Exaktheit und Disziplin fließen auch in die Arbeit des Künstlers Hans Huwer ein, sicher der Einfluss des Grundlehrestudiums bei Oskar Holweck (Fachhochschule des Saarlandes/Fachbereich Design). Kontinuität, Disziplin, Bescheidenheit und äußerste Präzision bestimmen sein künstlerisches Tun. Hinzu kommt ein sehr starkes lyrisches Element - hierfür mag die Tätigkeit Huwers als Designer bei der Gestaltung von Bücher etwa mitverantwortlich sein. Wesentlich aber ist sicher die Offenheit und Geduld des Künstlers, die Materie - sein Arbeitsmaterial - als einen Teil der Natur so zu behandeln, dass die ihr innewohnende Poesie sichtbar werden kann.
Die systematische, exakte Anwendung einer genau terminierten künstlerischen Methode lässt über sachliche Formfindung hinaus poetische Mikrokosmen entstehen. Ebenso konsequent und beharrlich, in kleinen Schritten vorangehend wie sich sein bisheriges Gesamtwerk strukturiert, so ist auch Huwers Arbeitsweise. Gerade hier ist der Einfluss seines Lehrers Holweck spürbar. Sein Atelier, das auf Hans Huwers Arbeitsweise hin ausgerichtet ist - klar, sparsam, mit speziell angefertigtem Arbeitstisch, mit Oberlicht erhellt, möglichst staubfrei - bietet die unabdingbaren Voraussetzungen.
Huwer geht sehr sensibel an seine Materialien, Karton und Farbe/Farbmaterie (besser: Farbflüssigkeit) heran, man möchte auch von respektvoll sprechen. Malgrund ist Karton verschiedener Beschaffenheit. Die meist quadratischen Kartonplatten überzieht der Künstler mit einem rechtwinkligen Linienraster, häufig in einer Gittergröße von 4 mal 4 oder 8 mal 8 mm - auch andere Maße sind möglich und werden verwendet. Diese Vorgaben werden streng eingehalten. Die Linien werden mit Schneidemesser und Lineal eingetieft. Hier spielt ein "menschlicher" Faktor herein: der Druck der schneidenden Hand kann nie gleich sein - eine minimale Variable kommt hinzu. Die nur um kleinste Distanzen variierende Breite und Tiefe der Schnittlinien spielt eine wichtige Rolle im Entstehungsprozess.
Mit einer Pipette tropft Huwer Tusche in die Rasterfelder, je einen Tropfen in jedes Feld. Entsprechend einem vorher festgelegten Arbeits- bzw. Gestaltungsplan kann es bei einem Durchgang des Auftropfens bleiben oder weitere Durchgänge können folgen. Die Farbmenge bleibt dabei immer gleich - soweit das bei einer manuellen Ausführung lenkbar ist. Nun kommt eine zweite, wesentlich stärkere, Variable ins Spiel und Hans Huwers Respekt vor dem Material wird verständlicher: Das (Farb-) Material setzt den künstlerischen Prozess eigenständig fort. Die Farbe reagiert bzw. "handelt" immer.
Weniger stark tut dies der Karton. Über die in Bruchteilen von Millimetern differierenden Maße der Schnittlinien hinaus, lockern sich die Schichten des mehrschichtigen Kartons - die Farbe kann nicht nur von oben in der Fläche eindringen, sondern auch seitlich, so dass andere Nuancen bzw. Randfärbungen entstehen. Das eigentlich reagierende und handelnde Element ist aber die Farbe. Sie ist autark, bewegt sich frei, unregelmäßig, unberechenbar, immer wieder anders.
Der Künstler kann - bis zu einem gewissen Punkt - einen lenkenden Einfluss nehmen, etwa durch Auftragen eines Ölfilms oder eines Klebestreifens. Doch die Farbmaterie arbeitet auch nach Abschluss des künstlerischen Tuns weiter: nach dem Aufbringen eines Farbtropfens lässt Huwer die Arbeit über Nacht ruhen. Dabei folgt er einem System: um benachbarte Rasterfelder nicht im gleichen Arbeitsgang mit Farbe zu belegen, setzt er an vier aufeinanderfolgenden Tagen je einen Tropfen in ein Feld einer Vierergruppe; am jeweils nächsten Tag wird ein weiteres Feld belegt. Erst am vierten Tag tragen alle Felder einen Farbtropfen.
Große Arbeiten entstehen oft über einen Zeitraum von 2 bis 4 Monaten. Sie können bis zu 180 000 Tropfpunkte enthalten.
Akribie und Beharrlichkeit sind dazu notwendig. Darüber hinaus entsteht eine Intensität, die einen stark meditativen Charakter für den Künstler gewinnt, der sich auch dem Betrachter mitteilen kann.
Nie sind zwei Vorgänge von Auftropfen bis zum finalen Trocknen gleich; so kann sich bei gleichartig zusammengesetzter Tusche (dem bevorzugten Farbmaterial Huwers) der Farbton verändern. Sowohl bei Industrieware wie auch bei echter Sepia-Tinte können Varianten von Grün bis Rot entstehen. Huwer experimentiert auch mit der Beimischung verschiedener (Mal-) Bindemittel, die nicht nur die Konsistenz - und damit die Fließ- und Trocknungseigenschaften verändern - sondern auch wiederum die Farbnuancierung.
Der stets gleiche Arbeitsablauf in einem Werk zeitigt in jedem Rasterfeld ein neues Ergebnis: zum geringen Teil durch die kaum wahrnehmbaren Veränderungen der Handbewegungen des Künstlers von Schnittlinie zu Schnittlinie; zum größeren Teil durch die Reaktion der Farbe, die mitunter zu versuchen scheint aus dem Raster zu flüchten und mannigfaltige, vielgestaltige, immer neue Formen generiert bis hin zu Absplitterungen. Diese lassen etwa Bilder entstehen, die Negativfassungen der Sonnen-Corona ähnlich sehen.
Die Farbmaterie trägt Myriaden von Bildern als Potenz in sich, die zu Mikrokosmen werden und in erstaunlicherweise Fingerzeige auf den Makrokosmos geben, dem sie entstammen.
In der Arbeit "Py4.dc" bildet die Sepia-Tinte Formen aus, die nur noch eine Assoziation zulassen: aus dem Dunkel des Ozeans auftauchende Tintenfische, die Lieferanten der Sepiafarbe, die den Kranz ihrer Arme strahlenförmig ausbreiten.
Eine unüberschaubare Zahl von Formen beschreiben Welten, erzählen Geschichten, sind Kondensationskerne der Poesie.
Gleiches wie für die "Tropf-Arbeiten" gilt für die Zeichnungen Huwers. Anstelle des flüssigen Farbauftrages tritt der Kreidestrich mit seiner festgelegten Art der Handbewegung, seiner Platzierung und Länge. Ein Liniensystem wird ausgewürfelt, es entstehen wiederum Raster und Einzelflächen, die mit farbiger Schraffur gefüllt werden. Übereinander gelegte Schraffuren ergeben Verdichtungen, Schichtungen und werden zu einem dichten Gewebe mit großer Variationsbreite.
Kunst verlangt Freiräume - auch in ihrem Entstehungsprozess. In Hans Huwers wichtigster Werkgruppe, den "Tropf-Arbeiten", diktiert der Eigensinn des Materials die Arbeitszeit des Künstlers: eine Schicht muss kontinuierlich gesetzt werden - das Werk bestimmt den Arbeitstag des Künstlers.
In einer klaren, fast klinischen Arbeitsatmosphäre schafft Hans Huwer mit fast meditativer Konzentration Mikrokosmen in Vielfalt und Poesie.
Michael Jähne
Über Josef Albers Huldigung an das Quadrat hat Max Imdahl das Folgende geschrieben: "Im Sehergebnis lassen sich die Bilder von Albers als in sich selbst dynamisierte, wie in beständigem Aufscheinen begriffene Phänomen bezeichnen: das Auge ist aktiviert bis nahe an die Grenze seiner Adaptionsfähigkeit heran. Man könnte von einer gerade noch maßvollen optischen Provokation sprechen, welche auch die lineare Bestimmtheit der strengen Farbgrenzen optisch gleichsam beatmet." (Max Imdahl, Zur Kunst der Moderne. Ges. Schriften. Bd. 1. Frankfurt 1996) Die von Albers auf diese Gestaltung verwendete Bezeichnung "actual facts" kann man so begreifen als ein stetig andersartiges Aufscheinen der Bildphänomene. So ist es auch bei Huwer.
Diese Kunst bringt vor uns das in sich selbst gerasterte, faltenartige Bildding, das Bildding in seiner Gegenbildlichkeit zur unabbildlichen Vollzähligkeit der Welt, wie es einmal Rilke über seine dichterische Aufgabe formuliert hatte: "...die Weite, Vielfältigkeit, ja Vollzähligkeit der Welt in reinen Beweisen vorzuführen... ein Ding in seinem eigentümlichen Gefühlsraum darzustellen." (Rainer Maria Rilke, Vorrede zu einer Vorlesung aus eigenen Werken, 1919).
Das Bildding steht vor uns als unabweisbares Zeugnis der Welt.
Bacsó Bela
Redaktion: Claudia Maas
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