."( Steinert. In: sichtbar machen 2006, S. 88) 1955 eröffnete Zech ihre eigene Werkstatt in St. Ingbert, verlegte sie später nach Saarbrücken und ließ sich 1966 endgültig im eigenen, von Hanns Schönecker gebauten Haus in Heusweiler nieder.
Ella Broesch hatte gemeinsam mit ihren Schülerinnen die Paramentik mehrerer Kirchen geschaffen. Dorothea Zech setzt diese Arbeit in eigener Regie fort. In vielen evangelischen Kirchen finden sich Altardecken aus ihrer Hand. Insgesamt hat sie 60 Antependien und 52 Kirchengewänder entworfen. Ihre größte Arbeit, 5 x 8 m, ist eine Madonna in der Kirche in Allach (1979). Die ornamentlosen Bauten der Nachkriegszeit, Schulen, Verwaltungen, Sparkassen und andere öffentliche Gebäude schmücken fortan ihre Wandbehänge, ihre Wände, wie sie es später nennen wird. Die so genannte Kunst im öffentlichen Raum wird zu einem wichtigen Erwerbszweig in ihrer künstlerischen Arbeit. Daneben arbeitet sie ständig auch für private Auftraggeber.
Es sind zunächst noch großformatige Textilbilder, die sich aus einzelnen Motiven zu einer Geschichte fügen, wie etwa die Silhouetten der alten Saarbrücker Kirchen, die sie mit eingefärbten Leinenfäden auf ein beigefarbenes Leinentuch stickt. Der strengen Geometrie des Bildaufbaus, den architektonischen Vorlagen gemäß, steht die leichte Bewegung des Fadenverlaufs gegenüber (Schule Hohe Wacht, Saarbrücken, 1957). Durch die harmonische Farbgebung und die naiv wirkende Darstellung der Bäume und Bauten erzählt sie 1964 eine die hiesige Industrielandschaft beschönigende Geschichte auf einem Wandbehang in der Industrie- und Handelskammer. Als wolle sie den Untergrund, die Klinkerwand, fortsetzen, den rotbraunen festen Stein in eine leichtfüßig bewegte, die Statik nicht beachtende und dennoch im Gleichgewicht bleibende Struktur verwandeln, so wirkt der Wandbehang, der seit 1964 im Foyer des Amtsgerichtes hängt (Kunst im öffentlichen Raum Saarland. Band 1 1997, S. 318-326). Diese dekorativen Arbeiten mit ihren erzählenden Motiven sind noch weitgehend in der Tradition verhaftet. Es sind gestickte Bilder.
Seit den späten 1960er Jahren wendet sich Dorothea Zech verstärkt einer abstrakten Formensprache zu und löst sich von überlieferten Techniken. Auf dem Bühnenvorhang des Kulturhauses in Überherrn breitet sich, einem Spinnengewebe ähnlich, ein Netz aus geknoteten, geflochtenen und gehäkelten Sisalfäden aus (1970). Sie "entwarf einen Bühnenvorhang, dessen offene, filigrane Struktur das Gegenprinzip bildet zu der stereometrisch plastischen Betonarchitektur." (Kunst im öffentlichen Raum, Band 3, 2009, S. 366) In der Hochschule für Musik wuchern auf dunkelgrauem Untergrund Stickereien und auf-genähter Stoff in den Farben Rot und Hellgrün sowie verschiedenen Blau-tönen über einen Wandbehang (1972). Diese Arbeit war ursprünglich für die Saarvertretung in Bonn vorgesehen. Auch die verschieden breiten blautonigen Stoffbahnen scheinen aus den Bildträgern heraus zu streben in der zweiteiligen Komposition der Handwerkskammer von 1975. "Abstrakte Komposition" nennt die Künstlerin 1975 eine Arbeit mit mehrschichtigen Stoffapplikationen und Stickereien, deren großflächigem Aufbau eine feine wellenförmige Stickerei antwortet. "Verschiedene Materialien wie Perlen, Stoffspitze, Häkelrosetten und Wollbänder treten als Form- und Strukturgefüge hervor und verweisen auf den Material- und Reliefcharakter des Wandbehanges" im Großen Sitzungssaal der Universität (Kunst im öffentlichen Raum Saarland, Band 2, 1999, S. 133).
Zechs Arbeiten werden raumgreifender und, obwohl sie die engen Grenzen der Bildfläche noch nicht sprengen, beziehen sie das Umfeld mit ein. Auch in dieser Phase gibt es noch Wandbehänge mit naturalistischen Figuren: den Herbstbaum in der Saarland-Versicherung (1976), den Bauer in der Musikhochschule (1982) oder Gärtnerin und Gärtner im Landesamt für Umweltschutz (1984).
Man könnte fast vermuten, es ist eine Hommage an die schwerkranke, an den Rollstuhl gefesselte Mutter, die entzückende kleine Stoffpuppen herstellte und Wandbehänge fertigte. Das Baummotiv variiert Zech immer wieder. Im Wandbehang der sich im Bürgermeisterzimmer des Dillinger Rathauses befindet (1977), streckt er von einem gerade aufragenden Stamm mit roter Rinde seine Äste mit den erstarrten Blättern zunächst noch starr und steif ab, gewinnen diese mit zunehmender Höhe an Lebendigkeit. Ist es als Metapher für das Absterben der Natur zu verstehen? Der "Tränenbaum" dagegen strahlt mit seinen vorwiegend grünen und blauen Farben eine heitere Rätselhaftigkeit aus. Paradiesvögel sitzen auf den ausgebreiteten kahlen Ästen, Perlen fallen als Tränen herab (Max-Planck-Gymnasium Saarlouis, 1977. Die erste, größere Version dieses Motives ist in Privatbesitz.)
Während Wandbehänge wie Bilder auch jederzeit leicht entfernt werden können – Dorothea Zech nennt sie auch "Nomaden der Wände" – ist dies bei Wandinstallationen ungleich schwerer. Eine solche findet sich in der Eingangshalle des Landratsamtes in Homburg, als Ergebnis eines gewonnenen Wettbewerbs Anfang der 1980er Jahre. Die Wand begleitet die Treppe nach oben. Einzeln aufgehängte verschieden lange Stoffbänder kragen streng senkrecht verspannt aus der Raumwand. Zu Gruppen zusammen-gefasst wirken sie den Lamellen einer Jalousie ähnlich. Wie die Treppenstufen steigen sie auf, führen hinab, wechseln dabei ihre Farben, verdichten sich, gehen wieder auseinander. Das über ein Fenster einfallende Tageslicht streicht über die Stoffbahnen, lässt einzelne aufleuchten andere verschatten. Daraus entwickelt sich auch in dieser geometrisch exakten Arbeit eine Lebendigkeit, die Dorothea Zech all ihren Werken zu geben vermag.
Organisch bewegt dagegen zeigt sich eine weitere Wand. Den Wettbewerb für eine Wandgestaltung im Warteraum der Bereitschaftspolizei Saarbrücken gewann Dorothea Zech 1990/91. Die Klinkerwand musste dabei eingebunden, aber nicht beschädigt werden. Die Künstlerin schuf eine die gesamte Wandhöhe und -breite einnehmende Komposition mit den Maßen 2,60 x 6,50 m. Ein bis drei Ziegelstein-breite Nischen füllt sie mit geschwungenen, blank schimmernden und im Lichte aufleuchtenden Kupferbändern. Darüber fließen blautonige Textilbahnen herab mit aufgenähten Stoffpartikeln, die nun wiederum ein Liniennetz aus Nähten überzieht. Die Wand besticht durch die Kombination aus dem streng geometrischen Klinkeraufbau als Untergrund, dem glatten und glänzenden Kupfer und den wie Wasserfälle vibrierenden Stoffbahnen. Die Kupferbänder fertigte der Schlosser Peters in St. Ingbert, auch entwarf er die Aufhängesysteme vieler Arbeiten.
Zechs Wandbehänge werden immer mehr zu abstrakten malerischen Bildern, in denen die Farbflächen nicht mit dem Pinsel, sondern aus Seidenstoffteilen auf die Leinwand oder andere Unterlagen, etwa einem Nylonnetz appliziert werden. Der Schraffur einer Zeichnung vergleichbar verbindet sie die Teile mit einem Spezialstich und überzieht die Flächen mit einem Liniengefüge. 1988 beispielsweise unterstreicht sie so das Aufsteigende der Komposition in einem annähernd quadratischen (1,24 x 1,11 m) Wandbehang in der Saarbrücker Handwerkskammer.
Einem informellen Bild vergleichbar zeigt sich die abstrakte Farbkomposition von 1994 in der Sparkasse Saarbrücken. Die 2 x 3 m große Wand leuchtet in den Farben Blau, Rot und Grün sowie Gelb. Die Farbbahnen steigen von links unten auf, laufen quer über die Bildfläche, verzweigen sich, drehen sich, wirbeln um einen roten Ball und fallen wieder hinab. Delikate Farbnuancen entstehen durch die Überlagerung geknüllter oder glatter Seidenstoffe, durch die Behandlung der Nähte, durch Stichlängen und Stichabstand, durch verschiedene Garnfarben und Fadenstärke. "Indem nicht länger dekorativ Abbildendes gefragt war, trat eine grundlegend neue Ästhetik des Gestaltungswillens hervor, die bewusst die Materialität der Stoffe mehr sprechen ließ als das Moment des kunstvollen Gearbeitetseins. Von diesem Moment an verstand der textile Entwurf sich weniger als reines Kunsthandwerk, sondern zu Recht als freie künstlerisch gleichberechtigte Äußerung.", nachzulesen im Ausstellungskatalog "Textile Bilder". Diese grundsätzliche Äußerung trifft entschieden auf das Werk Dorothea Zechs zu. (Textile Bilder, 1994, S. 8) In der Ausstellung zeigte die Künstlerin eine 1,40 m x 2,40 m große transparente Seidenapplikation auf Nylongitter. In einem frei im Raum schwebenden Oval konzentrieren sich die Farbstreifen fächerförmig auf ein Zentrum.
Spätestens seit den 1990 Jahren zieht eine neue Spannweite ein in den künstlerischen Stil von Dorothea Zech. Am Pol der größten Strenge und Zurückhaltung stehen die "Fensterbilder", von denen vier große Arbeiten im Saarland zu finden sind: in der evangelischen Kirche Losheim, in der Union Krankenversicherung (1997), seit 1999 in den Geschäftsleitungsräumen des ADAC in Saarbrücken und in der Landeszentralbank im Rheinland-Pfalz und im Saarland in Saarbrücken. Die Künstlerin schreibt dazu: "Seit vier Jahren befasse ich mich mit der Transparenz von textilem Material und dem durchscheinenden Licht. Die Überlagerung von transparenten Schichten nütze ich zur Gestaltung der Bilder. Das Außen wird in die Wirkung mit einbezogen bzw. wird durch die Bilder verändert wahrgenommen." (Mitteilungen 1999, S. 16)
Die Fensterbilder in der Kirche in Losheim erfüllen auch eine praktische Aufgabe. Die Kirchenfenster sind aus Klarglas und das einfallende Tageslicht blendete die Gläubigen. Die transparenten Stoffbänder filtern das Licht, aber nicht nur das, sie rufen auch die sakrale Raumwirkung hervor. Auf einen unifarbenen Untergrund wurden Stoffe in starken Farben appliziert.
Für das Gästecasino der Union Krankenversicherung Saarbrücken, schuf Zech die 14-teilige Arbeit "Gespaltenes Band" aus transparentem Stoff in Gelb und Blau (2,40 x 16 m, je Bahn 1,00-1,40 m). Die eine Hälfte des Bandes ist in vertikalen Gelbstreifen gehalten, die andere in blauen. Dabei wechseln jedoch die Streifen unregelmäßig zwischen helleren und dunkleren Tönen, zwischen Gelb und Orange, Blau und Schwarz. Die Abstände zwischen ihnen variieren, ja die Vertikalität kann sich zu leichter Schrägstellung wandeln, die Streifen sich leicht verbreitern oder verengen. So wird das geometrische Schema mit Leben erfüllt. Hinzu kommt die Kurvatur der Glaswand, die eine stets wechselnde perspektivische Verschnellerung oder Verlangsamung der Streifenfolge bewirkt. Auch können die transparenten Bahnen leicht schräg gegen die Glaswände der Architektur gestellt werden. Das Außen wirkt wie durch einen Schleier gesehen herein, und von außen gesehen durchdringen sich die Raumschichten vollends bis zur Unwirklichkeit.
Sehr anders sind die vier Fensterbilder von 1999 aus transparentem Stoff in den Geschäftsleitungsräumen des ADAC Saarbrücken strukturiert. Im Besprechungsraum befindet sich ein Bild in den Maßen 2,40 x 4,54 m, bei der Geschäftsführung ein 2,40 x 6,00 m großes, beim Vorstand ein 2,40 x 4,50 m messendes, im Sekretariat ein solches in den Maßen 2,40 x 3,00 m. Hier wechseln auch architektonisch zu lesende, perspektivisch in eine imaginäre Tiefe führende Vertikal-streifen mit Kreissegmenten und rufen "Visionen" einer technischen Welt herauf. Für Zech war die Verbindung von innen und außen wesentlich. Aus ihrer Durchmischung entsteht ein neues Bild.
Wieder anders ist es beim transparenten zweiteiligen textilen Fensterbild im Arbeitszimmer des Präsidenten der Landeszentralbank Saarbrücken, transparente Stoffbahnen, verschiebbar, Applikationen in hellgrauen und gelben Stoffen mit linearem Fadenspiel benäht, in den Maßen 3,20 x 7,10 m, 3,20 x 3,20 m. (Kunst-Bau, 2000, S. 106/107) Das zuerst ins Auge fallende bildnerische Element ist der schwarze schmale, leicht nach rechts schräg aufragende Streifen, bekrönt von einer schrägen Vertikalen, die aber perspektivisch als rechter Winkel wirkt. Er durchmisst eine gelbliche hochrechteckige Fläche und setzt einen Akzent: er befindet sich schräg hinter dem Sessel des Präsidenten. Eine zweite Schräge antwortet ihm rechts, nun leicht schräg nach links aufragend und ohne abschließende aus der Vertikalen gedrehte Schräge. Auch er durchmisst eine gelbliche hochrechteckige Fläche. Danach schließen sich Kreissegmente zu einem großen hellgrauen Kreis zusammen. Kleinere hellgraue und gelbliche Kreissegmente und Quadrate werden sichtbar. Bei genauester Betrachtung treten unterschiedliche Stoff-Oberflächen, Gliederungen durch schwarze schräge Fäden und schließlich feinste Nähte hervor. Dorothea Zech erfüllt das Zimmer mit einfachen großen Raumakzenten und betont zugleich die flächige Geschlossenheit der Architektur, deren Klarheit und Offenheit zum Licht. Sie lässt das Außen durchscheinen und hält zugleich, durch die Feinheit und Vielfalt der Applikationen, den Blick an der Grenze zwischen Innen und Außen fest. Ihre Arbeit fordert den das Ganze zusammenfassenden Blick und die genaueste Nah-Ansicht.
Am anderen Pol des künstlerischen Schaffens von Dorothea Zech steht die wilde Freiheit des Umgangs mit den textilen Stoffen, wie sie etwa auf ihrer Einzelausstellung im Alten Schloß Dillingen von 1996 sichtbar wurde. Hier ballen sich die weißen Stoffe wolkenartig zusammen, hängen von der Decke in einer Vielzahl von Kurven und einer Unzahl von Schichten, die nach der Grenze in kleinen scharfen Zacken in Erscheinung treten. Diesen Wolken aber eignet nichts Leichtes und Freundliches, sie wirken schwer und gefährlich, nicht nur wegen der "bissigen" Zacken, sondern vor allem wegen ihrer bildnerischen Irrationalität, ihrer gestaltlogischen Unfassbarkeit. Sie stürzen herab wie Urvögel. Und dennoch sind sie weiß und erstrahlen im Licht! Oder sie erscheinen gelb oder grau oder rosa im Wechsel des Lichts. Andere Objekte hängen wie schmale Fische zackig-zottelig von der Decke herab, auch sie weiß, aber mehr die Raumschatten auf sich versammelnd als das Licht. Solche Arbeiten zeigen, wie wenig Zechs Werke im Dekorativen aufgehen, sondern etwas Surreales und damit Inneres, Seelisches, kundgeben können. Aus weißlichen, grauen, gelben, goldfarbenen (um nur diese Töne zu nennen) Flecken zusammengenähte Streifen kriechen nach oben und in die Decke hinein oder bilden ein klobiges Kreuz an der Wand. Große querrechteckige Tücher stellen gleichsam Malereien dar mit schweren dunkelgrauen Streifen vor braunem in sich wellig strukturierten Grund. Die weiße "Wolke" hängt vor einem hochrechteckigen Tuch, in dem kraftvolle dunkle Streifen quer nach rechts oben über grünliche, blaugraue, rosafarbene, goldbraune Gründe ziehen. Der andere "Urvogel" hängt vor einem querrechteckigen Tuchbild mit violetten und grünlichen Formen vor hellgrauem Grund und diese wiederum überquert von schwarz-grünen und schwarzblauen Streifen mit hellblauen Zwischenräumen. Offenbar sollen sich die Werke durch Kontraste aufeinander beziehen. Andere Objekte sind vielfarbig, hängen in freien Ovalformen, die Farbstreifen von einem oberen Mittelpunkt ausstrahlend, von der Wand. Sie sind auf Unterlagen befestigt, selbst transparente, farbige Stoffe oder Plexiglasglasscheiben. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, an Blumenartiges, an Girlanden, an Herbstlaub oder ausgebreitete Faltenröcke kann man erinnert werden, – aber vor allem zählt die freie Komposition aus Farbstreifen.
Jedes Werk wäre genau zu betrachten und zu erfassen – aber so sehr sie sich auch gegenseitig steigern, so sehr mindern sie sich auch, ziehen sie doch auch ständig die Aufmerksamkeit von sich weg auf die anderen. Die Dillinger Ausstellung versammelte freie Objekte. Die "Fensterbilder" dagegen sind ortsbezogen und ortsbezogen können auch gestaltungsmäßig freiere und farbigere Objekte sein.
Zum Wettbewerb für Kunstbeiträge zum Neubau der Frauen- und Kinderklinik in Homburg schreibt die Künstlerin zur "Wandgestaltung" (2. Wettbewerbsstufe). "Aus dem ersten Entwurf der Gestaltung des "Kerns" habe ich das Material Kupfer und Textil übernommen. Da die Tiefe der Faltungen nicht realisierbar war, schlage ich eine Komposition vor, die auf dem Dreieck basiert und so den gesamten "Kern" in Abwandlung durchläuft. Man kann daran denken, die drei Geschosse so zu gestalten, die Farbe jeweils zu verändern und dadurch eine Orientierungsmöglichkeit zu schaffen. Sollten die Kosten für eine Metallausführung nicht darstellbar sein, könnte ich mir vorstellen, die Komposition mit Farbe auf die Wand zu bringen. Es fällt natürlich der Reiz des Materials weg und man verzichtet auf die Reliefierung der Wand. Zum "Objekt Entbindungsraum" (1. Wettbewerbsstufe) heißt es: "Es ist der Versuch unternommen, einem Entbindungsraum eine heitere und freundliche Atmosphäre zu geben. Ich denke dabei an einen Paravent, der in einer Schiene von der Decke abgehängt läuft. Die einzelnen Paneele bestehen aus zwei Plexiglastafeln, in die farbige und glasklare transparente Stoffe durch Strukturen belebt, ein-gelagert sind. Aus der Zusammen-fügung der Tafeln entsteht ein Bild. Die einzelnen Tafeln sind mit Gelenken verbunden. Die Plexiglastafeln sind abwaschbar, dadurch leicht zu pflegen. Im Bedarfsfall lässt sich dieser Paravent leicht verschieben bzw. zusammenfalten."
Zum selben Objekt, 2. Wettbewerbsstufe, bemerkt die Künstlerin: "Der Paravent besteht aus doppelschichtigem Plexiglas, in das transparente mit Strukturen versehene Stoffe eingelegt sind. 16 Paneele werden mit Gelenken verbunden, so dass man das Bild bewegen, falten und wegschieben kann. Dem Raum wird eine Atmosphäre von Leichtigkeit und Heiterkeit vermittelt. Man kann diese Paravent-Bilder in verschiedenen Räumen aufhängen." (Wettbewerbe Kunst im öffentlichen Raum im Saarland 1, 1998, S. 18, 19) Das 1995 ausgeführte Werk zeigt die Paneele schräg durchzogen von Farbstreifen in Grün, Blaugrün, Graublau, diese wiederum durch dunkelblaugraue, graue, hellgrüne Zickzacklinien gegliedert. Hellrote Streifenteile bilden rhythmische Akzente. Die Streifen scheinen stellenweise sich zu drehen, über- und unterschneiden sich, so dass das Auge immer Neues sehen kann. Das Zusammenschieben der Paneele bewirkt ein Übriges. Die Baumlandschaft schimmert durch diese halbtransparenten Flächen. Durchmischung und Durchlässigkeit charakterisiert sie.
Für einen anderen Wettbewerb, die künstlerische Ausgestaltung des Neubaus eines Dienstgebäudes für die Vertretung des Saarlandes beim Bund in Berlin, schuf Dorothea Zech 2001/2002 eine Reihe von Werken, die sie mit folgendem Kommentar begleitete: "Fluss steht für Veränderung Landschaft für die Erhaltung Horizont für Optimismus Emblem steht für Informationstechnologie als Neubeginn der Zukunft. Ich beziehe mich auf die Strenge des Raumes, indem ich die acht zu gestaltenden Flächen mit textilen Bildflächen in gleicher Größe, in gleicher Farbigkeit im Abstand von der Wand auf transparentem Material bearbeite. Von der unteren Bildkante mit intensivem Blau beginnend hellt sich die Bildfläche nach oben auf. So erreiche ich Leichtigkeit und Helligkeit. Durch die geringe Veränderung der Bilder in der Abfolge will ich einerseits der Strenge des Raumes entsprechen und ihn andererseits beleben. Auf leichtem Edelstahlrahmen 20 cm von der Wand entfernt mit Stegen montiert liegt ein transparentes Gitter wie eine Haut, das die farbigen Stoffstreifen trägt. Ein aufgelegtes lineares Fadenspiel bildet die Struktur. Die textilen Materialien sind farbecht und werden schwerentflammbar ausgerüstet. Anstrahlung durch Spots bewirkt Schattenbildung auf der weißen Rückwand. Das von den Fenstern einfallende Licht erhellt die Fläche von hinten, betont damit die Transparenz." (Wettbewerbe Kunst im öffentlichen Raum im Saarland 4, S. 53) Ein Werk aus dieser Reihe zeigt den freien Umgang mit dem genannten Schema. "Fluss – Veränderung, Landschaft – Erhaltung, Horizont – Zukunft", 2001, Dichte und transparente Seiden auf Nylongitter, 2,00 x 1,80 m: Dunkle, mittelhelle, helle Streifen und Flächen in Blau, Graublau, Grün, Grün, Violett, Rosa ziehen über einen weißlichen Grund, schwingen, steigen und fallen in herrlicher Polyphonie. Alles ist Fluss, alles ist Landschaft, überall tun sich Horizonte auf.
Es ist nicht leicht, die künstlerische Entwicklung im Schaffen von Dorothea Zech zu bestimmen, reicht doch der Bogen von streng zu frei durch alle Jahre, ja auch durch manche Zyklen und Einzelwerke. Dennoch sei ein Vergleich gewagt.
1990 entsteht eine "Applikation und Seidenstickerei auf Organza auf Plexiglashalbkreis montiert", 0,45 x 1,00 m. Der untere Rand des hellen, beigetonigen Organza-Stoffes ist so geschnitten, dass eine "negative" Silhouette von flachem Winkel, annäherndem Halbkreis und flachen Variationen dieser Formen entsteht. Halbkreise und daraus gewonnene Kreisabschnitte bestimmen auch die Konturen der goldgelb schimmernden Applikation, die nach rechts und nach links oben ausschwingt und in vielen zarten Stoffwellen im Lichte aufglänzt. Die äußere Form wird also in der Applikation aufgenommen, rhythmisch versetzt und variiert. Die Seidenstickerei bildet kalligraphische Akzente, in Schwarz links unten, in Rot mit einem schwarzen Punkt halblinks oben, einen schwarzen "Schriftzug" mit einem roten Kringel in der Senke der Applikationenteilung, ein nach oben züngelndes Schwarz mit einem roten Haken als Abschluss unten rechts. Danach folgen die oben erwähnten "Fensterbilder" und textilen Kompositionen.
2010 entsteht "o. T. Textile Bearbeitung" als Beitrag zur Ausstellung "angezettelt! 25 Jahre Saarländisches Künstlerhaus 1985 – 2010", wobei, wie Dirk Bubel im Vorwort erläutert, jeder angeschriebene Teilnehmer, der seine Mitwirkung bestätigt hatte, im Büro des Künstlerhauses einen Karton im DIN A 3 Format erhielt, den er im Querformat in freier Gestaltung bearbeiten konnte. Dorothea Zech hat sich genau an diese Vorgabe gehalten. Ein violetter Grund – aber ist es überhaupt ein "Grund", ist es nicht vielmehr der farbige Gesamtton, der als Grund wirkt? – ist in vertikale Streifen von annähernd gleicher Breite geteilt. Ein kühlgrüner Streifen bildet eine nach rechts verschobene Mittelachse, links daneben begleitet von einem schwarzen Streifen als einer zweiten Mittelachse. Aber Schwarz setzt schon links und rechts Dunkelakzente und die ganze Komposition stellt sich dar als Gestaltung von verborgener und rhythmisch belebter Symmetrie. Links von der grünen Mittelachse sind es neun Streifen, rechts davon, in der schmaleren Hälfte, zehn Streifen, links hebt sich ein breiter heller Streifen heraus, rechts zwei schmälere – und so ließe sich Ähnliches und Verschiedenes der beiden Seiten noch weiter verfolgen. Rechts oben setzt jedenfalls ein kleines kühlgrünes Rechteck einen Schlusspunkt. Dieses Werk zeigt nochmals beispielhaft Zechs Vermögen, systematische Strenge und rhythmische Freiheit wie selbstverständlich zu vereinen.
In den letzten Jahren entwickelt sie wieder etwas Neues. Sie arbeitet mit Filz. Im Restaurant der Saarbergwerke, heute Gästehaus Erfort, hängen seit 2002 zwei Filzschichten hintereinander. In die dem Raum zugewandte unifarbene sind große rechteckige Löcher gestanzt, durch die gelborange bis rote Stickereien auf der hinteren Wandschicht leuchten.
In einem Kindergarten in St. Wendel hängt frei im Raum eine gelbe Sonne und bewegt sich bei jedem Luftzug.
Und schließlich hängen in allen sieben Räumen der Arztpraxis von Prof. Dr. Neis an den Fenstern taubenblaue und unifarbene Filze mit eingeschnittener Lochkante, die das Tageslicht hereinlassen. Auch diese Wandbehänge dienen, wie die Teppiche der Nomaden, dem Licht, dem Klima und der Akustik. Es sind die Aufgaben, die Dorothea Zech mit all ihren Werken erfüllen wollte.
Abschließend sei der Versuch unternommen, den Ort der Kunst von Dorothea Zech in der Kunstsituation unserer Gegenwart zu bestimmen. Elisabeth Feilen schreibt in ihrem einfühlsamen Text zur Ausstellung "Sofie Dawo – Dorothea Zech" im Saarländischen Künstlerhaus 2006: "Dorothea Zech hat insgesamt etwa 400 Wände geschaffen – so spricht sie von ihren Wandbehängen – , in ihrer Heusweiler Werkstatt hat sie zuletzt an einem Wandbehang gearbeitet, der hier ausgestellt ist. Inspiriert wurde sie von einer Reise ins spanische Galicien. ("Galicische Platane", 2006, 3,00 x 2,00 m) Es war Herbst, als sie diesen für Spanien sehr grünen Landstrich besucht hat. Besonders die Üppigkeit der Platanen rief bei ihr lang anhaltende Assoziationen hervor, die sie in diesen Wandbehang quasi einnähte. Der Untergrund wird von einem transparenten Stoff gebildet, auf den schmale Bahnen neben- und versetzt aufeinander angebracht sind; diese Schichten bringen eigentümliche Farbmischungen hervor. Dorothea Zech malt mit der Transparenz der Stoffe, arbeitet jedoch auch Folie mit ein. Applizierte, stilisierte Platanenblätter scheinen wie Sterne vom Himmel zu fallen – das welkende Laub des Herbstes. Die schmalen, im Kontur unregelmäßigen, wie gerissen wirkende Stoffstreifen unterschiedlichen Materials werden von Nadelstichen in nervös wirkender Garnführung gehalten. Es handelt sich nur um Handarbeit, nicht um regelmäßige Nähmaschinenzierstiche. Von Weitem betrachtet wirkt der Wandbehang wie ein dichter Wald, man ahnt seine weite Tiefe. Matt glänzendes Seil, aus Papier gedreht, wird eingebunden. Zech hatte vor einigen Jahren in der Pfalz zufällig eine Papierspinnerei entdeckt, deren Abfallprodukte sie mit nach Hause nehmen durfte. Seitdem sind kunstvoll verarbeitete Papierprodukte aus ihrem Œuvre nicht mehr wegzudenken. Ähnlich bietet sich ihr "Zauberwald", eine großformatige ausdrucksstarke Komposition aus dem Jahr 2000 dar. Bestehend aus vier Bahnen (zu je 3,00 x 1,00 m), gibt es immer die Möglichkeit einer anderen Hängeabfolge. Erst bei genauerem Hinsehen bilden sich die farbintensiven Stoffformen zu konkreten Bildobjekten: eine üppige paradiesisch anmutende Vegetation unter blauem Himmel, versteckt eingearbeitete Vögel und Grünzonen. Aus der Ferne wirkt diese Textilarbeit wie ein Ölbild mit expressiv verfremdeten Bildobjekten. Aber es sind Stoffformen, strukturell und farblich unterschiedlich. Mal sind ihre Ränder ausgefranst, mal wirken sie wie unregelmäßig geschnitten. Immer sind sie in ganz unterschiedlichen Sticharten zusammen gefügt, manchmal bewusst grob, dann wieder fast pedantisch akkurat. Hier wird Zechs Ausbildung zur Bildstickerin wirksam. Sie zeichnet mit dem Faden.
In einem anderen Wandbehang aus dem Jahr 2002 ("Irische Landschaft", 1,00 x 2,00 m), in dem sie Grün- und Ockertöne bevorzugt, erinnert sie an einen Aufenthalt in Irland, dessen Landschaften mit ihren Feldereinteilungen, die von kleinen Mauern aus Bruchsteinen abgegrenzt werden, sie faszinierte. Es sind Strukturen der Natur, die Dorothea Zechs Aufmerksamkeit auf sich ziehen."
In der Ausführung ist Dorothea Zechs Kunst aber auch eine "konkrete", "exemplifizierende". Dietfried Gerhardus schreibt 2007 in seiner Abhandlung "Zum Fundament konkreten Gestaltung" im Katalogbuch "Exemplifizieren wird Kunst" auf Seite 10: "Ihren Ort in unserer Lebenswelt findet die Exemplifikation zunächst unerwartet in der Probenahme, die so selbstverständlich zu unseren ganz üblichen Verständigungsmitteln gehört, dass sie von der Theorie kaum bemerkt wurde. Goodmans Paradebeispiel: die Stoffprobe bzw. das Stoffmuster in Gestalt eines Stückchen Stoffs, das von einem Stoffballen genommen wurde. Etwa beim Schneider findet sich eine Reihe verschiedenster Stoffmuster zu einer kleinen Kollektion zusammengestellt." In der künstlerischen Exemplifikation verweist diese (im üblichen Verständnis) nur auf sich selbst und auf nichts anderes, weder auf einen Stoffballen – noch auf die "Natur". In den Werken von Dorothea Zech aber verweisen Stoffe und Fäden auf sich selbst – und ermöglichen bisweilen zugleich Assoziationen an Anderes. Und keineswegs sind Konkretion und Exemplifikation notwendig mit einer geometrischen Formensprache und ihrer "Exaktheit" verbunden, wie eine Theorie der konkreten Kunst nicht selten glauben zu machen versucht. Wenn es sich auch so eingebürgert hat, das Schaffen von Dorothea Zech steht exemplarisch für eine Revision und Erweiterung dieser Auffassung.
Dorothea Zechs Arbeiten konzentrieren sich nicht allein auf das Saarland. In München, Heidelberg, Frankfurt oder im Ausland gibt es große Wandgestaltungen von ihr. Die Beteiligung an auch internationalen Ausstellungen zeugt von ihrer überregionalen Bedeutung. 1964 erhielt sie den Förderpreis Rheinland Pfalz Saar und bereits 1966 den Bayerischen Staatspreis.
In mehr als 50 Jahren künstlerischer Betätigung hat Dorothea Zech immer auch junge Menschen in einer dreijährigen Lehre in das Handwerk der Textilgestaltung eingeführt, sie zur Bildstickerin ausgebildet und ihnen damit eine berufliche Basis ermöglicht. 2009 erhielt sie den Goldenen Meisterbrief der Saarländischen Handwerkskammer.
Als Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft des deutschen Kunsthandwerks Deutschegruppe Textilkunst und im Verein Saarländisches Künstlerhaus engagiert sie sich immer wieder auch für junge Künstler und für die Außenwirksamkeit und Anerkennung der Textilkunst. Schon in den 1950er Jahren wurde Dorothea Zech Mitglied im Deutschen Werkbund Saarland und übernahm bald manche ehrenamtliche Tätigkeit. So vertrat sie ihn bei den Sitzungen des Bundesverbandes oder unterstützte ihn mit Ideen sowie tätiger Hilfe bei der Organisation und Ausgestaltung von Veranstaltungen.
Marlen Dittmann
Monografie
Sammelschriften
Redaktion: Claudia Maas
Privatpersonen | Schüler*innen, Studierende | Praxen, Kanzleien, gewerbliche Einrichtungen und Firmen | |
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je Kunstwerk | 50 € | 30 € | 80 € |
Für alle Entleiher gilt: