Eines der frühesten bekannten Werke von Günther Willeke stammt aus dem Jahr 1947. Es zeigt die Saarschleife bei Mettlach und hängt auch heute noch im Atelier des Künstlers in Schwalbach. Das kleine Ölbild - mit den Farben eines Malkastens realisiert, den ein Onkel aus Trier als Geschenk mitgebracht hatte - entstand in einer Lebensphase, in der der junge Willeke längst entschlossen war, seiner künstlerischen Bestimmung zu folgen. Er tat dies mit jener Unbeirrbarkeit, die ihn auf seinem über sechzig Jahre währenden Weg stets geleitet hat.
Seine berufliche Laufbahn startete der 1928 in Griesborn geborene Saarländer mit einer Lehre als Plakat- und Kirchenmaler, die er zwischen 1943 und 1946 bei einer Dillinger Firma absolvierte. Um seine künstlerischen Ambitionen weiterzuentwickeln, ging er 1948 nach Saarbrücken an die "Schule für Kunst und Handwerk". Viel wussten die jungen Studenten damals nicht über das neuere nationale und internationale Kunstschaffen, waren sie doch in einer Zeit aufgewachsen, in der die Werke moderner Maler als "entartet" galten. Demnach hatten ihre Lehrer an der "Schule für Kunst und Handwerk" - Henry Gowa, Franz Masereel, Otto Steinert, J. A. Schmoll genannt Eisenwerth, Boris Kleint, Karl Kunz und viele andere - wahre "Aufklärungsarbeit" zu leisten. Künstlerischen Austausch pflegte man vor allem mit dem Nachbarland Frankreich. So organisierte Henry Gowa 1947 eine Ausstellung in Saarbrücken, die der jüngeren französischen Kunst gewidmet war. Vertreten war alles, was Rang und Namen hatte, darunter auch Picasso, Braque, Matisse, Chagall, Derain und Dufy. Die Begegnung mit den großen Vorbildern lieferten den angehenden Künstlern wertvolle Impulse.
Zeitlebens bewunderte Günther Willeke seinen Lehrer Karl Kunz. Dieser betreute eine Malklasse, unterwies seine Schüler aber auch in der von Boris Kleint maßgeblich geprägten "Grundlehre" - als unverzichtbare Basis für die künstlerische Ausbildung an der Saarbrücker Schule. Als Schüler von Johannes Itten stand Kleint der Bauhaus-Lehre nahe, viele ihrer Gedanken und Aspekte kehrten in der Saarbrücker Grundlehre wieder. Diese Form-, Farb- und Kompositionslehre handelt vom Wesen der Bildgestaltung und ihren grundlegenden Elementen wie etwa Linie, Punkt, Kreis, Struktur, Farbe, Licht und Dunkelheit. Es geht dabei um deren Bedeutung für den Bildaufbau sowie deren Kraft und Wirkungsweise auf der Fläche und im Raum. Anders als bei Boris Kleint, der sich ganz der abstrakten Malerei verschrieben hatte, lag der künstlerische Schwerpunkt seines Kollegen Karl Kunz vor allem im Figurativen. Charakteristisch sind seine dicht gefüllten, in kubistischer Manier gebauten Bildräume von bühnenhaftem Charakter, in denen die Akteure in surrealen Szenerien agieren.
Ganz offensichtlich orientierte sich der junge Willeke an der stilistischen Ausrichtung seines Lehrers. Auch er hat in vielen seiner Gemälde Aspekte des Surrealismus und des Kubismus aufgegriffen. Von Anfang an stellte - neben der steten Entwicklung einer eigenen Formensprache - die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Stilen der klassischen Moderne einen wesenhaften Zug im Schaffen des Saarländers dar. Sie eröffnete ihm eine Vielfalt an Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks, die er in seinen Arbeiten meist mit bestimmten Bildaufgaben verband. So sah er in der Bildsprache der Surrealisten ein adäquates Mittel, Aspekte des menschlichen Seelenlebens zu veranschaulichen.
Dies zeigt das besonders ausdrucksstarke Gemälde "Erinnerung", das zu Beginn der 1970er Jahre in Gedenken an den damals gerade verstorbenen Karl Kunz entstanden sind ist. Die Trauer über den Verlust des verehrten Lehrers hat sich hier zur schieren Verzweiflung gesteigert. Figur und Architektur gehen hier eine symbiotische Beziehung ein sind in symbiotischer Beziehung miteinander verbunden. So scheint der Kopf der sitzenden Gestalt Sitzenden mit der Bildkulisse regelrecht verschmolzen zu sein. Ein lautloser Schrei dringt durch das Tor des ihres weit geöffneten Mundes. Die langen Haare sind zu lodernden Flammen stilisiert. Stark kubistische Züge liegen dem 1980 entstandenen Gemälde "Gethsemane" zugrunde. Fläche und Raum, Figuren und Landschaft sind hier in ein übergeordnetes System aus geometrisierenden Bildelementen eingebunden.
Von Anfang an kann man die Rückführbarkeit der Bildmotive auf geometrische Grundformen als ein charakteristisches Stilmittel in den Arbeiten von Günther Willeke beobachten. So etwa in der kleinen "Hafenszene" von 1949" oder in der "Zweigeteilten Komposition", die von 1948, also aus Willekes Anfangsjahr an der Kunstschule in Saarbrücken stammt. Hier stehen sich eine weibliche und eine männliche Figur im Wechselspiel zwischen gerundeten und spitzen bzw. ovalen und dreieckigen Formen gegenüber.
Auch in den späteren Jahren hat der Maler seine Figuren oft einer vereinfachenden Formengebung unterworfen. So geht von den gleichförmigen kompakten Körpern der "Boulespieler" - wohl eine Arbeit von 1986 - eine gewisse Bodenständigkeit und Überzeitlichkeit aus.
Ganz ähnlich verhält es sich mit der wohl in die späten 1980er Jahre zu datierenden Darstellung einer "Frau bei der Olivenernte". Willeke hat die stark stilisierte, aus halbrunden und zylindrischen Formen gebildete Rückenfigur in das Idyll einer bukolischen südlichen Landschaft eingebunden - ein Idealbild einfachen ländlichen Lebens, das unter dem Eindruck einer seiner Malreisen in den Süden Frankreichs entstanden ist. Gerne hielt sich Willeke zusammen mit seiner Frau, der Malerin Cilli Willeke, in der Provence auf. Viele Arbeiten des Künstlers sind in der heiteren Atmosphäre der mediterranen Landschaft entstanden. So etwa auch das um 1985 gemalte Aquarell "Landschaft im Luberon" (Roussillon).
Zu stereotyper Formensprache steigert sich die Figurenbildung Willekes in der Serie "Menschen unterwegs". Die um 1997/98 geschaffenen Großstadtszenen zeigen Männer und Frauen, die sich in beziehungslosem Nebeneinander auf Rolltreppen, Bahnsteigen, in Wartesälen oder U-Bahn-Schächten sammeln. Ihre schemenhaften, entindividualisierten Gesichter tragen der Anonymität des Großstadtbetriebs Rechnung.
Besonders eindrucksvoll kommt die elementare Bildsprache des saarländischen Malers in den großen geometrischen Formen seiner "Industriebilder" zur Anschauung. Zylinder, Röhren, Kuben und Kegel beherrschen viele der imposanten, oft in monumentalisierender Untersicht wiedergegebenen Darstellungen. (Bsp.: Stahlwerk Neunkirchen von 2007). Hier hat Günther Willeke der saarländischen Kohle- und Stahlindustrie ein Denkmal gesetzt, überführt die Industrie-Riesen seiner Heimat in eine kraftvolle Bildsprache von eigener Prägung.
Ausgesprochen vielfältig gestaltet sich das Zusammenspiel von Farbe, Form und Komposition in seinen "freien", also ungegenständlichen Arbeiten. Streng geometrisch sind die sechs Tafeln einer großformatigen Wandinstallation aufgefasst, die von den Klängen des Oratoriums "Libre Vermell de Monserrat" von Xavier Benguerell inspiriert sind. Der Maler hat das geometrische Formenrepertoire voll ausgeschöpft. Die bunten, in allen Größen und Kombinationen miteinander korrespondierenden Kreise, Bögen, Linien, Drei- und Vierecke spüren dem lebendigen Rhythmus der Musik nach. Die Farben sind in klare Formen gefasst, diese zu einer stark verdichteten Komposition zusammengefügt.
In der "Quadratur des Kreises" von 1996 ist die Strenge und Dichte des geometrischen Bildgefüges einer großzügigen Bildanlage aus transparenten in- und übereinander geschobenen Kreisen und Rechtecken gewichen.
Eine ganz andere Bildauffassung herrscht in der "Abstrakten Komposition Nr. 4" vor. Dort haben sich die festen Formen in freie gestische Figuren und energetisch aufgeladene Linien und Bögen verwandelt.
Auffallend wirkt die "Abstrakte Komposition Nr. 5", ein ungewöhnlich großformatiges Aquarell von 1985. Hier nun tritt die Form zugunsten der Farbe dezent zurück. Weit ausholende Wirbel aus dicht gesetzten pastellfarbenen Strichen nehmen die Rundungen der zarten, im Bildraum schwebenden Kreis- und Kugelformen auf und übersetzen sie in die dynamischen Drehbewegungen eines sprühenden Farbregens. "Farbe", so schreibt Günther Willeke, "zeigt sich sowohl in den heftigen Pinselschlägen gestischer Malerei, wie auch in der Transparenz mehrschichtig sich überlagernder Farblasuren. Komposition ist in jedem Bild real, von Farbe und Form überlagert, bleibt sie jedoch spürbar" (Website Günther und Cilli Willeke).
Gänzlich aus der Farbe heraus gestaltet und von der Form emanzipiert, präsentieren sich schließlich die drei hochrechteckigen Tafeln des Triptychons "Super Nova" von 1989. Die groß angelegte Komposition setzt sich allein aus amorphen, sich überlagernden und ineinanderfließenden Farbwolken zusammen.
Auf immer neue Arten und Weisen ergründet und hinterfragt der Maler das Wesen von Farbe und Form.
Als kritischen Beobachter lernen wir Günther Willeke in den Darstellungen seines Zyklus "Figure tombée" kennen. Dort setzt sich der Künstler mit heiklen Themen wie Gefährdung der Umwelt, Krieg, Gewalt und Zerstörung auseinander. So sind etwa die zerbrochenen Säulen in einem Pastell von 1991 - der Künstler malte das Bild anlässlich des Ausbruchs des Zweiten Golf-Krieges - nicht nur als Sinnbilder materieller Verwüstung, sondern vor allem als Angriff auf die kulturelle Identität und damit auch die Seele eines Volkes zu begreifen.
Im Laufe seines Schaffens hat der Maler viele Sujets - Natur- und Industrielandschaften, Großstadtszenen, Stillleben, religiöse und politische Arbeiten wie auch abstrakte Kompositionen - aufgegriffen, war in nahezu allen künstlerischen Techniken wie Öl, Acryl, Aquarell, Pastell, Bleistift- und Federzeichnungen zuhause. Als gelernter Dekorationsmaler hatte der Saarländer auch keinerlei Scheu vor großen Formaten, schuf flächenübergreifende Wandgestaltungen für Kirchen und Krankenhäuser. So etwa die Chorwandgestaltung in der "Herz-Jesu-Kirche" in Griesborn, den "Sonnengesang des Hl. Franziskus" für die Klinik in Neuwied, den biblischen Wandbildzyklus in der Krypta von St. Albert auf dem Saarbrücker Rodenhof oder das Triptychon für das Meditationszentrum St. Pantaleon in Köln.
1980 gab Willeke, durch eine schwere Krankheit bedingt, sein Geschäft für Maler- und Dekorateurbedarf auf, um fortan ausschließlich freischaffend zu arbeiten und sich ganz seiner schöpferischen Lebensaufgabe zu widmen.
Als engagierter Künstler öffnete sich Günther Willeke auch nach außen, war Mitbegründer des "Kunstforums Saarlouis" sowie des "Kunstvereins Cercles artistique Limes" und natürlich auch der "Künstlergruppe Untere Saar", deren Vorsitz er - mit Unterbrechungen - viele Jahre lang innehatte. Darüber hinaus trat Willeke als Kunstvermittler in Erscheinung: von 1980 bis 1985 wirkte er als Dozent an der Schwalbacher Malschule.
Die Freude am Variieren und Experimentieren, seine Offenheit für Neues und Anderes haben Günther Willeke ein Leben lang begleitet. Sein umfangreiches und breit gefächertes Werk offenbart die Facetten eines leidenschaftlichen und vielseitigen Malers, der das Experiment liebte und sich künstlerisch nicht einengen ließ.
Michaela Mazurkiewicz-Wonn
Auszüge aus dem Einführungsvortrag anlässlich der Gedenkausstellung "Günther Willeke – in memoriam" zum 80. Geburtstag des Künstlers am 11. Mai 2018 im Alten Rathaus Saarwellingen.
Institut für aktuelle Kunst im Saarland, Archiv, Bestand: Willeke, Günther (Dossier 605)
Redaktion: Doris Kiefer
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