Erinnerungen an den Maler Edvard Frank (1909-1972)
Wer ihn je sah und sprach, wird nie diesen stillen Menschen vergessen, der leicht unbeholfen wirkte, verhalten lächelte und leise Bemerkungen machte, die zum Hinhorchen zwangen. Er konnte stockend und nach Worten suchend treffende Äußerungen über Kunstwerke, über menschliche Verhältnisse oder über Landschaften abgeben, alles wie mit feinen Strichen gezeichnet und mit kleinen Fragezeichen versehen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er seine Mitmenschen und blieb in der Beurteilung ihrer Stärken und Schwächen immer behutsam. Behutsamkeit ist vielleicht eine seiner Haupteigenschaften gewesen, liebenswert und hilfsbedürftig zugleich.
Das laute Treiben bei weinseligen Künstlerzusammenkünften, sei es im Kreise der Darmstädter, sei es im Kreise der Pfälzischen Sezession, denen er seit ihren Neugründungen gleich nach 1945 zugehörte, nahm er lautlos lachend freundlich zur Kenntnis, - aber er konnte da nicht mithalten. Doch fand er es nicht abstoßend, wenn etwa im Speyrer "Domnapf" am Abend nach der Ausstellungseröffnung (so im Sommer 1950) seine Kollegen mit roten Köpfen schrien oder vor Schadenfreude über deftige Atelierwitze brüllten, - er ging dann ganz in sich, als zöge sich eine Schnecke bei anhaltender Berührung in ihr Haus zurück.
Leichte Melancholie umflorte seinen Blick, und es war kein größerer Gegensatz denkbar als der zwischen bramarbasierenden Kunst-Kraftmeiern und dieser zarten Seele. Seine lyrische Ader fühlte sich zu Dichtungen hingezogen, er hatte manche Freunde im George-Kreis, dessen Resident in Kreuznach Professor Dr. Thormaelen war. Rilkes Duineser Elegien entsprachen seiner geistigen Gestimmtheit. Und hinter diesen beiden bedeutenden Dichtern des frühen 20. Jahrhunderts tauchte die Welt der Antike auf, in der Edvard Franks Wahlherkunft wurzelte.
Man hat es oft betont und auf die Formel bringen wollen, er sei einer der letzten Deutsch-Römer gewesen, Deutsch-Römer im Sinne Goethes und dann des Kreises um Konrad Fiedler, Adolf Hildebrand, Hans von Marées. Tatsächlich ist die Bedeutung der Kunst Hans von Marées noch immer im In- und vor allem im Ausland verkannt. Sie war eines der Schlüsselerlebnisse des jungen Frank. Aber es führte nicht zur Nachahmung oder zu einem kalten Neo-Klassizismus. Man spürt in Franks frühen Aquarellen die Wirkung der ruhigen, harmonischen Kompositionsgesetze, die Marées um 1870 für seine Malerei erarbeitet hatte. Die Ausstrahlung dieses neuklassischen Meisters, dessen Werke vor allem in Elberfeld, wo er herstammte, in Berlin und München gesammelt und dessen Fresken in Neapel Ziel mancher Pilgerfahrt (auch von Frank) wurden, überlagerte dann jedoch der Eindruck von Picassos und auch Braques Arbeiten der "Epoche Ingres", der sogenannten neoklassizistischen Periode der Zwanziger Jahre dieser in Paris lebenden Künstler-Dioskuren. Man erkennt vor allem in manchen der vielen Zeichnungen Franks, besonders in den Abkürzungen klassischer Profile und Figurenumrisse, diesen Anstoß der Moderne seiner Jugendzeit.
Edvard Frank studierte 1926-29 in Trier bei Professor Trümper, später bei Richard Seewald, auch einem Mittelmeerfreund, in Köln, und bei Carl Hofer und Alfred Strübe in Berlin. Dann folgte ein Studienaufenthalt in Rom 1934-35. Entscheidend war in Trier und Rom das Antikenerlebnis. Die Welt der antiken Kentauren und Nymphen, der römischen Athleten und der frühchristlichen Märtyrer, die Mosaiken und Reliefs der alten Kaiserstädte sollten immer wieder in seinen oft kleinformatigen Tuschbildern auftauchen, verwandelt, in farbige Glut getaucht und in abstrahierenden Abbreviaturen. Es gibt postkartengroße Aquarelle dieser Thematik aus den vierziger und fünfziger Jahren, die wie Entwürfe zu Wandbildern erscheinen. Tatsächlich enthalten sie eine innere Monumentalität, die zur Ausführung echter Fresken drängte.
Erst nach der Währungsreform, als wieder Mittel für die künstlerische Ausschmückung öffentlicher Bauten zur Verfügung standen, kam auch Edvard Frank zum Zuge mit einigen wenigen Wandbildern. In Kreuznach durfte er ein größeres Fresko im Neubau des Gymnasiums 1951/52 ausführen, das manche Beachtung fand, aber später aus Unverstand beseitigt wurde, und auch im Hause des väterlichen Freundes, des Bildhauers und Kunsthistorikers Professor Dr. Thormaelen (dessen Lebenserinnerungen übrigens lesenswert sind) konnte Frank ein Wandbild gestalten und in der Pfalzgalerie Kaiserslautern wohl sein schönstes.
Man hätte ihm mehr solcher Möglichkeiten gewünscht. Freilich befand er sich mit diesen Aufgaben auch in einem gewissen Zwiespalt. Der so feinsinnige, jeder lauten Gebärde abholde Künstler war doch mehr ein Schöpfer des kleinen und mittleren Formats, wenn es auch innere Größe enthielt, wie die Mehrzahl seiner meisterlichen Aquarelle. Bei der Umsetzung aquarellierter Entwürfe in das Wandbildformat gingen aber die Wirkungen des spontanen flüssigen Pinselstrichs, die fließenden Farbübergänge und die dunkelleuchtenden Schattenbahnen verloren, - wie sie etwa im jetzt hier ausgestellten Wasserfarbenbild "Tennisspieler" von 1948 beeindrucken.
Um bei diesem Bilde zu bleiben, muß auch auf die Strukturierung hingewiesen werden, mit der Frank souverän und oft keck Flächen belebte und dekorativ-gegenständlich ausdeutete, wie in dem genannten Aquarell die Netzbarriere zwischen den Tennisspielern oder den Hintergrundstreifen. Meereswellen, Blumensträuße, Körbe, gemusterte Mädchenkleider, Boden- und Mauerflächen konnte er mit ungemein frischer Pinselschrift in dieser Weise zum Vibrieren bringen.
Kein Wunder, dass er auch in seinem letzten Schaffensjahrzehnt in dieser Technik fast abstrakte Kompositionen schuf, die wie ungegenständliche Farbmosaike wirken, aber noch immer gegenständliche Vorstellungen umsetzen. Frank behauptete sich in den Jahren der großen Welle der ungegenständlichen Malerei zwischen 1950-1965 mit seiner gegenstandsbezogenen Kunst. Doch merkt man die innere Auseinandersetzung mit der zeitweiligen Übermacht einer internationalen nonfigurativen Gestaltung. Er nutzte die Erkenntnisse, die er aus der Anschauung der Malerei etwa eines Wilhelm Nay gewann, blieb aber seinen Vorstellungen treu, ideale Menschenbilder in einer modernen Welt mit klassischen Maßstäben zu entwerfen, darin Werner Gilles, Kuhn, auch Bargheer und Rolf Müller-Landau nahestehend, anderen Italiendeutschen der Kunst seiner Zeit. Das Räumliche wurde zunehmend flächenhaft. Wenn er in den vierziger und fünfziger Jahren seine Szenerien wie kleine Bühnenbilder entwarf, in denen die Figuren wie Statuen ihre Plätze auf schmalem Aktionsboden zugewiesen bekamen, so wurden sie in den sechziger Jahren immer mehr mit dem Malgrund verbunden. Die Räume zwischen den Körpern wurden nun gleichwertig diesen behandelt, als Teile einer Mosaik Komposition.
Außer der großen Fülle der Zeichnungen, die oft mit farbigen Tinten in breiteren, den Kontur betonenden Linien ausgeführt wurden und die wie Tagebuchseiten immer neue Zeichen- und Schreibblöcke füllten, Zeichnungen von großer Ökonomie der Mittel, ein wenig an Matisse erinnernd, und außer den großen Aquarellblättern in staunenswerter Zahl, die in der Stille seines Zimmer-Ateliers in Birkenfeld, St. Wendel, und dann in Bad Honnef und Saarlouis entstanden, malte Edvard Frank auch Leinwandbilder von intensiver Leuchtkraft. Gesammelt konnte man sie erstmals in einer größeren Zusammenstellung 1965 in der Ausstellung des Koblenzer Künstlerhauses Metternich sehen: selbst seinen Freunden waren viele dieser Gemälde bis dahin so gut wie unbekannt geblieben. Allzu sehr hatte man sich auf Frank als den Aquarellisten par excellence eingestellt, dem das Tafelbild anscheinend nicht entsprach. Doch zeigte die klug ausgewählte Schau von 1965 köstliche Beispiele seiner helltonigen Ölmalerei. Südliche Sonne, italienische Meeresküsten, goldgelbe Gründe, türkisblaue Fernen strahlten in ungebrochenen Farben. Man sah durch diese Bilder, Visionen eines geläuterten Daseins, in die tiefe Sehnsucht dieses einsamen Menschen, der zwar manche Freunde hatte und auch ihn umsorgende Freundinnen, aber doch den Eindruck eines freundlich-melancholischen Eremiten machte, den die Welt erschreckt in ihrer materiellen Geschäftigkeit und Rohheit.
Man sah dort ein weiteres Gemälde von zweifellos symbolischem Charakter, einen "Heiligen Sebastian ". Die Gestalt des frühchristlichen Märtyrers stand pfeildurchbohrt wie ein Bild im Bilde, in gedämpften graublauen Farben, nicht in der Dunkelheit früherer Darstellungen christlicher Motive Franks, die (wie die "Romanische Madonna" der jetzigen Ausstellung) an Rouault denken lassen. Uns erschien diese Gestalt wie ein seelisches Selbstbildnis des Künstlers, den die Schwere irdischer Existenznot niederdrückte, während sein Auge himmlische Bläue und leuchtende Fernen sieht.
Es ist eine dankenswerte Tat, das Schaffen dieses Malers, der zu den zu Unrecht fast vergessenen zählt, zehn Jahre nach seinem Tode (in Saarlouis) und zwei Jahre nach der Ausstellung in St. lngbert für den Träger des Albert Weisgerber-Preises nun hier in Saarbrücken, wo er so oft Proben seiner Aquarellkunst ausstellte, wieder zu zeigen. Franks farbenfrohe, farbentiefe, arkadische Bilder stellen eine Gegenwelt zur hektischen, überzivilisierten, übertechnisierten, - und uns deshalb fragwürdig gewordenen Existenz - unserer Zeit dar, - ähnlich der Bilderwelt eines Henri Matisse, die schlichte Farbschönheit in einfachsten Formen als beglückende Seherlebnisse vermittelt.
J. A. Schmoll gen. Eisenwerth
Ansprache aus Anlass einer Ausstellung der nachgelassenen Werke des Künstlers in der Galerie im Kutscherhaus Saarbrücken am 9. Juni 1982
Aus: Neue Saarheimat, Heft 6, 1982, S.136ff (Wiederabdruck in Petra Theobald: Mythos und Moderne Edvard Frank Leben und Werk. Eine Biographie mit Briefen. Hg. Rathaus Galerie, Gerti Willmes, Euskirchen 1999, S. 13-15
Redaktion: Doris Kiefer, Christine Koch, Susanne Weber-Schäfer
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