Paul Schneider
"Lebensbaum", 1963
Sandstein, ca. 1,80 x 1,80 m
Saarbrücken, Betzenstraße, Rathaus
Pflasterung, 1976
Saarbrücken, St. Johanner Markt
"Mittagsstein – teilt den Tag in Morgen- und Abendhälfte", 2009
Flossenbürger Granit, 3,60 x 0,60 x 0,25 m
Saarbrücken, Saarwiesen
Aufbruch in den öffentlichen Raum
Ein Name steht in Saarbrücken für die Entwicklung von der Kunst am Bau zur Kunst im öffentlichen Raum wie kein zweiter: Der Bildhauer Paul Schneider, dessen jüngste Steinskulptur 2009 ihren Platz auf der Wiese zwischen Staatstheater und Saarufer fand, hat diese Entwicklung maßgeblich begleitet und voran gebracht.
Die frühesten Arbeiten von Paul Schneider entstanden Anfang der 1950er Jahre. Sie sind ganz dem Aufgabengebiet verpflichtet, das der Kunst im öffentlichen Raum zugewiesen war: Bodenmosaike, Brunnenfiguren aus Metall, Tierreliefs aus Keramik, ein gemalter Wandfries, Wandgestaltungen aus gebogenem Stahl entstanden für Pausenhallen und Flure von Grund- und Hauptschulen in Saarbrücken. Sgraffiti für Außenwände von Schulen und Ämtern gesellten sich zu eher handwerklichen Arbeiten wie Brunneneinfassungen, Schrifttafeln und Betonverglasungen. Als Anfang der 1960er Jahre das Rathaus in St. Johann nach der Konzeption des Stadtbaudirektors Peter Paul Seeberger instandgesetzt und partiell umgebaut wurde, erhielt Paul Schneider neben anderen Künstlern Aufträge für die künstlerische Ausgestaltung des Ratskellers und der neuen Arkade an der Betzenstraße. Damit wurde die Tradition fortgeführt, das Rathaus als herausragenden Ort eines Gemeinwesens auch gestalterisch auszuzeichnen. Für die Arkade, die in den Westflügel des von Georg Josef Hauberrisser 1897-1900 im neugotischen Stil errichteten Gebäudes eingebrochen wurde, entwarf Schneider ein Fassadenrelief, das zwischen der neuen Öffnung und einem Maßwerkfenster vermittelt. Aus dem Schlussstein der Arkade treiben die drei Wurzeln eines Lebensbaums, der das Zusammenwachsen der drei Städte Alt-Saarbrücken, St. Johann und Malstatt-Burbach zu einem Ganzen symbolisiert. Diese frühen Arbeiten waren immer im Stil der Zeit und gemäß den damaligen Vorgaben für Kunst am Bau gefertigt.
Den entscheidenden Schritt in den Raum vollzog Paul Schneider zusammen mit Künstlerkollegen und Architekten während der Neugestaltung des St. Johanner Marktes. Dort sollten sich andere Wege kreuzen. Bewegung garantierte in den 1970er Jahren eine vierspurig durch den Stadtkern von St. Johann geleitete B 51. Dafür war der barocke Marktbrunnen versetzt und Häuser abgerissen worden. Doch die Vision einer autogerechten Stadt hatte an Strahlkraft eingebüßt. Ihr Symbol, die zehn Jahre zuvor eröffnete Stadtautobahn, war in die Jahre gekommen. Die Bewegung, Fußgängerzonen in Innenstädten einzurichten, erfasste immer mehr Kommunen. Autofreie Wochenenden, auch in Saarbrücken, bezeugten ein Umdenken und ließen den Wunsch der Stadtbewohner nach mehr Freiraum wachsen.
In Saarbrücken bezog die Wettbewerbsaufgabe „Neubau des Karstadt-Warenhauses“ 1971 bereits die angrenzende Altstadt von St. Johann in die Gestaltung mit ein, wobei jedoch eine grundlegende Änderung des Straßenverkehrs in diesem Bereich nicht vorgesehen wurde. 1974 gründete sich die „Arbeitsgemeinschaft bildender Künstler e.V. zur Erhaltung, Weiterentwicklung und Humanisierung der Altstadt St. Johann". Gemeinsam mit den Architekten gestaltete sie als "Arbeitsgemeinschaft Fußgängerbereich Saarbrücken“ zusammen mit der Stadt von 1976 bis 1980 den St. Johanner Markt als autofreien Stadtraum neu. Paul Schneider entwarf eine Pflasterung für den Marktbereich und die Kaltenbach-, Kappen-, Türken- und Saarstraße.
Die Durchgangsstraßen und Bürgersteige verschwanden, die Pflasterung aus edlen Natursteinen (grauer Granit, grüner Melaphyr und roter Diorit) nimmt das plastisch geformte Bodenrelief auf, entwickelt daraus organische Formen und bildet an ausgewählten Orten phantasievoll ornamentierte eigene kleine Plätze aus, wie z.B. vor der Stadtgalerie oder der Basilika St. Johann. 1978 bat Paul Schneider neun Bildhauerkollegen aus Europa und Asien zu einem Bildhauersymposion. Die Idee des gemeinsamen Arbeitens in freier Natur hatte der österreichische Bildhauer Karl Prantl angeregt, der seit 1959 regelmäßig zu Symposien in den Steinbruch nach St. Margarethen bei Wien einlud und nun zwanzig Jahre später auch an dem Bildhauersymposion in Saarbrücken teilnahm, nach Wien und Bad Kreuznach dem dritten, das in einem Stadtraum stattfand. Vor Ort wurde an den Steinen gearbeitet. Insgesamt entstanden siebzehn Steinskulpturen bzw. Skulpturengruppen, von denen die meisten heute noch erhalten sind. Es war ein Signal für die Kunst im öffentlichen Raum. Kunst war keine Dekoration, sondern Angebot und Alternative zu den mittlerweile allgegenwärtigen Pollern, die als Begrenzung und Gliederung der Lauf- und Fahrwege rund um den St. Johanner Markt dienten. Kunst war nicht mehr am Bau, sondern war raumgreifend. Dieses Bildhauersymposion war eine wichtige Station, die der Kunst buchstäblich neue Räume öffnete. Mag diese Leistung inzwischen auch fast vergessen sein, die damalige Initiative hat den St. Johanner Markt als Zentrum Saarbrückens und Lebensraum für Bürger und Besucher der Stadt neu erschlossen und bis heute bewahrt.
Sabine Graf
Biografie
Paul Schneider
1927 geboren in Saarbrücken
2021 gestorben in Merzig
Bibliografie
Redaktion: Oranna Dimmig und Claudia Maas
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je Kunstwerk | 50 € | 30 € | 80 € |
Für alle Entleiher gilt: