Monika Schrickel – Schriftkünstlerin
1940 in Bautzen geboren, 1957 Abitur in Leipzig, 1959 Umzug nach Hannover. Zu einer Zeit, in der in der ehemaligen DDR noch Aufbruchstimmung herrschte, der Glaube an den Sozialismus. Die Auseinandersetzung mit marxistischer Literatur und mit Philosophie (Heraklit, Parmenides – "Es gibt nicht Nicht“) habe ihr den Geist geöffnet.
Seit 1961 lebt sie im Saarland, mit festem Platz in der saarländischen Kunstszene, in ihrem Wirken als Vorstandsmitglied im Saarländischen Künstlerhaus (1986–2004), heute als Vorsitzende des Bundesverbandes Bildender Künstler im Saarland. 1985 ist sie Mitbegründerin der Künstlerinnengruppe Saar und organisiert eine Reihe von Projekten; Studienaufenthalte in Frankreich und Irland gehören zu diesen Aktionen, mit Themen um Industriekultur, Gewalt und Eros, Zeit und Raum, Ursprung und Zivilisation. Bezeichnend für ihr Engagement ist der Austausch mit KünstlerInnen und anderen Verbänden, ihre Arbeit als Sachverständige in Kunst- und Kulturausschüssen. Der deutsch-deutsche Wechsel, die Flucht aus der DDR, der notwendige Aufbau einer Existenz, der ihren Weg zur Kunst (seit 1965) zunächst verstellte, lassen ein bewegtes Leben vermuten. Bodenständige Berufe übt sie aus. Studien der Malerei und Grafik bei Willi Spiess sind der Anfang ihres künstlerischen Werdegangs. Seit 1974 dokumentieren Ausstellungen, Mappenwerke, Editionen – u. a. für das Institut für aktuelle Kunst, Bücher, Werke in öffentlichen Sammlungen ihre künstlerische Arbeit. Selbst Musikerin – Monika Schrickel hat Geige in einem Orchester gespielt, war sehr früh die Musik prägend, Kulturgut wie die Schrift, die ihre Arbeit wesentlich bestimmt. Die Musik, ihre Rhythmik, ist spürbar in ihren Bildern aus Zeichen.
"Komponistenportraits" sind Thema früher Arbeiten. Ein menschliches Antlitz wandelt sich in eine Komposition aus Hell-Dunkel und Farbe, aus Kontrast und Harmonie. Bela Bartok (1972) zeichnet sie vor nuanciertem flächigem Bildhintergrund, in sich gekehrt, den Blick gesenkt, seine Augen – dunkle Höhlen, schier unzugänglich für uns, er bleibt in seiner Welt. Ihr künstlerischer Weg führt sie zu Strukturen in den 1980er Jahren, in denen sich Linien, Striche, energetisch aufgeladen, mit Flächen verbünden, grafisch im malerischen Bildraum, die Farbigkeit verhalten. Es sind Arbeiten in Öl, wie in den frühen Portraits.
Diese Strukturen verwandeln sich in eine informell anmutende Malerei in den 1990er Jahren. In "Zeichenzeit-Körperraum", Acryl auf Bütten (1993) – Papier wird bedeutsam in ihrem Werk! setzt sie Rot und Schwarz in einen Dialog, die Farben für Leben und Tod. In Dialog treten zwei Figuren in dem Werk „Kommunikation“ (2003, aus Seidenpapier, Acryl, in Collagetechnik). In einem anderen Werk "Zeichenzeit-Körperraum", Öl auf Karton (1998) – ein Gebilde, transluzid, in blauem kosmischen Raum. 'Körperräume' – kalligraphisch anmutend – lösen sich in den unendlichen Raum. In den 1990er Jahren entstehen Farbräume, aus der Serie der Strukturen, in kontrastierendem Schwarz-Rot, verwandelte Landschaft. "Unwägbarkeiten" – Farben bahnen sich explodierend, sich durchdringend, Wege im Bildraum.
Zeichen. Als Zeichen im Raum erscheint auch ihr Objekt von 2002 aus Seidenpapier. Seidenpapier – voller Zartheit, fragil und doch fest wirkt es im Raum, zusammengefügt zu einer Leiter (Himmelsleiter?) und eine Art Fenster. Mehr und mehr behaupten sich Zeichen, grafische Elemente, um sich schließlich als "Schriftzeichen" zu manifestieren.
Schrift ist ihr Thema.
"Briefe an meine Freunde" entstehen, Buchobjekte, das "offene Buch". "Wenn ein Buch geöffnet ist, öffnet sich etwas." In den Schriftzeichen, Linien – energetische Spuren, die sich über die schreibende Hand manifestieren, die der Schwingung eines gegenwärtigen Moments. Manchmal sind die Schriftzeichen zu grafischen Zeichen 'destilliert'. Es ist für Monika Schrickel auch der Anspruch, Handschrift zu bewahren, der Übermacht der digitalen Welt etwa entgegenzusetzen. Die Buchobjekte stehen auch für die Zeit. Zeit, die nicht linear ist. Ein Buch nehmen wir in einzelnen Seiten wahr, und doch ist die ganze Geschichte des Buches da.
Der Weg dorthin beginnt mit ihrer Faszination über das Buch, das Welt verändern kann. Schriftbilder mit verschlüsselten Botschaften begegnen uns.
Schriftungen – Titel, Begriff für Arbeiten aus Acryl oder mit Pigmenten auf Bütten oder Seidenpapier, Werke, die an geschriebene Briefe, Manuskripte erinnern, Strukturen, nun als kryptische Zeichen verwirklicht. Wir finden sie auf Blättern, die für ein aufgeschlagenes Buch stehen mögen, auf langen Bahnen aus hauchdünnem Seidenpapier, die in Ausstellungen (wie in der Ausstellung in der Johanneskirche in Saarbrücken 2014) Wesenheiten gleich, erhaben über die Zeit durch den Raum zu schweben scheinen. Text-Zonen, vereinzelte Zeichen, Schriftspuren, Anklänge an europäische Zeichen, arabische, kyrillische, griechische, seltener hebräische, sind darin verwoben. Sucht man Ahn-Formen, mag man an Papyrusrollen denken. Monika Schrickel spricht über ihr "Staunen über die Kulturen Schriften und über Vielfalt der grafischen Zeichen, die mich reizen, sie aufzugreifen und mit ihnen umzugehen." Die Farbigkeit: gespenstisch weiß oder in verhaltenen Nuancen. Die vermeintliche Leere, die asiatische Kunst bestimmt – im Dialog mit den Zeichen, die nicht zufällige Ortung der Schrift auf dem Bildträger erkennen wir auch in den "Schriftungen" von Monika Schrickel. Es ist ein Wechselspiel, man denke an Yin und Yang, Tag und Nacht, Licht und Schatten, männlich – weiblich; es sind die Gegensätze, die Leben schaffen. Strukturen aus Pigmenten auf geschichtetem Seidenpapier, im Einklang mit zartfarbigen Feldern, rhythmisch bahnen sie sich Wege, gleich einer musikalischen Komposition. Kostbarkeiten auch: Runde Gebilde aus Verästelungen, aus feinsten Kartonstreifen, in Weiß und Grau, filigran verwoben, erinnern an die menschliche Gehirnstruktur, fragil und doch von innerem Halt, plastisch und durchlässig. Der Mensch bleibt Thema!
"Öffnungen", Arbeiten aus dem letzten Jahr. Auch sie sind biographisch zu verstehen. Der Tod ihres Mannes – er lässt Tore entstehen, Pforten am Weg von einer in eine andere Dimension. Ein Hauch von Papierbahnen verdichtet sich zu atmenden Gebilden. Feinste Papierstreifen sind aneinandergefügt, komponiert wie musikalische Klänge, verwandelt in zarteste Farben und Bewegungen aus Papier, brüchig, zerbrechlich, wie das Leben selbst.
"Schrift und Sprache machen uns Menschen aus." (Monika Schrickel) Schrift-Zeichen – sie sind Ausdruck menschlicher Kultur. Die Schrift – erkennbare Zeichen. Aus gefundenen, erfundenen Zeichen, aus Rhythmen und feinsten Schichten webt Monika Schrickel ihre feinsinnigen Bildwelten.
Es ist die Bildgestalt einer Künstlerin, die sich aufmacht, ihre Zeichen zu finden. Persönliche Zeichen, die archetypische Zeichen des Menschen berühren. Es ist auch eine künstlerische Reise in die Geschichte der Schrift, in alte Zeiten und Kulturen. Rhythmen bestimmen den Verlauf, Empfindungen von Bewegung oder Innehalten begegnen uns. Sie mögen auch an die Zerbrechlichkeit des Lebens, der Kultur gemahnen. Es sind Bilder voller Zartheit, in energetischer Dichte. Sie behaupten sich leise, voller Tiefe in einer zu laut gewordenen Welt.
Monika Bugs
Redaktion: Doris Kiefer
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je Kunstwerk | 50 € | 30 € | 80 € |
Für alle Entleiher gilt: