Mettlach – "Alter Turm" – Abtei St. Peter
Der sogenannte "Alte Turm" steht im Park der ehemaligen Benediktinerabtei St. Peter zu Mettlach/Saar. Seit 1806 sind die barocken Abteigebäude der Firmensitz der Villeroy & Boch AG, in deren Besitz sich auch Park und "Alter Turm" befinden.
Die Abtei ist eine Gründung Liutwins, eines fränkischen Adligen, dessen Familie der obersten Aristokratie Austriens zuzurechnen ist. Die Gründung erfolgte in den letzten Jahren des 7. Jahrhunderts als adliges Eigenkloster. Schon bald danach bestand in Mettlach eine Kirchenfamilie, die drei Gotteshäuser umfasste. Ihre Patrozinien waren St. Peter, St. Marien und ein dem Heiligen Dionysios geweihtes Oratorium. Im ersten Jahrzehnt des 8. Jahrhunderts wurde Liutwin Erzbischof von Trier. Er vermachte seine Mettlacher Gründung der Trierer Kirche. Der Erzbischof von Trier war somit auch Abt der Abtei von Mettlach. Die Abtei wurde von einem Probst geleitet. Die freie Abtwahl wurde ihr erst Mitte des 10. Jahrhunderts gewährt. In diese Zeit fällt auch die Blütezeit der Liutwinschen Gründung.
Was die Art und Weise der Gründung betrifft, so haben wir nach den neuesten Auswertungen der Quellen von zwei getrennten Baukomplexen auszugehen: ein dem Hl. Dionysios geweihtes Oratorium und die Abtei mit Peter- und Marienkirche.
Die Lage der Abteigebäude, der Peter- und Marienkirche ist von einer topographischen Karte von 1807 abzulesen. Das Dionysios Oratorium ist dort nicht eingezeichnet und bis heute durch keinerlei Funde belegt. Die beiden anderen Kirchen des 7. und 8. Jahrhunderts wurden in den Jahren 1954/55 und 1959/60 von dem damaligen Landeskonservator Martin Klewitz durch Grabungen erschlossen. Der vorbarocke Abteikomplex selbst bleibt bis heute ungeklärt. Im 18. Jahrhundert wurden die Abteigebäude barock erneuert
Für St. Peter wurden vom ersten Bau die Fundamente einer dreischiffigen Anlage mit fluchtendem Querbau und drei Apsiden im Osten freigelegt. Im 10. und 11. Jahrhundert wurde nach kriegerischen Auseinandersetzungen ein Neubau notwendig. Für diese Anlage ergeben die Befunde Dreischiffigkeit mit Einturmwestfassade. Die ursprüngliche Ostanlage ist unklar. Sie wurde in gotischer Zeit als Polygonalchor mit seitlichen Annexen ersetzt. Dieser Bau wurde 1819 wegen Baufälligkeit niedergelegt. In den Pfeilern des Triumphbogens fanden sich beim Abbruch zwei grüne Marmorsäulen antiken Ursprungs.
An die Hauptkirche St. Peter schloss sich südöstlich die kleinere Marienkirche an. Die Anlage aus der Zeit Liutwins war ein mit Annexen versehener Saalbau mit Rechteckchor.
Unter Abt Lioffin (985-993) entstand dann an gleicher Stelle als Nachfolgebau ein Zentralbau für das Grab des als heilig verehrten Stifters. Der Zentralbau bestand aus einem achteckigen Mittelraum von 10,8 m Weite mit einer Vorhalle - wohl aus dem 11. Jahrhundert - im Westen und einem zweigeschossigen Rechteckchor im Osten. Der Marienaltar stand im Obergeschoss und war vom Laufgang her zugänglich. Die anderen Seiten des Oktogons waren und sind im Innern durch Nischen in der 2,60 m starken Erdgeschossmauer gegliedert. Ihre Öffnungen zum Innenraum sind ursprünglich wohl in Analogie zum Westeingang als hohe Rundbogen zu denken, sodass eine gleichmäßige Bogenfolge mit geknickten Wandresten entstand. Befunde für die Form der Nischen sind am Bau nicht nachzuweisen. Außen waren die Nischenseiten durch flache Blendbogen auf breiten gebrochenen Eckpilastern gegliedert.
Über dem inneren Nischenkranz des Erdgeschosses verläuft ein emporenartiger Laufgang. Seine Außenmauern sind bis auf Reste an der Süd- und Südwestseite verloren, sodass er heute nur noch als Mauerrücksprung wahrgenommen wird. Er öffnet sich nach innen in übergriffenen Drillingsbogen. Sie stellen die Verbindung zum Innenraum dar. Nach außen waren sie durch ein Pultdach verborgen.
Die Bogen ruhen auf monolithischen Säulchen, deren große würfelförmige Sockel im oberen Teil dreifach getreppt sind. Ihre attischen Basen sind teilweise verdoppelt. Die gebauchten, auf einer Drehbank erstellten Schäfte, tragen kräftige Halsringe. Neben Pilzkapitellen finden sich würfelförmige Knäufe auf weitausladenden Kämpfern, die, wie auch die Knäufe, reich mit Rankenwerk geschmückt sind. Im Osten und Westen ist der Schmuck besonders opulent. Basen, Schäfte, Kämpfer und Kapitelle bestehen aus Kalkstein.
Für die Wölbung des Umgangs kann ein Tonnengewölbe angenommen werden. Die vorgefundenen Gewölbeansätze geben Hinweise auf eine gestelzte Rundbogentonne, über dem oberen Chor eine segmentförmige Quertonne. Ein Treppenturm erschloss seit dem 11. Jahrhundert die oberen Teile. Über dem Umgangsgeschoss geht der Obergaden in geringerer Mauerstärke hoch. Er wurde von acht rundbogigen Fenstern zwischen Ecklisenen gebildet. Der obere Abschluss ist wohl als flach- oder offengedeckt zu denken.
Um 1300 begann die wesentliche Veränderung des oben beschriebenen Zustandes mit der "Gotisierung" des Oktogons. Erhebliche Eingriffe bedeuteten das Einbrechen von Maßwerkfenstern in die Nischen und das Einziehen eines Rippengewölbes auf Diensten mit äußeren Strebepfeilern und Strebebogen. Die Nischen erhielten Spitzbogenschluss und sind heute im Grundriss trapezförmig. Sie erhielten wie auch die Stirnseiten der Nischen eine Quaderverkleidung. Der Chor wurde abgebrochen und die Ostseite als Nische angelegt. Die rundbogigen Obergadenfenster wurden vom Gewölbe überschnitten. Sie wurden bis auf eine kleine segmentbogenförmige Öffnung im untern Teil vermauert. Ob die Vermauerung der Drillingsbogen gleichzeitig stattfand, ist nicht geklärt.
Im 15. Jahrhundert wurde mit der Erhöhung der Mauerkrone dem Turm ein Spitzhelm aufgesetzt. In den beiden folgenden Jahrhunderten gab es keine baulichen Veränderungen am Oktogon.
Zu einer regen Bautätigkeit im Klosterbereich kam es wieder im 18. Jahrhundert. Geplant war eine aufwendige barocke Gesamtanlage, der alle mittelalterlichen Bauten mit Ausnahme des "Alten Turmes" weichen sollten. Dieser war als Chorhaupt einer neu zu errichtenden Abteikirche vorgesehen. Mit dem Bau der Abteigebäude wurde begonnen. St. Peter und das Oktogon blieben stehen, obwohl letzteres nicht mehr in Nutzung war. St. Peter diente bis zum Abbruch 1819 als Pfarrkirche.
Bis zur Französischen Revolution und der damit verbundenen Vertreibung der Mönche waren die Bauarbeiten nicht abgeschlossen. Die Familie Boch erwarb 1809 den gesamten Klosterkomplex und richtete in den Gebäuden eine keramische Fabrik ein. Der "Alte Turm" blieb vorerst bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine weiter verfallende Ruine. Sein Erhalt ist wohl Karl Friedrich Schinkel zu verdanken, der sich 1826 bei seinem Aufenthalt in Mettlach gegen einen Abbruch aussprach.
Zwischen 1849 und 1854 setzte eine Instandsetzung unter der Leitung August von Cohausens in enger Zusammenarbeit mit Eugen von Boch ein. Die Ruine wurde so vor weiterem Verfall bewahrt. Dabei ging man sehr behutsam vor und rekonstruierte nur dort, wo es die Sicherung des Baus verlangte. Um das Oktogon als ein Hauptdenkmal der ottonischen Kunst wieder herauszustellen, wurde die Vermauerung der Drillingsbogen und der Obergadenfenster bis auf ein Beispiel aufgehoben. Moderne Sandsteintransennen kaschieren seither die sonst sichtbaren Gewölbekappen.
In jüngster Zeit verlangte der besorgniserregende Zustand des "Alten Turmes" wiederum umfassende konservatorische Maßnahmen. Nach kleineren Restaurierungen in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts kam es seit 1989 zu einer sorgfältigen und behutsamen Sanierung, die vom Staatlichen Konservatoramt des Saarlandes unter Karl Kirsch und Georg Scalecki betreut und vom Architekturbüro Krüger und Rieger ausgeführt wurde. Um die Schäden und deren Ursachen feststellen zu können, waren umfassende Voruntersuchungen notwendig. Sie bildeten die Grundlage für das Sanierungskonzept, dessen Ausführung 1991 mit der Erneuerung des Daches begann und im Außenbereich mit der Verfugung des vorsichtig ausgebesserten Mauerwerks endete. Schwieriger gestaltete sich die Innensanierung durch das Problem des eindringenden Regenwassers.
Um hier zu einem wünschenswerten Ergebnis zu gelangen, berief das Konservatoramt ein Kolloquium ein. Es wurden etliche Varianten zur Hebung des Problems diskutiert. Angesichts des ruinenhaften Zustandes des Oktogons konnten weitgehende Wünsche wach werden. Sie gingen bis zur Rekonstruktion des Verlorenen. Die Idee, zerstörte Situationen wieder herzustellen, wurde verworfen. Nach diesem Ergebnis des Kolloquiums lag die Erhaltung des "Alten Turmes" als sanierte Ruine nahe. Die konservatorische Arbeit endete mit einer bedachtsamen Lösung des Regenwasserproblems.
Die Bedeutung des "Alten Turms" in seiner ursprünglichen Form ist für die frühromanische Baukunst nicht hoch genug einzuschätzen. Die Zentralbauform galt als Grablege für hohe Adlige, Bischöfe und Äbte als durchaus angemessen. Obwohl Abt Lioffin um 985/993, wie in den "Miracula sancti Liutwini" berichtet, eine Planzeichnung "similitudo" des Aachener Zentralbaus besorgte, sind die Argumente für eine Nachbildung desselben eher vage. Für den Hinweis auf Aachen sprechen dennoch einige Zitate wie oktogonale Grundform, zweigeschossiger zu Nische und Laufgang reduzierter Umgang, dreigeschossiger Aufbau im Innern mit hohen Rundbogen im Erdgeschoss, darüber Drillingsbogen und hoher Fenstergaden. Darüber hinaus kann Aachen als Vorbild im Sinne ikonologischer Zusammenhänge verstanden werden. Das Architekturverständnis des Mittelalters ist von unserem heutigen völlig verschieden. Aussagen wie "similitudo" sind nicht in modernem Sinn zu verstehen.
Das älteste aufrecht stehende Baudenkmal des Bundeslandes Saarland gehört zu den wichtigsten romanischen Zentralbauten Deutschlands und ist das früheste Beispiel in der Region. Mit seinem beachtenswerten Aufbau zeigt es das Wesentliche und Neue des alten Schema Nischenoktogon. Im Mettlacher Nischenoktogon sind die Wände unten von acht gleichen oder paarweise verschiedenen Nischen ausgehöhlt. Im zweiten Geschoss lässt die Stärke der durch Nischen ausgehöhlten Mauer des Erdgeschosses den Laufgang zu. Darüber springt der Obergaden auf die innere Mauerstärke zurück. Hier wird die Wandzerlegung als Grundhaltung der mittelalterlichen rheinischen Baukunst deutlich.
Es wurden und werden von der Fachwissenschaft viele Argumente für mögliche Vorbilder der Wandzerlegung gesucht und auch diskutiert. Das ganz in der Nähe liegende Beispiel des römischen Stadttors in Trier könnte sehr wohl als Denkanstoß gedient haben. In der Porta Nigra liegen die Wehrgänge übereinander und sind zum Innenhof hin in Bogenstellungen geöffnet. Rund fünfzig Jahre nach Mettlach erscheint im Dom-Westbau zu Trier die Wandzerlegung innen in Form des Laufgangs und außen in Form der Zwerggalerie.
Isolde Köhler-Schommer
Quellen
Bibliografie
Redaktion: Oranna Dimmig, Christine Koch
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