"Sich bildnerisch auf einen Prozess einlassen, diesen tätig beobachtend, steuernd, eigene Dynamiken nutzend, begleiten - lebenslänglich, kein geschlossenes Weltbild, vielmehr ein offenes Weltgebilde." (Bodo Baumgarten in einem Brief vom 6.5.2000) Baumgartens Arbeiten sind Herausforderungen an den Betrachter, sich der Kraft der Farben auszusetzen, die in ihrem pastosen Auftrag drängende Körperlichkeit entfalten und wieder zurücksinken ins Ungreifbare. Auf ihren Trägern (Filz, Silikonmasse u. ä.) nehmen die Farben deren haptische Qualitäten auf und heben durch ihre ureigene Farbenergie das Material in eine geistige Dimension - Sinnlichkeit und Spiritualität als Leitgedanke für neue offene Welterfahrungen.
Michael Jähne
"Baumgarten begann als Maler. Dabei handelt es sich um eine Malerei, die durch eine subtile Behandlung der Farbe einen Bildraum konstituierte, so daß bereits hier jenen Faktoren eine entscheidende Rolle zukam, die von bleibender Bedeutung für ihn werden sollten: Farbe und Raum. Die Collagen, die dann in der Mitte der 60er Jahre entstanden, waren ein erster Schritt über die Malerei hinaus. Durch Schnitte und Zeichnungen wurden räumliche Wirkungen erreicht, so daß sich schon bald eine Entwicklung abzeichnete, die konsequent auf eine reale Räumlichkeit zielte. Ende der sechziger Jahre waren es bemalte Wandobjekte, die Baumgarten beschäftigenden. Licht und Farbigkeit erreichen in diesen Objekten auf unterschiedliche Weise jene Verwandlungen von Materie und Raum, die Baumgarten letztlich erstrebt. Zunächst resultiert aus der jeweiligen Farbigkeit dieser Körper der Eindruck von Leichtigkeit oder auch Gewicht, die Farbe unterstreicht, interpretiert ihre materielle Beschaffenheit oder hebt sie auf. Durch die farbige Gestaltung eines Objektes ergeben sich ferner Teilungen, Richtungen, Möglichkeiten, dem Gesetz der Gravitation optisch entgegenzuwirken.
Mehrere in Form und Farbe unterschiedliche Objekte auf einer Wand zusammengefaßt, treten darüber hinaus miteinander in Verbindung. Formen wie Farben der einzelnen Objekte kommunizieren, aus Teilen wird ein Zusammenhang. Gleichzeitig bewahrt jedes Objekt autonomen Charakter, so daß die Wand zu einem Bezugsfeld gleichberechtigter Teile wird. Dabei bleibt die Wand selbst keineswegs neutraler, allenfalls im materiellen Sinn relevanter Hintergrund, sondern wird in den Gestaltungsprozess einbezogen. Durch einfallendes Licht entstehen diffuse Schattenzonen, die der Wand ihre Materialität ebenso nehmen, wie die durch sie reflektierende Farbigkeit der einzelnen Objekte. In diesem Zusammenhang wird die Funktion des Lichts nur zu evident. Baumgarten selbst weist auf "das Licht, das an einem Körper sich zur Farbe bildet, das einen Körper umspielt, ihm seine visuelle Schwerkraft oder seine Festigkeit deutbar macht. Auflicht, Seitenlicht, Licht durch Materie hindurch, Farben im Licht, Färbungen im Licht" (Baumgarten 1973, S. 20). Licht in seiner jeweiligen Erscheinungsweise beeinflußt einerseits das Objekt selbst und seine Farbigkeit, es trägt ferner dazu bei, daß sich seine ästhetische Wirkung nicht allein auf seine dinghafte Erscheinung reduziert, sondern daß die Wand, der es verbunden ist, durch Schattenzonen und Farbreflexe integriert wird. In diesem Faktum liegt eine der Eigenschaften, die die Objekte Baumgartens von der traditionellen Form des Reliefs unterscheiden.
Doch da ist nicht allein das Objekt und die Wand, der es materielle anhaftet, vielmehr gibt es zudem jenen Raum, in den es hineinragt und dessen Erlebnis sich durch das Objekt modifiziert. Die Wirkungen der Wandobjekte Baumgartens im Hinblick auf den Raum, die Relation von Körper und Raum hat Helmut Heißenbüttel wie folgt beschrieben: "Wenn ein Körper wie ein Teil der Wand als Innenbegrenzung aus der Wand heraustritt, bleibt er körperliche Außenbegrenzung und ist zugleich als Modifikation von Innenbegrenzung, Innenbegrenzung. Wird so aber die Innenbegrezung der Wand als Fortsetzung des aus ihr heraustretenden Körpers Außenbegrenzung… Objekte als Körper mit Außenabgrenzung, die weit in den Raum hineinragen, sind anschaubar allein in der unauflösbaren und wechselweise bedingten Anschauung von Körperhaftem und Räumlichem, von Begrenzung außen und Begrenzung innen." (Heißenbüttel 1977, Klappentext)
Die Objekte Baumgartens greifen durch Form, Farbe, Linie in einen bestehenden räumlichen Zusammenhang ein; sie verändern ihn auf vielschichtige Weise über den Bereich unmittelbarer Funktionalität hinaus und lassen ihn zu einem Erlebnis werden, das "auf die Dünnschichtigkeit und Vielhäutigkeit der Existenz" (Baumgarten, Über Kunst 1973, S. 19) führt. (…) "Die Objekte nehmen auf den Raum Bezug, in dem sie sich befinden, ohne jedoch im engeren Sinn Rauminstallationen, ohne ausschließlich im Hinblick auf eine konkrete Raumsituation konzipiert zu sein. Auch darin letztlich erscheint ihre Eigenständigkeit. Doch neben den Objekten existieren 'Bilder', zweidimensionale Arbeiten wie Wandfilze, die eine Mittlerfunktion einnehmen zwischen Gemälde und Objekt und in oberflächlicher Sicht wie „shaped canvas“ anmuten. Sie unterscheiden sich jedoch in einem für Baumgarten wesentlichen Aspekt: sie sind nicht flächig angelegt, nicht Farbfeld, sondern raumillusionistisch bestimmt und ordnen sich in dieser Hinsicht den raumverändernden Wandobjekten Baumgartens zu. Auch für diese Nadelfilzarbeiten ist die Wand als Widerpart wesentlich, insofern die Raumillusion der Filze ihre scheinbare Öffnung bewirkt. Realität ist für Baumgarten immer in dem Maß relevant, als er sich ihrer funktional bestimmten Erscheinung entgegenstellt und ihr eine über die Funktion hinausweisende Dimension gibt."
Ernst-Gerhard Güse
(aus: Venus und Vulkanus – Phantasie und Wirklichkeit. Die neuen Arbeiten von Bodo Baumgarten. In: Venus und Vulkanus. Saarbrücken 1992)
"Anfang der 80er Jahre kam mir das Verlangen, die Welt der konkreten Körper, die durch Malerei ins Unbestimmbare oder Assoziative aufgeladen werden konnten, zu verlassen. Das Pendant wurden die Erscheinungen meiner Umwelt – verwirrend in der Vielfalt der Deutbarkeit und geradezu ein Kosmos, was das Umsetzen zu einem abstrakten Gebilde anging. Zu der Zeit lernte ich die Malerin Gudrun von Leitner kennen, der noch suchend eingeschlagene Weg bekam Nahrung. Vorzeichen waren: Vom Allgemeinen zum Persönlichen, vom Verbleibenden zum Vorübergehenden, vom Stillen zum Lebendigen, vom architektonischen Sehen zur Figur. Wenn – viel später – gelebte Figur sich von jeder körperlichen Ähnlichkeit befreien konnte und mit dem Grund (Raum) als Nährboden eigene Energie entwickelte, könnte man von Valeurs im Raum sprechen."
Bodo Baumgarten
(aus: Gudrun von Leitner "Von Schwelle zu Schwelle" / Bodo Baumgarten "Valeurs im Raum" - Malerei. Hamburg 2003)
" (...) Arbeiten auf dem Schoß erweist sich als ausgesprochen ergiebig. Leere Kuchenrollen ergeben bei auch kurvigem Aufschneiden Parallelogramme mit figürlichem Anklang oder frei. (...) Es sind Wachsmalblöcke, Benzin, Tipp-Ex, Schuhcremen, die eine transparente oder opake äußerst vielseitige feine Oberfläche machen können - ähnlich wie in der alten klassischen Malerei. So kommt allmählich eine Art Spätwerk zustande, auf das ich kaum noch gehofft hatte. Die zusätzlichen Erlebnisse durch die mentalen, existenziellen und extremen Umstände und durch die lange malerische Erfahrung machen neuartige Ergebnisse möglich. Es wächst jedenfalls wie der Teufel." (Bodo Baumgarten in einem Brief vom 22.11.2001)
Redaktion: Michael Jähne
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