Katholische Pfarrkirche St. Andreas
Zum Scheidberg, Wallerfangen, Gisingen
Der Ort
Gisingen – der Name dieses auf dem Muschelkalkboden des Saargaus gewachsenen Gemeinwesens erzählt von einem wasserreichen Ort. Das keltische "cuisne" oder "guisne", von dem sich Gisingen ableitet, bedeutet hervorbrechendes Wasser, Quelle. Wo Wasser ist, ist Leben, und so erscheint es nur natürlich, dass verschiedene Funde auf eine frühe, steinzeitliche Besiedlung hinweisen. Die schriftliche Ersterwähnung Gisingens betrifft ein adeliges Gut und findet sich in einer Urkunde des Trierer Erzbischofs aus dem Jahre 1140. Zu Lothringen gehörend, teilte der Ort die Geschicke des östlichen Teils des Herzogtums bis zum Ende der Ära Napoleon. 1815 wurde Gisingen den preußischen Rheinlanden zugeschlagen und ist heute ein Ortsteil der saarländischen Gemeinde Wallerfangen.
Landschaftlich reizvoll auf der Höhe des Saargaus gelegen, bietet Gisingen natürliche und von Menschenhand geschaffene Sehenswürdigkeiten. Durch das Zusammenwirken von Wasser und Gestein sind drei geologische Naturdenkmäler entstanden: Die Kalktufftreppe des Leitersteiner Baches, der unweit davon gewachsene, "die Grott" genannte Kalkfelsen mit einer darunter liegenden, eingestürzten Tropfsteinhöhle und die tief eingeschnittene Schlucht namens "Pastorsgrät".
Im Ortskern fallen vier denkmalgeschützte lothringische Bauernhäuser des 18. Jahrhunderts auf: traufständige, quergeteilte Einhäuser aus Stein, die unter ihrem flachen Satteldach Wohnung, Stall und Scheune vereinen (Am Scheidberg 9, 11, 30, 32). Eines davon, das "Haus Saargau", ist als Museum für das vorindustrielle, bäuerliche Leben der Region hergerichtet. Der rückwärtige große Bauerngarten wurde 2006 im Rahmen des Projektes "Gärten ohne Grenzen" zu einem repräsentativen Kräuter- und Würzgarten umgestaltet. In der Mitte des Dorfes reckt sich der Turm der katholischen Pfarrkirche St. Andreas in die Höhe, er wurde 1960 neben der neuen Kirche errichtet.
Die Kirche
Von Gisingen als Pfarrei erfahren wir durch ein 1360 erstelltes Verzeichnis, das im Zusammenhang mit geleisteten Abgaben für den päpstlichen Stuhl auch berichtet, dass die Pfarrei Gisingen schon im Jahre 1075 bestanden habe. 1743 wird eine Kapelle genannt. Ein einfacher, geosteter Kapellenbau – ein schlichter Saal von drei Fensterachsen mit dreiseitigem Abschluss und einem kleinen viereckigen Dachreiter auf dem Satteldach – stammte wohl aus dem frühen 19. Jahrhundert. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war er für die wachsende Gemeinde zu klein geworden, weswegen man 1912 eine Empore einzog, die 1936 erweitert werden musste. In den 1950er Jahren beschloss die katholische Gemeinde, die nun endgültig zu eng gewordene Dorfkirche durch einen größeren Kirchenbau zu ersetzen. Das neue Gotteshaus wurde nach dem Entwurf des Saarlouiser Architekten Alois Havener (1901-1981) errichtet und konnte am 16. Oktober 1960 geweiht werden. Indessen diente die alte Kapelle noch einige Jahre als Jugendheim, bis sie 1969 abgebrochen wurde.
Havener entwarf eine Saalkirche unter flachem Satteldach, die wie die alte Kapelle geostet ist und mit dem Giebel zur Straße steht. Von der 21 Meter breiten westlichen Giebelseite verjüngt sich das Gebäude über eine Länge von 26 Meter bis zu einer Breite von 19 Meter an der östlichen Giebelseite. Der Kirchensaal bietet Raum für mehr als 400 Sitzplätze. Während die Kirche außen verputzt und gestrichen ist, wird der Eindruck im Inneren durch die roten Sichtklinker der Wände und die Holzlatten der Decke bestimmt. Helle, nüchterne Pfeiler und Träger aus Stahlbeton gliedern und rhythmisieren den Raum. Auf der Türsturzhöhe der beiden Eingänge unterbricht eine Rollschicht den gleichförmigen Läuferverband des Ziegelmauerwerks und teilt die Wand in eine niedrigere untere und eine höhere obere Zone. Licht strömt von außen durch die fünf großen, auf der Rollschicht zwischen die Pfeiler der Südwand gesetzten Fenster und durch das mittige Fenster der Westwand, das vom Boden bis zur Decke reicht und von der Orgelempore überschnitten wird. Die farbigen Fenster stammen von Robert Köck (*1924), dem Pater Bonifatius der Benediktinerabtei Tholey. Dem hohen Ostfenster entspricht die flache Altarnische der Westwand, auf die der leicht konisch geschnittene Innenraum zuläuft. Die nach oben giebelförmig abschließende, hell verputzte Nische wird indirekt beleuchtet, sie dient als Hintergrund für Tabernakel und Altar und nimmt einen großen, hölzeren Kruzifix auf.
Die Nordwand ist geschlossen. Oberhalb der Rollschicht fanden Heiligenfiguren aus der alten Kapelle eine neue Aufstellung. Unterhalb wurde der von dem Bildhauer Heinz Oliberius (1937-2001) geschaffene Kreuzweg angebracht, der an der Südwand unter den Fenstern beginnt und sich an der Nordwand fortsetzt.
Der Außenbau wird bestimmt durch glatte Wandflächen, die durch die farblich abgesetzten Betonpfeiler rhythmisiert und durch die Fenster unterbrochen werden, die ihrerseits durch schlanke Vierkantstützen aus Stahlbeton gegliedert und getacktet werden. Vom Kirchengebäude nach Norden abgerückt, erhebt sich an der Straße der ca. 26 Meter hohe, fensterlose Turm. Der Gliederung der Kirchenfenster vergleichbar, sind die Schallöffnungen für die Glocken durch schlanke Vierkantpfeiler rhythmisiert und bilden einen filigranen oberen Abschluss.
Kirche und Turm sind durch einen überdachten Gang miteinander verbunden, der zugleich die östliche Umfriedung eines dreiseitig von Arkadengängen umfangenen Besinnungshofes bildet. Daneben entstand 2006 ein kleiner öffentlicher Garten, der wie der nahe gelegene Garten von "Haus Saargau" ein Entwurf der Initiatorin von "Gärten ohne Grenzen", Hella Kreiselmeyer, ist. Das Hanggrundstück mit der Stelle, auf der ehemals die Kapelle stand, ist vorwiegend mit Hainbuchen, Hortensien und Efeu bepflanzt. Zwei kleine Sitzplätze laden ein zum Verweilen, ein Weg führt zum Besinnungshof, der in Klarheit und konzentrierter Ordnung gestaltet wurde. Mittelpunkt der beinahe klösterlichen Anlage bildet der Sandsteinsockel des alten Kreuzes der abgerissenen Kapelle. Er zeigt in erhabenem Relief die Darstellung einer Pietà. Darum gruppieren sich viereckige, je vierfach durchbrochene Reihen aus Buchsbaum, die Flächen dazwischen sind mit hellem Kalksteinsplitt belegt.
Als für einen bronzenen Kruzifix von Leo Kornbrust (*1929) ein neuer Platz gesucht wurde, fiel die Wahl auf diesen Ort der Ruhe und Besinnung – Nahtstelle zwischen Architektur und Natur, Kirche und Dorf, sakralem und öffentlichem Raum. Das Kreuz hängt im südlichen Arkadengang des Besinnungshofes an der Nordmauer der Kirche.
Oranna Dimmig
Bibliografie
Quellen
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