Institut für aktuelle Kunst

Sparda-Bank-Preis: 2000/01

Laudatio

Liebe Preisträger, meine Damen und Herren,

Skulptur, Bauplastik und Wandmalereien waren über Jahrhunderte hinweg integraler Bestandteil der Architektur, mit ihr zu einer Einheit gefügt. Malerei und Plastik erhöhten Rang und Wirkung eines Gebäudes. Aus ihrem untrennbaren Verbund entstanden bedeutende Gesamtkunstwerke. Die seit 1919 im Bauhaus vereinigten Künstler und Architekten dagegen strebten nach neuen formalen und inhaltlichen Bezügen zwischen Kunst und Architektur. Die Kunst sollte ihre Wirkung jetzt im Zusammenhang mit Architektur entfalten, nicht als dieser zugehörig. Aber nur selten gelangen befriedigende Ergebnisse. In den 60er Jahren kritisierte Siegfried Giedion: "der gewöhnliche Architekt weiß meist nicht, wie Volumen in den Raum gestellt werden sollen und noch weniger versteht er sie so zu modellieren, dass sie zu Beziehungswerten werden. Bildhauer andererseits haben die Sensibilität entwickelt. Was fehlt, ist die Brücke zwischen Bildhauer und Architekt. Gewöhnlich wird der Künstler erst hinzugezogen, wenn der Architekt in seinem Bau alles festgelegt hat und dem Künstler ein Platz angewiesen wird, den er `dekorieren soll." Auf Bernhard Focht nun trifft diese Kritik nicht zu. Wie nur wenige andere Architekten bezieht er intensiv und erfolgreich die "Kunst am Bau" in seine Projekte ein, beteiligt die Künstler auch am architektonischen Entwicklungsprozess. Aus der engen Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern gewinnt seine Architektur eine umfassendere ästhetische Dimension.

Für ein solch gelungenes Werk, das Wirtschaftswissenschaftliche Gymnasium in Saarbrücken, ehren wir hier heute den Architekten Bernhard Focht und die Künstler Werner Bauer und Paul Schneider.

Ich möchte das Wirtschaftswissenschaftliche Gymnasium zunächst ein wenig beschreiben. Ein stringentes Grundrisskonzept kennzeichnet die Anlage. Zwei Bauteile, langgestreckt der eine, annähernd quadratisch der andere, sind durch eine lichtdurchflutete Hallen-Foyer, Aula, Pausenaufenthalt ñ verbunden und begrenzen einen Pausenhof. An der Rhythmik der Fassadengliederung ist die Konstruktion ablesbar. Die schmucklosen Wände erhalten ihre architektonische Wirkung aus der formalen Gliederung und der sorgfältigen Materialauswahl. Das Architekturquadrat nun umspannen die beiden Künstler mit einer auf die vier Himmelsrichtungen orientierten sichtbar-unsichtbaren Quadratwendel, die sich dem Baukörper nähert, sich entfernt, die Halle durchstößt. Fixpunkte, gepflasterte Kreise auf dem Boden, markieren die vier Ecken der Quadratspirale, sind der Ort für Schneiders Steine. Die Figur beginnt mit einem roten Steinrand, läuft zu einem in vier ungleiche Quadrate geteilten liegenden Stein, dessen tiefe Teilungsfugen die Linienführung der Quadratspirale aufnehmen. Sie weisen zurück auf die vorherige Ecke, voraus auf die nächste und über den Kreis hinaus in die Umgebung. Die Quadratwendel gewinnt an Höhe, denn es folgt ein Treppenstein mit Neunersymbol, aus der quadratischen Grundrissfigur wird die Spirale. Treppensteine und die quadratische Teilung im Vierer-, Fünfer- oder Neunerrhythmus sind im Werk Paul Schneiders immer wiederkehrende Konstellationen, wie auch die Sonnensteine. Ein solcher erhebt sich im inneren Winkel des Hofes. Der Strahl des Mittagslichtes fällt hindurch, deutet die Nord-Südlinie an und kreuzt den letzten Fixpunkt im Zentrum. Hier am Halleneingang nun beginnt Werner Bauers Arbeit. Er macht die Wendel mit einer roten Acryl-Linie auf dem Boden sichtbar, führt sie über Fußboden und Treppenstufen hinweg bis zum oberen Podest, wo sie abrupt endet und als gedachte Linie sich auf den Boden senkt. Unter der Decke zeichnet ein Lichtstab, eine rote Neonröhre, die Nord-Südachse nach, steigt langsam an, verknotet sich lose, wird zunehmend blasser und verschwindet in der Decke. Den Aufstieg in den Himmel muss sich der Betrachter in der Vorstellung konstruieren. Die sichtbar-unsichtbare Grenze, von der Kunst gezogen, weist hinaus auf kosmische Dimensionen und stellt das Bauwerk in einen Zusammenhang, den die Architektur allein nicht leisten kann. Sich in den Umraum der Architektur zu begeben, wird damit zum Beginn einer sinnlichen Wahrnehmung, die über das bloß ästhetische Erfahren weit hinausgeht. Und damit erreichen Bau und Kunst am Bau hier einen ganz eigenen Rang.

Ich beginne mit dem Architekten des Hauses. Bernhard Focht, 1939 in Regensburg geboren, verbrachte in der Umgebung der dortigen Dombauhütte entscheidende frühe Kindheitsjahre. Vom zehnten Lebensjahr an wuchs er dann aber in Saarlouis auf und erlebte den Wiederaufbau der zerstörten Stadt, den sein Vater maßgebend begleitete. Nach Studienjahren an der Münchner Technischen Hochschule kehrte er ins Saarland zurück, um sich dann 1971 als freier Architekt hier selbständig zu machen. Von Beginn an arbeitet er im Team mit einer Reihe von Mitarbeitern und Partnern. Seit 1980 hat er auch eine Professur für Entwerfen und Gebäudelehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes inne. Die weitaus meisten Aufträge Fochts gingen aus gewonnenen Wettbewerben hervor. Es sind Schulen, – die Kaufmännische Berufsbildungsschule in Brebach oder das Schulzentrum im Rastbachtal mit dem WWG –, Wohnanlagen in der Saarbrücker Moltkestaße, am St. Johanner Markt oder am Krenzelsberg und viele mehr, die Spielbank in Nennig, die Europäische Rechtsakademie und Landeszentralbank in Trier, der Gebäudekomplex der UKV mit dem wandernden Sonnenschirm oder das IDS Scheer Gebäude auf dem SITZ-Gelände. Die Völklinger Kläranlage fasst unterschiedlichste Funktionseinheiten in einem Rundbau zusammen, die Bank am Saarbrücker Hauptbahnhof beruht auf einer neuartigen Konstruktionsmethode. Damit sind nur einige, – die wichtigsten Bauten ñ genannt. Für Bernhard Focht sind Kunst und Architektur nicht zu trennen, – und genauso gehören für ihn Städtebau und Architektur zusammen. Der Respekt vor der Umwelt, die Einordnung in Topographie und städtebauliche Gegebenheiten, die Berücksichtigung auch denkmalschützerischer und ökologischer Auflagen führen zu prägnanten und aussagekräftigen Baukomplexen. So wurden die Gebäude der UKV zur corporate identity der Firma oder die Wohnbauten in der Saarbrücker Moltkestraße zu einem Merkzeichen des Viertels.
In seinen Bauten hat er alle wesentlichen innovativen technischen und konstruktiven, auch ökologischen Strömungen aufgenommen. Die unverwechselbare Atmosphäre gewinnen sie wesentlich auch aus ihren Raumqualitäten. In ihrer funktionalen und gestalterischen Logik, ihrer Ordnung und Strenge sind Fochts Bauten modern, aber durchaus nicht modisch. Die Errungenschaften der modernen Architektur – der fließende Grundriss, die Sichtbarkeit des Konstruktionsprinzips, die Bautransparenz ñ sind vorbildlich umgesetzt und bestimmen die Formensprache. Die immer wohlproportionierte Fassadengliederung – rhythmisch oder seriell, transparent oder geschlossen gestaltet –, resultiert aus den Bedingungen innovativer Baumethoden und der verwendeten Materialien: Beton, Mauerwerk, Stahl, Holz, Aluminium und Glas. Gerade die Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten von Glas ist in Fochts Architektur abzulesen. Sein eigenes Wohnhaus ist ein Glasbau, die Fassaden der UKV-Versicherung oder der Bank am Bahnhof sind aus Glas, der Turm der Spielbank in Nennig trägt eine gläserne Haube, dort sind auch Wände mit Glas verkleidet. Das Gebäude des Science Parks erhält noch eine vorgestellte gläserne Spitze. Glas nutzt er auch für Fahrstühle und Treppenstufen. Mit Hilfe von Glas erreicht er Transparenz oder lichtdurchflutete Abgeschiedenheit, weitet er Räume, verbindet Innen und Außen und huldigt damit auf seine Art dem Licht.

Vor 25 Jahren haben Bernhard Focht und Werner Bauer zum ersten Mal zusammengearbeitet. Für beide war das evangelische Gemeindezentrum in Saarlouis Steinrausch ein wichtiges Frühwerk. Weder die multifunktionale, sich um einen kleinen Innenhof gruppierende Architektur, noch die von Werner Bauer geschaffene Deckengestaltung und der umlaufende Fries in den Kirchenräumen, auch nicht die äußere Wandgestaltung haben an Aussagekraft verloren. An diesem 1976 entstandenen Werk lässt sich ein Grundzug der künstlerischen Bestrebungen von Werner Bauer ablesen: die Darstellung von Bewegung. Er verwendet geometrische Elemente, die sich in einem bestimmten Rhythmus wiederholen und zu ständig neuen Bildern sich zusammenfügen. Im Frühwerk ausgelöst durch die Bewegung des Betrachters übernimmt in späteren Arbeiten diese Aufgabe ein eingebauter Motor und in den seit 1981 entstandenen Lichtskulpturen das künstliche Licht.

Werner Bauer, 1934 in Völklingen geboren, ist, wie er selber sagt, über viele Irr- und Umwege zur Kunst gekommen. Er ist Autodidakt und schuf seit 1968 der konkreten Kunst zuzurechnende Objekte. Waren sie anfangs noch aus weißen oder farbig gefassten seriell hergestellten Holzteilen gestaltet, wie in Saarlouis Steinrausch, nutzte er ab 1973 immer stärker die neuen Materialien, zunächst Plexiglas. 1981 entdeckte er die Fähigkeiten von Silikon als Lichtträger, jetzt wird "Lichtkunst" sein großes künstlerisches Thema. Seit 1989 verwendet er farblose Acrylfolien, die das Licht, aufnehmen und gesammelt an den Schnittkanten abgeben. Er nimmt künstliches Licht und neue Materialien in Dienst, um mit ihnen nach einem genau kalkulierten technischen Verfahren neue eigenständige künstlerische Wirkungen zu erzielen. In seinen Objekten akzentuiert das Licht die lineare Prägnanz seiner geometrischen Grundstrukturen. Aber das künstliche Licht wird auch umgewandelt in selbstleuchtendes, aufglühendes, farbaussendendes Licht, in sich verdunkelndes, verlöschendes, schattenwerfendes. Künstliches Licht erscheint nicht mehr als künstliches, sondern, wie Lorenz Dittmann formuliert, "als ein anderes, als ein fremdes Licht, das auch Qualitäten naturhaften kosmischen Lichtes annehmen kann." Diese Aussagen, bezogen auf die autonomen künstlerischen Objekte Werner Bauers gelten in ähnlicher Form aber auch für seine in den letzten Jahren entstandene Kunst im öffentlichen Raum. Es sind Lichtskulpturen, strukturierte Lichtspiele, in denen sich die geometrischen Grundfiguren wie gerade oder geschwungene Linien, Kreise oder Quadrate rhythmisch wiederholen, sich überlagern, sich zu neuen Figurengruppen zusammenfügen, sich vom Betrachter entfernen, im Unendlichen verschwinden und sich ihm wieder nähern. In der ständigen Bewegung und Gegenbewegung erscheinen außergewöhnliche Lichtspiele. Sie lösen beim Betrachter Irritationen aus und rufen ästhetische ja bisweilen gleichsam metaphysische Empfindungen hervor. Ich erinnere nur an die Lichtstele in der Musikhochschule 1992, an die hängende Lichtplastik im Treppenhaus des Verwaltungsgebäudes des Uni Homburg 1999 entstanden, an das Licht-Demonstrationsobjekt im Verwaltungsbau der Stadtwerke Völklingen aus dem gleichen Jahr, einem von Bernhard Focht errichteten Bau. Die Kunst Werner Bauer zog hier allerdings erst Jahre später ein. Es sind mit Ausnahme der Lichtstele vor der Sparkasse in Saarbrücken Arbeiten für den Innenraum wie auch die Lichtwand im Krankenhaus St. Ingbert 1998 oder die interne Verbindungstreppe in der Landeszentralbank. Hier wurde die Kunst zu einem integralen Bestandteil der Architektur, die dabei notwendige Lösung technischer Probleme war ohne Vorbild. In einem Brief schreibt Werner Bauer zu seinen Arbeiten: " Sie erzeugen beim Betrachter Verwirrung, vielleicht Erstaunen. Denn die so entstandenen Bilder scheinen den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit zu widersprechen, sie zeigen unmögliche Konstellationen, Nichtnachvollziehbares. Leben wir nicht in vergleichbaren Zeiten?" So gewinnt das Werk Werner Bauers aus Irritationen und Virtualität jenseits aller ästhetischen und metaphysischen Bindungen auch Aktualität.

Ein Frühwerk verbindet auch Paul Schneider mit dem Architekten Bernhard Focht. Eine 2,50m hohe rot-blaue Stahlplastik von 1969 steht unübersehbar eindrucksvoll im Garten von Bernhard Fochts Wohnhaus am Rande eines Wasserbeckens. Sie sendet ihre Reflexe aus, spiegelt sich im Wasser, in den großen Glaswänden des Hauses, strahlt ab auf Wände und Decken, ist ständig präsent. In diesem, nicht für einen bestimmten Ort geschaffenen, autonomen Kunstwerk wird dennoch, durch die Aufstellung an gerade diesem Ort, ein Grundzug des Schneiderschen Oeuvres sichtbar: die Begegnung von Kunst und Natur. Sie findet ihren Ausdruck auf zweierlei Weisen: in der engen Verflechtung gebauter Stadträume oder aber in Naturräumen, wie hier im Garten von Bernhard Focht, im Wirtschaftswissenschaftlichen Gymnasium oder in den Steinen auf dem Bietzer Berg, um nur einzelne aus je verschiedenen Werkgruppen zu nennen. Die Begegnung von Kunst und Natur gewinnt Gestalt aber auch im Stein selber. Denn Paul Schneider bearbeitet oft nur Teile des Steines, belässt andere unbearbeitet in ihrer natürlichen Würde und Schönheit. Er respektiert ihren Eigenwert, und er kennt und liebt auch die geheimnisvolle Kostbarkeit eines Steines, die sich hinter der äußeren Schale verbirgt, sein "Inneres". Wenn er den Stein glättet oder poliert, kommt die innere, oft edelsteinhaft aufglänzende Farbe zur Erscheinung. Wenn er dem Stein eine stereometrische Form gibt, sei es als Kubus, Zylinder, Viertelkugel, nimmt das Innere Gestalt an. Wenn er den Stein auf das Licht der Sonne öffnet, ihn aushöhlt, so offenbart er damit auch das Geheimnis seines Inneren. Paul Schneider hat mit Holz begonnen, dann Stahlplastiken geschaffen und ab 1971 wird der Stein zum Träger seiner Kunst. Auf internationalen Steinbildhauer-Symposien, an denen er sich über Jahrzehnte hinweg immer wieder beteiligt, begleitet von seiner Frau Li, entstehen eine Reihe beeindruckender Steine, 1972 in Rom der erste Sonnenstein. Die Arbeit in der Gemeinschaft, das Dialogische, der wortlose Austausch faszinieren ihn noch heute und dafür nimmt er körperliche Strapazen und andere Widrigkeiten in Kauf. Im Dreiländereck Deutschland, Frankreich, Luxemburg entstanden die Steine an der Grenze. Im Außenraum der Spielbank Schloss Berg stellte Paul Schneider 1993 eine weiß-gelbe Granitskulptur, den "Sonnen-Mondstein" auf. Seine Kunst tritt damit erneut in einen Dialog mit der Architektur Bernhard Fochts. Seiner Heimatgemeinde Bietzen schenkte er nicht nur den "Sonnen-Lerchen-Hexenstein", der sich auf der Höhe des Bietzerberges dem Licht im Ablauf der Tages- und Jahreszeiten preisgibt. Auch der Dunkelheit, dem Gegenpol des Lichts, widmete Paul Schneider eine Reihe von Steinen. Und in kultische Dimensionen führen Schneiders Stufensteine. Im übrigen verweise ich auf die kürzlich eröffnete Ausstellung von Skulpturen, Aquarellen und Zeichnungen Paul Schneiders in St. Ingbert, eine wunderbare Gelegenheit, sich erneut in en Bann seiner Arbeiten zu begeben. 


Paul Schneiders Arbeiten für den öffentlichen Raum, gebildet aus Steingruppen unterschiedlichen Formats, sind immer betretbar und fordern den Betrachter auf, sich in den kompositionellen Zusammenhang einzustellen. Damit sind Bauten und Menschen eingefügt in ein Netz von räumlichen und zeitlichen, geistigen und natürlichen, ja kosmischen Beziehungen. 

Werner Bauer zeigt in den scheinbar so außergewöhnlichen Erscheinungen seiner Kunst die Vielfalt des Sichtbaren, die Vielfalt des Wirklichen. 

Bernhard Focht gibt mit seiner strengen rationalen Architektur, den Künstlern die Gelegenheit, sich auch hier mit ihrem Werk zu entfalten. 

Ich danke Ihnen.

Marlen Dittmann


Leihgebühren pro Halbjahr

Privatpersonen Schüler*innen, Studierende Praxen, Kanzleien, gewerbliche Einrichtungen und Firmen
je Kunstwerk 50 € 30 € 80 €

Für alle Entleiher gilt:

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