Das barocke Landschloss
Das barocke Familienschloss des Freiherrn Johann Wilhelm Ludwig von Hagen zur Motten, 1709 bis 1711/12 erbaut, wurde zwischen 1862 und 1882 vollständig abgerissen. Die beiden in Privatbesitz befindlichen zeitgenössischen Ansichten vom Schloss, ein Ölgemälde von 1779 und ein Aquarell von 1839, geben sein wirkliches Aussehen nur unvollständig und vage wieder.
Von der ehemaligen als zweiteiliges Wasserschloss angelegten Gesamtanlage zeugen nur noch der umgeänderte Torbau und der östliche Teil des ehemaligen dreiflügeligen Wirtschaftstrakts. Eine von Hainbuchen gesäumte Allee auf den Torbau zu lässt noch etwas von der ehemals idyllischen Lage des Wasserschlosses zur Motten erahnen, und die heutige Bezeichnung des inmitten einer verbauten und etwas verwahrlosten Wirtschaftsanlage gelegenen Torpavillons als „Hofgut Motte“ hält die Erinnerung an die Entwicklung aus einer frühmittelalterlichen Mottenburg an dieser Stelle noch wach, verführt aber immer wieder zu dem Trugschluss, der Baumeister Motte dit la Bonté sei hier namensgebend gewesen.
Die Zweiteiligkeit der Mottenanlage aus dem 14. Jahrhundert hat sich über die Jahrhunderte hinaus erhalten und führte bereits im 17. Jahrhundert zu einer frühbarocken Schlossanlage mit großzügigem Wirtschaftshof, zu dem vermutlich der noch erhaltene Torbau schon gehörte.
Der Schlossneubau von 1709/12 wurde teilweise auf den Fundamenten dieses Vorgängerbaus und unter Einbeziehung des erhaltenen Torbaus in die Schlosskonzeption errichtet. Auch wurde weiterhin der Wasserschlosscharakter der Gesamtanlage mit den sie umschließenden und in zwei „Inseln“ trennenden Wassergräben beibehalten.
Die Gesamtanlage von Motten steht, wie aufgrund der Entwicklung des Torbaus festzustellen ist, in der Tradition der vorwiegend in Niederungsgebieten anzutreffenden zweiteiligen Wasserburgen des 16. und 17. Jahrhunderts. Im Barock waren gerade diese Anlagen geeignet, den neuen Bauaufgaben wie fürstlichen Lust- und Jagdschlössern und den adeligen Landschlössern ein angemessenes Ambiente zu verschaffen.
Eine authentische Schriftquelle – Briefe des Eichstätter Domkapitular Johann Hugo von Hagen an seinen Bruder, den Schlossherrn Johann Wilhelm Ludwig von Hagen – nennt erstmals namentlich am Bau tätige Architekten und Handwerker und stellt das Schloss in den Zusammenhang mit kurtrierischen Künstlern unter Kurfürst Johann Hugo von Orsbeck. Sie bringt außerdem einen neuen Aspekt in die bisher offene Baumeisterfrage, den des architekturbeflissenen „fürstlichen Baumeisters“, der uns in der Person des Bauleiters und Bruders des Bauherrn begegnet. Aus seinen Briefen ist zu erfahren, dass er Pläne und Entwürfe für den Schlossneubau zeichnete, in denen zweifellos Kenntnisse aus zeitgenössischer und historischer Architektur sowie architekturtheoretischen Werken verarbeitet wurden. Leider sind diese Zeichnungen bis jetzt noch nirgends aufgetaucht, aber in den Briefen z.T. bis ins letzte Detail beschrieben.
Obwohl Johann Hugo von Hagen bei der Beschreibung seiner Pläne und Entwürfe immer wieder die Architektur der „Italiener“ als nachahmenswert herausstellt und eine starke Vorliebe für die Benennungen „all’italienne“ zeigt, kann man vermuten, dass seine Ideen und Entwürfe auf französische Architekturtheoretiker zurückzuführen sind, insbesondere vielleicht auf Werke Charles-Auguste Davilers. Vor allem eine ausführliche Legende Johann Hugos zu einem nicht vorhandenen Universalplan von Schloss und Gesamtanlage zur Motten macht deutlich, dass hier bereits um 1707/08 eine bis ins Detail durchdachte barocke Gesamtanlage mit recht beachtlichen Ausmaßen und einer architekturtheoretisch-logischen Organisation der Bauteile geplant und ab 1709 auch durchgeführt wurde, wie die teilweise Übereinstimmung der Legende mit dem Lageplan von 1808 zeigt.
Die in der Legende beschriebene Distribution der beiden Hauptgeschosse zeigt neben einigen Ungereimtheiten und Abweichungen von der französischen Architekturtheorie des Barock sehr moderne und zweckmäßige Lösungen: So z.B. die Idee des appartement double mit den dégagements, die mit großen Fenstern geplanten Privets (Aborte), die gemäß „guter Architektur“ gestaltete Innentreppe und der gewölbte große Festsaal.
Aus den Bemerkungen über die Regelmäßigkeit der Fassadengestaltung und die Raumverteilung im Innern lassen sich eine Gliederung und Plangestaltung gemäß den architekturtheoretischen Anforderungen des Barock – gemäß den Postulaten der „commodité“ und „convenance“ – herauslesen.
Die einzelnen Elemente des Innenraums wurden z.T. ausgiebig zwischen Bauherr und Bauleiter, vermutlich auch mit den Architekten, auf ihre Vor- und Nachteile hin heftig diskutiert.
Es handelt sich bei Schloss Motten um ein privates Familienschloss auf dem Lande, um eine Maison de Campagne für eine große, angesehene adelige Familie also. Doch ist aus der Legende zu ersehen, dass in die Planung und vielleicht auch in die Ausführung des Schlosses sogar architektonische und stilbildende Elemente der Maison de Plaisance sowie das moderne Komfortbestreben in den französischen Stadthôtelbauten eingeflossen sind.
Johann Hugo von Hagens Legende zu seinem Gesamtplan von Motten zeigt, dass zumindest die Planung der Gesamtanlage des Familienschlosses zur Motten eine äußerst gelungenen Kombination aus einer vom 17. Jh. herrührenden Wasserschlosskonzeption und einer nach modernsten architekturtheoretischen Anforderungen des 18. Jh. – gemäß „convenance“ und „commodité” – gestalteten Maison de Campagne darstellt.
Für die Umsetzung der Zeichnungen Johann Hugos in ausführbare Baupläne und die technische Leitung am Bau bedurfte es eines geschulten Architekten. Als solcher wird mehrmals in der Schriftquelle der kurtrierische Hofbaumeister Philipp J. Honorius Ravenstein während der Planung und Ausführung des Schlossneubaus genannt. Anhand dieser eindeutigen Hinweise auf eine Beteiligung Ravensteins am Schlossbau in Motten ist anzunehmen, dass Philipp J. Honorius Ravenstein zumindest die technische Leitung am Schlossbau in Motten innehatte.
Aufgrund der weiterhin für Schloss Motten archivalisch bezeugten kurtrierischen Handwerker sind Parallelen zur kurtrierischen Baukunst, insbesondere zum kurfürstlichen Schloss Philippsburg in Ehrenbreitstein, festzustellen, durch welches vermutlich Bauherr und Bauleiter von Schloss Motten – was den Innenausbau und die Handwerker anbelangte- inspiriert wurden.
Aus der Vielzahl von Land- und Lustschlössern sowie Villenbauten des 18. und 19. Jh. in der näheren Umgebung von Motten sind drei verschiedene Bauten herauszukristallisieren, auf die das Schloss bzw. die Gesamtanlage zur Motten in unterschiedlichster Weise Einfluss ausgeübt hat. Der „Originalriss“ von Schloss Münchweiler (zwischen 1750 und 1760 datiert) ist mit Sicherheit von der zweiteiligen Gesamtanlage von Schloss Motten beeinflusst.
Der dreiflügelige Wirtschaftstrakt von Schloss und Hofgut von Galhau in Wallerfangen (1862) scheint mitsamt der Bezeichnung ´Hofgut` von der Wirtschaftsanlage mit Torbau und Arkadenflügel in Motten – in klassizistische Formen übersetzt – übernommen.
Das Stadthaus Coenen in Ehrenbreitstein (1713/14) ist vermutlich der einzige Bau, der direkt über den Baumeister Ravenstein – was seine Straßenfassade betrifft – vom verschwundenen barocken Landschloss zur Motten beeinflusst wurde.
Leider blieb diese doch recht beachtliche und für die Umgebung sehr moderne Landschlossanlage des frühen 18. Jahrhunderts ohne nachhaltigen Einfluss auf die Baukunst des 18. Jahrhunderts im Saarland.
Bibliogafie
Quellen
Landesarchiv Saarbrücken:
Stadtarchiv Saarlouis:
Bistumsarchiv Trier:
Stadtarchiv Trier:
Landeshauptarchiv Koblenz:
Margarete Wagner-Grill
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