Leo Kornbrust
Bodengestaltung, Pflasterung, 1985-90
Altstadt St. Wendel
Der St. Wendeler Bildhauer Leo Kornbrust war nicht nur Kunstprofessor und Initiator der Skulpturenstraße, sondern hat auch die Straßenbepflasterung in der St. Wendeler Altstadt entworfen. In vier Abschnitten von 1985 bis 1990 hat er von der Grabenstraße mit Einbindung des Kugelbrunnens über den Domvorplatz am Übergang der Luisenstraße zur Schlossstraße bis zur Balduinstraße mit der Pyramide „Hommage à Otto Freundlich“ die Altstadtbepflasterung kreiert.
Kornbrust hat dabei das alte historische Stadtgefüge mit seinen architektonischen Vorgaben und Straßenverläufen in seine Konzeption mit einbezogen. Er hat Sandsteine aus den einzelnen Ortsteilen wiederverwendet, Straßenverläufe in der Pflasterung „nachgezeichnet“ und die Pflasterung mit einem soliden, befahrbaren Unterbau versehen lassen. Ausgangspunkt dieser von Künstlern gepflasterten Plätzen und Fußgängerzonen war 1959 die Gründung des Bildhauersymposions Europäischer Bildhauer in St. Margarethen im Burgenland unter der Initiative des im Oktober 2010 verstorbenen österreichischen Künstlers Karl Prantl, an dem auch die saarländischen Künstler Leo Kornbrust und Paul Schneider teilnahmen. 1972 entstand aus einer 12-jährigen Symposionsarbeit die Idee, sich in Zukunft an den Aufgaben von Stadterneuerungen zu beteiligen, „sich in die Eindimensionalität der Bodenfläche zurückzunehmen, neu zu beginnen und die Symposien in einer Teamarbeit fortzusetzen, um die Basis und Fußgängerzone am Stephansdom in Wien Gestalt werden zu lassen. Nicht mehr Margarethener Stein ist das Medium, sondern Steine der Stadt Wien, ihr im urbanen Prozess entferntes Detail“ (Kubach-Wilmsen-Team). Zwischen 1973 und 1975 arbeiteten europäische Bildhauer am Stephansplatz in Wien. Kornbrust schreibt 1975 in der Dokumentation der Stephanplatzgestaltung, dass „die Künstler keine Reißbrettpflasterei, keine Grafik, sondern Raumerzeugung, eine Atmosphäre schaffen wollen, die nicht allein optisch zu erfassen ist, sondern Tastraum für die Füße, begehbares Relief wird“.
1. Abschnitt: 1985
altes Melaphyr-Pflaster
Am Kugelbrunnen, Rezé-Platz
Grabenstraße / Zwinger
Im Zuge der Neugestaltung des Altstadtbereichs von St. Wendel und der Fertigstellung der Tiefgarage und der darüber befindlichen Platzanlage in der „Mott“ begann Leo Kornbrust mit seiner Altstadt- und Fußgängerzonenbepflasterung im Zwinger. Zusammen mit seinem Schüler Christian Mayer (Tobin) gestaltete er hier neben „Mott“ und Mia-Münster-Haus einen kleinen gepflasterten Platz, dessen Mittelpunkt Christian Mayers Kugelbrunnen bildet.
2. Abschnitt: 1987
Melaphyr, Sandstein, Basaltlava
Domvorplatz / Luisenstraße / Schlossstraße
In einem zweiten Bauabschnitt 1987 gestaltete Leo Kornbrust die Bepflasterung des Domvorplatzes, am Zusammentreffen von Luisenstraße und Schlossstraße. Den Mittelpunkt bildet hier eine viergeteilte Basaltlavaplatte mit der auf zwei Platten eingravierten lateinischen Inschrift: COINCIDENTIA OPPOSITORUM, CUSANUS 1401-1464. Übersetzt heißt dies „Zusammenfall der Gegensätze“ und ist ein zentraler Begriff im Denken des Philosophen und Theologen Nikolaus von Kues, lat. Nicolaus Cusanus, der 1401 als Nikolaus Chrifftz (= Krebs) in Kues an der Mosel geboren wurde. Nikolaus von Kues war von 1446 bis 1464 Kommendatarpfarrer von St. Wendel, d.h. er erhielt in diesen Jahren Pfründe aus der Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Wendelin ohne ständig anwesend sein zu müssen. Die Kanzel der Wendelinusbasilika, 1462 von Cusanus gestiftet, mit seinem Wappen, dem roten Kardinalshut und dem Krebs sowie der Jahreszahl am Kanzelkorb, gilt als zweitälteste Steinkanzel Deutschlands. Die Deckenmalerei des Mittelschiffgewölbes, eine symbolische Darstellung des Zusammenwirkens geistlicher und welt-licher Amtsträger, stammt aus dem Jahre 1464 und enthält ebenfalls das Wappen des Cusanus. Es wird vermutet, dass Cusanus die Thematik des Deckengemäldes initiiert hat. In der Pflasterung treten weitere markante Blickpunkte hervor wie die schwarzen Melaphyr-Steine mit den Namen bekannter St. Wendeler Bürger.
3. Abschnitt: 1988/1989
Melaphyr, Sandstein, Basaltlava
Nordseite der Basilika bis zur Magdalenenkapelle, Fruchtmarkt/Balduinstraße bis Magdalenenkapelle
Der 3. Abschnitt der Altstadtbepflasterung behandelt die Balduinstraße an der Nordseite der Basilika bis zur Magdalenenkapelle. Das leichte Gefälle des Straßenzugs wurde an der Nordseite der Basilika ausgeglichen durch eine Terrassierung vor dem Café Luise bis hin zur Cusanusbibliothek. Die Bepflasterung mit den aus den Ortsteilen wiederverwendeten Melaphyr-, Sandstein- und Basaltlavapflastersteinen versucht keine Grafik zu erzeugen, sondern Räume und Atmosphäre zu schaffen. Ein „Tastraum für die Füße, ein begehbares Relief“ sollte entstehen, wie es Kornbrust schon 1975 in Wien bei der Bodengestaltung der Fußgängerzone um den Stephansdom formulierte. Die Terrassenecke gegenüber des Nordeingangs der Basilika ist seit 1988 künstlerisch akzentuiert durch Kornbrusts Pyramide mit der Inschrift: „Voie de la Fraternité et Solidarité Humaine“, die er dem Bildhauer und Maler Otto Freundlich widmete.
4. Abschnitt: 1989/1990
Bodengestaltung Pflasterung
Melaphyr, Sandstein, Basaltlava
Schloßstraße / Luisenstraße
Den letzten Abschnitt der künstlerischen Bepflasterung des Altstadtkerns von St. Wendel durch Leo Kornbrust bilden die beiden Straßen Schloss- und Luisenstraße, beide Fußgängerbereich, aber auch für schweren Lieferverkehr tauglich. Kornbrust hat auch hier für die Pflasterung Sandsteine, Melaphyr- und Basaltlavasteine aus den Ortsteilen wiederverwendet. Er bezeichnet die Bepflasterung selbst als „organisches Wachsen von unten, das nicht einfach gestört werden könne“. Kornbrusts Konzept berücksichtigt die alten Straßenverläufe und ihre architektonischen Gegebenheiten. Wie er sich schon 1975 über die Stephansplatzgestaltung in Wien äußerte, die etwas ganz Neues für die Stadt bedeutete, bedeutet es auch in St. Wendel für Kornbrust die Schaffung eines Raumes voller Atmosphäre. „Ein begehbares Relief“ sozusagen.
Biografie:
Leo Kornbrust, Holz- und Steinbildhauer
geboren 1929 in St. Wendel
1971 Initiator des ersten saarländischen Steinbildhauersymposions in St. Wendel
1978 Berufung auf den Lehrstuhl für Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste München
1979 Initiator der Straße der Skulpturen im St. Wendeler Land 2004 Gründung des Vereins "Straße des Friedens – Straße der Skulpturen in Europa – Otto Freundlich Gesellschaft e. V."
lebt in St. Wendel
Quelle: Jo Enzweiler (Hg.): Kunst im öffentlichen Raum, Saarland, Band 4, Landkreis St. Wendel 1945 bis 2012. Aufsätze und Bestandsaufnahme. Saarbrücken 2013, S. 238-242
Institut für aktuelle Kunst im Saarland an der Hochschule der Bildenden Künste Saar mit Forschungszentrum für Künstlernachlässe gGmbH, Archiv
Margarete Wagner-Grill
Privatpersonen | Schüler*innen, Studierende | Praxen, Kanzleien, gewerbliche Einrichtungen und Firmen | |
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je Kunstwerk | 50 € | 30 € | 80 € |
Für alle Entleiher gilt: