Die Gebäude der Brauerei Becker, St. Ingbert, ein Entwurf des Stuttgarter Architekten Hans Herkommer
Der Sudturm der St. Ingberter Brauerei Becker wurde zu einem Wahrzeichen der Stadt, so sehr beherrscht er ihr Bild. Zwischen 1925 und 1928 erbaut, 41m hoch. Zusammen mit dem Sudturm entstanden weitere Betriebsgebäude, die ihren Funktionen entsprechend einzelne Höfe bilden (Kaiserstraße 170-174). Die jeweiligen Aufgaben und die Möglichkeiten des Betons führten zu unterschiedlich gestalteten Einzelbauten, die doch alle einem übergeordneten, geometrischen Formenkanon unterliegen.
Die Stahlbetonkonstruktion des Turmes umfasst neun Geschosse. Ihre erdenschwere Massivität und Wucht löst sich in den oberen Geschossen immer weiter auf in asymmetrisch versetzte Kuben unterschiedlichen Gewichts, die Konstruktion wird leichter, scheint sogar vom Boden abzuheben. Fenster verschiedenster Art und Größe gliedern die Wände, schließen bündig ab, treten tief in sie zurück. Charakterisieren die unteren Stockwerke schmale, hohe Fensterschlitze mit je eigenem spitzen Dreiecksabschlüssen und schrägen Sohlbänken, betonen damit die Vertikalität des Baus - und gewähren Einblick in den Sudraum - , so bilden in den Obergeschossen querrechteckige Fensterformate ein spannungsvolles Gegengewicht. Schmale hervorkragende Gesimsbänder unterstreichen ihre Horizontalität. Ebenso ausgebildete Rahmen fassen Fensterpaare zu einem die Ecken überspielenden Band zusammen, akzentuieren damit die Massenwirkung des Turmes. Übereinander gestapelte Kragplatten wiederum lösen die Wand in waagerechte Streifen auf. Die nüchternen Betonwände erhalten durch diese auf Wirkung und Aussage bedachte Architektur Plastizität und Dynamik und sie weist auf die je eigenen Funktionen im Inneren hin.
Die luftige Plattform im obersten Geschoss erlaubt einen Rundblick über Stadt und Umgebung. Das Braustübl hat auch heute noch seine originale Einrichtung. Die sieben Geschosse darunter sind unter brautechnischen Bedingungen errichtet. "Der Sudhausturm zeigt ein Bild höchster technischer und architektonischer Vollendung. Durch hohe Fenster flutet das Tageslicht in den mächtigen Raum und spiegelt sich hundertfach in den warmgetönten Wandverkleidungen und blankgeputzten Kupferhauben fünf riesiger Pfannen." (Mundorff 1952, S. 65) Die technische Einrichtung, vielfach nachgeahmt, ist nur im Sudraum noch erhalten: Podest und Treppenstufen und die Wandverkleidung sind mit gelben Kacheln belegt, blaue Kacheln an den Pfeilern und eine grüne Decke ergänzen das farbige Bild. Die Möbel im Direktorenzimmer, die Einrichtung des Braustübls sowie Türen und Lampen wurden von Hans Herkommer entworfen und zeigen seine meisterhafte Beherrschung geometrischer Grundformen.
Eine horizontale Gliederung bestimmt Verwaltungsgebäude und Expedition, Ziegelsteinfelder zwischen den liegenden Fenstern verknüpfen sie zu einem langen durchgehenden Band, das um Gebäudeecken und -winkel herumführt und so nicht mehr die einzelne Fassade herausstreicht, sondern den Baukörper. Ein Halbrund mit den Expeditionsbüros schwingt sich in den Hof, gestattet Einsicht in die Betriebsvorgänge draußen.
Peter Behrens äußerte 1920: "Bei den Formfragen aller gewerblichen Anlagen handelt es sich stets darum, aus dem Wesen der zu gestaltenden Dinge selbst ihren Charakter zu schöpfen, den Typus zu ergründen. (…) Das heißt nichts anderes als auf alle Bedingungen, die eine Anlage mit künstlerischen und technischen Mitteln stellt, einzugehen, diese zu unterstützen, ja sie zum Grundsatz zu erheben und diesen zum sichtbaren Ausdruck werden zu lassen." (zitiert nach Behne 1923, S. 29) Dies hat Hans Herkommer mit der Becker-Brauerei verwirklicht.
In späteren Jahren kamen weitere, nicht mehr von Herkommer errichtete Bauten hinzu. Die gesamte Anlage ist nicht mehr in Betrieb, die Bauten dienen anderen Nutzungen, das Ensemble wurde in die Denkmalliste des Saarlandes aufgenommen.
Marlen Dittmann
Biografie
Hans Herkommer, Architekt
geboren 1887 in Schwäbisch Gmünd
gestorben 1956 in Stuttgart
Bibliografie
Redaktion: Oranna Dimmig, Claudia Maas
Privatpersonen | Schüler*innen, Studierende | Praxen, Kanzleien, gewerbliche Einrichtungen und Firmen | |
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je Kunstwerk | 50 € | 30 € | 80 € |
Für alle Entleiher gilt: